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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Parker
In Zeiten des immer verzwicketeren organisierten Verbrechens fällt es Räubern wie Gendarmen gleichermaßen schwer, die Zusammenhänge einzelner Coups in das große Ganze einzuordnen und seinen Platz zu finden. Besonders kompliziert gestaltet sich das für den Einzelkämpfer, den Arbeitnehmer an vorderster Front, der alleinstehend sein täglich Brot mit Raub, Lug und Betrug verdienen will. Natürlich wird er von den Geschäftsleuten in der Verwaltung immer noch benötigt, doch er muss ein Teil dieses gigantischen Systems werden und voll und ganz in den festgefahrenen Strukturen aufgehen, um Akzeptanz zu finden. In insgesamt 24 Romanen präsentierte der Autor Donald E. Westlake von 1962 bis 2008 den fiktiven Berufskriminellen und Antihelden Parker, einen Profi aus dem Lehrbuch, der sich diesem System widersetzt und nach seinen eigenen Regeln spielen will. Der 19. Teil dieser langlebigen Reihe ("Flashfire") feierte 2013 dank Regisseur Taylor Hackford sein Kinodebüt - und lässt Jason Statham in der Titelrolle gegen den Kapitalismus des Verbrechens rebellieren.
Das Drehbuch des Autoren John J. McLaughlin hält sich dabei überraschend genau an die Romanvorlage Westlakes und konzentriert sich folgerichtig ganz auf Parker, der in einem kurzen Opening sehr effektvoll charakterisiert wird. Statham, der für das beginnende 21. Jahrhundert das ist, was Sylvester Stallone und Chuck Norris für die 80er Jahre waren, präsentiert sich als anarchistische Neuerfindung Robin Hoods und harter Hund gleichermaßen und zeigt eine lebendig aggressiv Performance, die zugleich nach Gerechtigkeit, Vergeltung und unvermeidlichen Kollateralschäden verlangt. Die oft nur kurzen, aber harten Fights leben nahezu ausschließlich von Stathams Körperlichkeit und wenn er in einer überraschenden Konfrontation auf den aus "Matrix Reloaded" bekannten Daniel Bernhardt trifft und sich die beiden in einer packenden Mischung aus Martial Arts Einlagen und anderen Kampfsporten durch und aus einem Hotelzimmer treten und werfen, fließt das Blut literweise und lässt John McClanes härteste Verletzungen aus "Die Hard" harmlos erscheinen. So steht und fällt die gesamte Qualität des Abenteuers mit dem Protagonisten, dem vor lauter Kaltschnäuzigkeit nicht mal genug Zeit bleibt, mit seinem Love Interest zu flirten und diese gerne mal links liegen lässt.
Leider wird relativ schnell klar, weshalb Hackford für den möglichen Beginn einer ganzen Reihe aus "Parker"-Verfilmungen ausgerechnet "Flashfire" als Vorlage wählte: Während andere Romane Westlakes viel Wert darauf legten, die antikapitalistische Grundhaltung und Bertolt Brechtsche Sichtweise auf das organisierte Verbrechen stimmig zu vertiefen, kommen diese Motive in "Parker" nur am Rande vor und müssen einem Racheplot mit Heist-Movie Einschüben weichen, der inhaltlich nicht so recht überzeugen kann. Zu unproblematisch scheint Parker nach dem anfänglichen Verrat seiner Kollegen zu regenerieren, zu oft spielt der Zufall ihm glücklich in die Karten und lässt den Experten eher wie einen Gelegenheitsgauner wirken. Trotz reichlicher Rückblenden und vielen ruhigen Momenten verpasst Hackford die Gelegenheit, für echte Atmosphäre zu sorgen, wenngleich die noble und wohlhabende Wohngegend des sonnigen Floridas optisch einiges hermacht und durch die gewaltvollen Auseinandersetzungen auch angenehm häufig konterkariert wird. Dennoch fehlt es an Stimmung, Raffinesse und Gespür und dem Aufkommen echter Spannung. Die Handlung plätschert lange dahin, auch, weil die Fronten viel zu früh klar sind und der Showdown trotzdem eine gefühlte Ewigkeit auf sich warten lässt, auch, weil die Action dann eben doch viel zu spärlich zum Einsatz kommt. So bleibt die Frage offen, ob "Parker" eher Rachethriller oder Gaunerdrama sein will, da er für beide Genres entweder zu wenig Thrill oder zu wenig Drama übrig hat.
Eindeutig kontraproduktiv sorgt die totale Fokussierung auf Stathams Charisma auch dafür, dass der restliche Cast weitgehend blass bleibt, besonders tragisch im Falle von Michael Chiklis, der als Schurke Melander in schwaches Overacting verfällt und nie als echte Bedrohung eingestuft werden darf. Gleichzeitig sind Emma Booth und Urgestein Nick Nolte als Parkers "familiäres" Umfeld schmerzlich verschenkt und werden zu Stichwortgebern reduziert, trotz teils beachtlicher (nicht selten redundanter) Screentime. Die Besetzung von Jennifer Lopez als weibliche Hauptfigur ist ein vergleichsweise zweischneidiges Schwert: Einerseits gefällt die Art der Beziehung zwischen ihr und Parker, die mehr Zweckgemeinschaft oder Partnerschaft als ernsthafte Liebelei ist, doch zu lange muss sich Lopez durch einen komplett überflüssigen Nebenplot mit Bobby Cannavale als in sie verknallten Polizisten hangeln. Mit seiner 2 Stunden Laufzeit ist "Parker" daher definitiv mindestens 20 Minuten zu lang geraten und weiß nie so recht auf den Punkt zu kommen, und enttäuscht dann ärgerlicherweise mit einem derart einfallslosem abschließendem Shootout, der den zu durchschnittlichen Gesamteindruck ebenfalls nicht mehr auf ein höheres Niveau heben kann. Immerhin, ein paar gute Oneliner und nette Situationskomik sind drin (meist im Zusammenhang mit der Mutter der Lopez-Figur), womit "Parker" sich schon einmal nicht ganz so ernst gibt wie mancher Konkurrenz-Film und der Score des Komponisten David Buckley weiß mit wenig Mühe einen schlüssigen Klangteppich zu gestalten, dem man abschließend nur einen etwas weniger mittelmäßigen Film gewünscht hätte.
Fazit: Wo es "Parker" an Gradlinigkeit fehlt, zeigt Jason Statham diese in vollem Maßen. Nicht nur deshalb ist Hackfords Romanadaption also insbesondere für Fans des "Expendables"-Stars interessant und garantiert einen Blick wert, so zeigt sich dieser wieder einmal von seiner besten Seite und verspricht physisch "coole" und blutige Auseinandersetzungen, zynische Sprüche und versteinerte Mimik in einem Film, der praktisch einzig und allein auf ihn zugeschnitten wurde und seine Schokoladenseite lobpreisen will. Genrefans hingegen brauchen schön gehörig Sitzfleisch, da es nur selten mal wirklich zur Sache geht und die dünne Rachehandlung nicht allein bereits tausendfach durchgekaut wurde, sondern hier auch komplett überraschungsfrei und nüchtern nach Schema F erzählt wird. Für Statham-Puristen daher ein Muss, für den allgemeinen Kinogänger nur bedingt empfehlenswert und für Westlake-Leser vermutlich eine Spur zu einfach und berechenbar.
5/10
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Let the sheep out, kid.