Der Wahlerfolg der AfD ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Wähler über deren eigentliche Inhalte (jenseits der Flüchtlingsdebatte) keine Ahnung hatten. Die AfD wurde ja vor allem (oder zumindest in großen Teilen) vom Prekariat gewählt und genau für diesen Teil der Bevölkerung will die AfD ja eben nichts tun bzw. sogar Mindestlohn und ähnliches wieder rückgängig machen.

Finde auch, das nur auf die Flüchtlingspolitik zurückzuführen ist sehr einseitiges Schubladendenken.

Absolut nicht, das ist imo schon sehr offensichtlich. Haben auch die allermeisten unabhängigen Wahlforscher und Politologen so gesehen (im TV und Rundfunk). Wird natürlich von den etablierten Parteien bestritten, was imo aber nicht glaubwürdig ist. Das Thema hat alles beherrscht und landespolitische Themen weit in den Hintergrund gerückt. Ein zweiter deutlich erkennbarer Schwerpunkt waren die offensichtlichen Personenwahlen (Kretschmann und Dreyer), was ebenfalls von den betroffen Parteien imo fälschlicherweise als eigener Erfolg umgedeutet bzw. schön geredet wird. Insgesamt kann man sagen, dass die Wahl v.a. eine Niederlage für das etablierte Parteienspektrum dargstellt, was sicherlich beunruhigend ist. Hat man allerdings gestern Anne Will gesehen, muss man sagen, dass daraus wohl leider nichts gelernt werden wird (schlimm: Von der Leyen und Stegner).

Natürlich wurde die AfD wegen ihrer Haltung in der Flüchtlingskrise gewählt. Und das ist eben das bedenkliche, weil über die anderen Themen der Partei keine Klarheit herrschte.

Ja, die wurden weitestgehend ignoriert bzw. kaum beachtet. Im Ausland sieht man übrigens imo völlig zu Recht auch die Flüchtlingskrise als DAS zentrale Thema und den Grund für die herben Schlappen von CDU und SPD.

Die amerikanische „New York Times“ sieht in den Landtagswahlen einen „Rückschlag für Angela Merkel“. Die Kanzlerin stünde jetzt vor der „härtesten Herausforderung ihrer politischen Karriere“. Doch auch über die Kanzlerin hinaus sieht das Blatt Auswirkungen auf die Bundesrepublik zukommen: „Die Wahlen haben gezeigt, wie stark die Flüchtlingskrise die Politik und das tägliche Leben in Deutschland erschüttert haben.“

Auch der britische „Guardian“ spricht von einer politischen Erdbeben nach den Wahlerfolgen der AfD. „Die flüchtlingsfeindliche Partei Alternative für Deutschland hat mit ihren dramatischen Zugewinnen bei den Wahlen Deutschlands politische Landschaft erschüttert und ist getragen vom zunehmenden Ärger über Angela Merkels Asylpolitik in drei Regionen erstmals in die Parlamente eingezogen.“ Diese „dröhnenden Siege“ seien als Zeichen für eine zunehmende Polarisierung der politischen Debatte innerhalb Deutschlands zu sehen, die umso stärker wird „seit Kanzlerin Merkel an Bord ihres Flaggschiffs, einer Politik der offenen Tür in der Flüchtlingskrise, gegangen ist.“

Für die britische „Times“ ist der Sieg der AfD „ein niederschmetternder Schlag gegen Frau Merkel, die vor dem Krisengipfel in Brüssel diese Woche auch Probleme hat, ihre Pläne für die Aufteilung von Asylsuchenden über die Europäische Union anderen skeptischen Regierungen zu verkaufen.“ Die Ergebnisse der Landtagswahlen erhöhten somit den Druck auf Merkel, „die Zahl der nach Deutschland kommenden Migranten zu senken. Es ist auch das erste Mal, dass eine rechtsgerichtete Partei im modernen Deutschland breite Unterstützung gefunden hat.“

Mehr: http://www.faz.net/aktuell/politik/pres ... /elections

Der Grund für die Schlappe der CDU ist vor allem die Zerstittenheit innerhalb der Union. Bei der SPD kam noch der Status als Junior-Partner in den Koalitionen in BaWü und Sachsen-Anhalt dazu.

Es kann auch sein, dass ein Teil der AFD-Wählerschaft das konservative Element in der "Merkel-CDU" vermisst. Von der EURO-Kritik der AFD hört man mittlerweile nichts mehr, so ist die AFD unter Lucke ja damals angetreten.

Aber ein Großteil der AFD-Wähler haben sicherlich aus "Protest" wg. der Flüchtlingspolitik AFD gewählt.

DonRedhorse hat geschrieben:Es kann auch sein, dass ein Teil der AFD-Wählerschaft das konservative Element in der "Merkel-CDU" vermisst.

Natürlich. Die AfD versteht sich eben geschickt als Projektionsfläche für alle Enttäuschten. Das Rezept: Möglichst laut und möglichst oft ähnliches sagen, ohne aber zu viel Inhalte zu offenbaren, die die Wähler verschrecken könnten. Dazu noch die Doppelstrategie, auf der Straße wie die NPD und im Fernsehstudio wie die FDP aufzutreten.

Samedi hat geschrieben:Der Grund für die Schlappe der CDU ist vor allem die Zerstittenheit innerhalb der Union.

Das glaube ich gar nicht. Das wird von der Kanzlerin natürlich so gesehen bzw. argumentiert. Die Schlussfolgerung daraus wäre: wenn alle in der CDU/CSU Gewehr bei Fuß stehen würden und Merkels Kurs widerstandlos und widerspruchslos mittragen würden, dann wäre die CDU wesentlich stärker. Das hätte das Ergebnis imo mindestens nicht verbessert.

vodkamartini hat geschrieben:Die Schlussfolgerung daraus wäre: wenn alle in der CDU/CSU Gewehr bei Fuß stehen würden und Merkels Kurs widerstandlos und widerspruchslos mittragen würden, dann wäre die CDU wesentlich stärker. Das hätte das Ergebnis imo mindestens nicht verbessert.

Dann formuliere ich es mal anders. Es ging mir auch um die Standhaftigkeit der jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten. Haseloff hatte durchweg die gleiche Meinung und hat daher auch gewonnen, auch wenn er sich jetzt mehr Koalitionspartner suchen muss.

In RLP dagegen schwankte Julia Klöckner hin und her zwischen den Positionen von Seehofer und Merkel. Der Gipfel war dann ihr Plan B, den sie aber aus Angst, die Merkel-Fans zu verprellen, nur "Plan A2" nannte.

In BaWü machte Guido Wolf es ähnlich wie Klöckner, nur hatte der auch noch den Merkel-Stellvertreter Strobl als Konkurenten.

Ob ein besseres CDU-Ergebnis jetzt durch eine Willkommenskultur im Merkel-Style oder durch einen Seehofer-Kurs zustande gekommen wäre, sei mal dahin gestellt. Das hin und her von Klöckner und Wolf war aber wohl nicht der richtige Weg.

Das stimmt. Beide hätte sich klarer positionieren müssen. Mein Eindruck: die gehen mit Merkels Flüchtlingspolitik nicht konform, trauen sich dies aber nicht so offensiv auszusprechen wie Seehofer (der allerdings auch immer wieder zurück rudert).

vodkamartini hat geschrieben:Das stimmt. Beide hätte sich klarer positionieren müssen. Mein Eindruck: die gehen mit Merkels Flüchtlingspolitik nicht konform, trauen sich dies aber nicht so offensiv auszusprechen wie Seehofer (der allerdings auch immer wieder zurück rudert).

Genau und dadurch passiert folgendes:

Die "bürgerliche" Wählerschaft hört diese Aussagen gegen Flüchtlinge von Seehofer, Söder, Klöckner und Wolf und denkt sich, wenn das die Union sagt, dann hat die AfD ja tatsächlich recht. Die wird dann auch brav gewählt, weil es bei den oben genannten Unionspolitikern nur bei Ankündigungen bleibt.

Samedi hat geschrieben:Der Wahlerfolg der AfD ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Wähler über deren eigentliche Inhalte (jenseits der Flüchtlingsdebatte) keine Ahnung hatten. Die AfD wurde ja vor allem (oder zumindest in großen Teilen) vom Prekariat gewählt und genau für diesen Teil der Bevölkerung will die AfD ja eben nichts tun bzw. sogar Mindestlohn und ähnliches wieder rückgängig machen.

Da liegst du glaube ich ziemlich falsch. Erstens wird das komplette Wahlprogramm leider wohl von den wenigsten gekannt, weder den AfD-Beführwortern, noch von ihren Gegnern, denn dann wäre bekannt, dass die AfD eben noch einige andere Themen hat. Und gewählt wurden sie sicherlich in erster Linie wegen ihrer Linie in der Flüchtlingspolitik, aber auch, weil sie in der Familien- und Bildungspolitik auch vollkommen andere Werte vertreten, als die meisten anderen Parteien. Das dürfte insbesondere in Baden-Würtemberg wichtig gewesen sein. Denn dort hat sich durch Grün-Rot einiges verändert.
Meine Meinung dazu: Deshalb würde Grün-Schwarz BaWü gut tun. Die Grünen sind mit ihren Kernthemen, wie dem Umweltschutz sehr wichtig für den Südwesten. Und mit Kretschmann hat man einen Ministerpräsidenten, dem ich seine Bürgernähe auch abnehme, und der zudem für einen Grünen recht Konservativ ist. Die CDU wäre aber im Gegensatz zur SPD in manchen Themen, wie der völlig vermurksten Bildungspolitik (wofür ja hauptsächlich die SPD verantwortlich ist) ein starker Bremsblock.

DonRedhorse hat geschrieben:Es kann auch sein, dass ein Teil der AFD-Wählerschaft das konservative Element in der "Merkel-CDU" vermisst.

Natürlich, erst dadurch konnte die AfD groß werden. Das habe ich ja vor ein paar Wochen schon geschildert.

DonRedhorse hat geschrieben:on der EURO-Kritik der AFD hört man mittlerweile nichts mehr, so ist die AFD unter Lucke ja damals angetreten.

Und das ist sehr schade. Denn dieses Thema ist ja nicht weniger wichtig und aktuell. Aber es wird leider von der Flüchtlingsdebatte völlig überschattet. Allerdings ist es nach wie vor im Parteiprogramm. Man sollte diese Programme nur kennen...

Samedi hat geschrieben:Dazu noch die Doppelstrategie, auf der Straße wie die NPD und im Fernsehstudio wie die FDP aufzutreten.

Eine sehr gewagte und wie ich finde, falsche Behauptung.

vodkamartini hat geschrieben:Das stimmt. Beide hätte sich klarer positionieren müssen. Mein Eindruck: die gehen mit Merkels Flüchtlingspolitik nicht konform, trauen sich dies aber nicht so offensiv auszusprechen wie Seehofer (der allerdings auch immer wieder zurück rudert).

Naja, Wolf hat sie ja anfangs unterstützt. Und als er gemerkt hat, dass das bei vielen nicht ankommt ist er zurückgerudert. Nur kam das halt bei noch weniger Leuten an. Hätte er eine Position bezogen und die dann auch gehalten, egal welche, wäre er vermutlich erfolgreicher gewesen. Aber auch nur ein wenig.

Generell merke ich aber ständig, dass bei den Parteien ein falsches Demokratieverständnis vorherrscht. Denn jede Partei, die sagt: "Dieses Ergebnis ist schlecht für uns, jetzt müssen wir schauen, wie wir wieder besser ankommen" nehmen sich selbst wichtiger als ihren Auftrag. Nämlich Lösungen für Probleme zu finden. Aber hier wird eher nach Problemen gesucht die man möglichst breit ausschlachten kann, um sich selbst zu profilieren. Da ist nur eben ein völlig falsches Demokratieverständnis vorhanden.

dernamenlose hat geschrieben:Erstens wird das komplette Wahlprogramm leider wohl von den wenigsten gekannt, weder den AfD-Beführwortern, noch von ihren Gegnern, denn dann wäre bekannt, dass die AfD eben noch einige andere Themen hat.

Mit ersterem bestätigst du ja meine These.

Und das mit der Bildungspolitik ist mir durchaus bewusst. Nur sind sie sich da selbst nicht so einig. Dazu muss man nur nach Sachsen-Anhalt gucken:



In dem Video werden auch andere Themenfelder der AfD beleuchtet.

dernamenlose hat geschrieben:

Samedi hat geschrieben:Dazu noch die Doppelstrategie, auf der Straße wie die NPD und im Fernsehstudio wie die FDP aufzutreten.

Eine sehr gewagte und wie ich finde, falsche Behauptung.

Wenn bei AfD-Kundgebungen Sachen wie "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" gebrüllt werden, dann kommt mir das schon so vor. Von dem, was von Höcke kommt, will ich gar nicht reden...

Samedi hat geschrieben:

dernamenlose hat geschrieben:

Samedi hat geschrieben:Dazu noch die Doppelstrategie, auf der Straße wie die NPD und im Fernsehstudio wie die FDP aufzutreten.

Eine sehr gewagte und wie ich finde, falsche Behauptung.

Wenn bei AfD-Kundgebungen Sachen wie "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" gebrüllt werden, dann kommt mir das schon so vor. Von dem, was von Höcke kommt, will ich gar nicht reden...

Da stimme ich Samedi vollkommen zu.