Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Perfect World, Clint Eastwood 1993

Im Jahre 1993 inszenierte Clint Eastwood das Road-Movie Drama mit Kevin Costner und Laura Dern, indem es um einen flüchtigen Verbrecher (Costner) geht, der einen kleinen jungen Kidnappt und eine Art Beziehung zu ihm aufbaut. Mit zunehmender Spieldauer gibt es immer mehr Entwicklungen zwischen den Charakteren und es entwickelt sich eine Freundschaft. Der Film profitiert an dieser Stelle sehr von Costner, der hier eine großartige und tolle Leistung bringt. Eastwood, der von Costner zu einer Rolle überredet wurde agiert eher im Hintergrund, spielt seine Rolle als Chief Red Garnett aber ebenfalls überzeugend, wenn auch zurückhaltend. Laura Dern funktioniert im Film ähnlich gut wie bei Jurassic Park, der im selben Jahr entstand. Sie hat eine nette, sympathische Nebenrolle und spielt FBI-Kriminologin Sally Gerber, die ähnlich wie ihre Rolle im Spielberg-Film gut alleine zurecht kommt und ihren männlichen Kollegen in nichts nachsteht. Nichtsdestotrotz bleibt sie für den Film selber ein wenig belanglos, stört aber keineswegs.

Eastwood inszeniert die Geschichte sehr ruhig und mit sehr viel Fokus auf Costner und T.J. Lowther, der das entführte Kind Phillip spielt. In jeder Szene wissen die beiden zu überzeugen und bringen meines Erachtens nach die Chemie toll auf die Leinwand. Es gibt schöne, witzige aber auch ernste Szenen welche aber immer stark gespielt sind. Leider ist der Film mit 138 Minuten aber etwas zu lang, sodass sich des öfteren mal Längen bemerkbar machen die den Film unnötig lang ziehen. Manchmal wirkt das ganze etwas zäh und vor allem der Handlunsstrang um Eastwood und Dern, so toll die beiden auch sind, streckt das ganze zu sehr. Er bremst den Film oft aus und es hätte gut getan einen 90-100 Minuten Film zu drehen, mit vollem Fokus auf Costner und den Jungen, denn diese Beziehung der beiden und die schauspielerische Qualität halten den Film oben. Gerade die Vater-Sohn Beziehung ist verdammt großartig und die Thematik mit der fehlenden Vaterfigur des Jungen, der streng gläubigen Mutter ist echt klasse umgesetzt.

Perfect World ist kein schlechter Film und kann vor allem durch Costner und coole Roadmovie-Szenen begeistern. Der Fokus liegt auch eindeutig auf diesen, wenn gleich es auch noch eine Nebenhandlung über die Verfolgung des von Costner gespielten Verbrechers gibt. Diese ist aber zu präsent im Film, zieht diesen unnötig in die Länge und bremst ihn oft aus. Eastwood und Dern spielen das sicherlich klasse, aber die Inszenierung von Eastwood verhindert das der Film das tolle Anfangstempo hält. Dafür gibt es Punkte für das starke, melodramatische Finale. Hier hat man alles richtig gemacht. Hätte man den Fokus von Beginn an nur auf Costner gelassen, die Laufzeit um 20-30 Minuten gekürzt und hätte Eastwood mehr Pfeffer für die Regie genutzt, hätte das ein großartiger, spannender und schöner Film werden können. So bleibt viel Potenzial liegen. Schade drum. Eastwood kann es definitiv besser, das hat er schon etliche Male bewiesen.

7/10

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Schöne Kritik, ich sehe den Film weitgehend genauso wie du, wobei die letzte Sichtung bei mir auch schon wieder über ein Jahrzehnt her ist (die BD steht seit nem Dreivierteljahr ungenutzt im Regal, wird aber in absehbarer Zeit drankommen). Auch ich empfand den Film als etwas zu lang und hier und da auch etwas zäh. Auf den Plot um die Verfolgung des flüchtigen Costner würde ich aber nicht verzichten wollen, da dieser wie ich finde elementar für die Beziehung zwischen Costners Figur und dem Kind ist. Das Besondere an der Beziehung ist ja, dass man Costners Figur nie wirklich durchschauen kann. Er scheint es zwar gut zu meinen mit dem Kleinen und tritt auch als dessen Beschützer auf, aber gleichzeitig ist er auch oft unbeherrscht und unberechenbar. Also nicht wirklich der ideale Umgang, den man sich für seine Kinder wünscht. Es bleibt daher auch immer die Unsicherheit, ob Costner den Jungen letztlich nicht doch nur als Geisel mitnimmt (was er anfangs ja auch fraglos tut). Das Ende lässt seine Figur dann wieder vom Haken, aber dennoch bleibt immer ein ambivalenter Rest übrig. Das macht die Figur und auch Costners Darstellung auch so besonders, da er hier eben nicht nur den Pseudobösen spielt, der eigentlich doch nur ein verkappter Held ist (wie beispielsweise Hanks in Road to Perdition), sondern eben durchaus einen unbequemen Charakter. Costner ist für mich daher auch fraglos die größte Stärke des Films.

Der Film ist darüberhinaus auch filmhistorisch noch recht interessant, da er den Wendepunkt in Costners Karriere darstellt. Nachdem er mit Der mit dem Wolf tanzt, Robin Hood, JFK und Bodyguard vier große Hits in Folge gelandet hatte und damit der Kassenmagnet #1 war, entschied es sich für seine nächste Rolle ausgerechnet für diesen ambivalenten und eher sperrigen Stoff. Diese Wahl wurde damals zwar bereits bei Veröffentlichung Respekt gezollt, aber gleichzeitig stiess sie auch auf Unverständnis, da Costner damit an seinem eigenen Ruf kratzte. Im Anschluss folgten Wyatt Earp (Flop) und die Nebenrolle in Das Baumhaus (Flop) sowie das Fiasko um Waterworld (kein Flop, aber doch stark rufschädigend). Costners Karriere sollte sich nie wieder von diesen Schlägen ganz erholen, aber ich schätze ihn auch deshalb sehr, da es sich dennoch immer die Projekte ausgesucht hat, die ihm am Herzen lagen und nie nur die kommerziell erfolgversprechendsten.
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Das macht er auch heute noch und ich sehe ihn immer wieder sehr gern. Habe noch einige Filme von ihm hier und freue mich auf meine ersten Sichtungen von Open Range oder Untouchables. (Wenngleich letzterer auch einen bitteren Beigeschmack hat, denn dort hat er ausnahmsweise mal nicht Glaubrecht als Sprecher)

Zu Perfect World:

Ich sehe das ganz genau wie du. Ein Aspekt den ich nicht erwähnt hatte, ist die Unbeherrschtheit von Costner's Figur. Gerade auf der Farm, kurz vorm Ende wird das ganze sehr deutlich. Es ist schwer ihn da einzuschätzen. Auch am Ende lässt der Film durchaus verschiedene Interpretationen zu.
Spoiler
War er so nett, weil er wusste das es aussichtlos war? Dem Ende entgegen ging? Eine letzte gute Tat? Ich weiß nicht. Er war sehr eiskalt als er seinen 'Ausbruchspartner' erschoss und auch die Leiche im Kofferaum geht wohl nicht nur auf die Kappe des Kollegen, oder? Schwierig. Er war mir jedenfalls sympathisch, die meiste Zeit.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Die wichtigsten kenne ich ja. Das Problem ist, dass ich mir unter vielen seiner Zwischenwerke - gerade aus den 80ern - irgendwie nichts vorstellen kann. Ich wüsste nicht, wo anfangen wenn ich denn mal die Lücken schliessen möchte.

Die besten Ostwälder:

Bridges of Madison County
Unforgiven
Josey Wales
Million Dollar Baby
We'll always have Marburg

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Heartbreak Ridge z.B., quasi die durchgehend gelungene Version von American Sniper, aber dafür weitgehend ohne Pathos und mit Clint als altem Marine-Knochen, der den Ausbilder für eine Horde junger Burschen gibt. Ich würd ja sagen: extrem empfehlenswert, aber Eric, mach mal vorher lieber noch drei Stunden was anderes. :D

Den Glaubrecht würde ich bei den Unbestechlichen nicht ganz so hoch hängen, Connor. Lauterbach passt ausgezeichnet und ich hatte da nie Probleme mit, obwohl ich Glaubrecht auf Costner auch für eine Idealbesetzung halte. In seinem letzten Einsatz auf Costner in City of McFarland klang er teilweise leider auch schon sehr alt (ist halt mittlerweile auch schon in seinen 70ern), von daher befürchte ich fast, dass wir irgendwann uns eh mit einem anderen Synchronsprecher auf Costner anfreunden müssen :cry: (vielleicht ja wieder Lauterbach, würde den Kreis schließen).
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Re: Die Filme von und mit Clint Eastwood

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Wobei man aber ganz klar auch sagen muss, dass Heartbreak Ridge alles andere als banale Kriegsaction ist. Der Film seziert seine Figuren schon sehr genau und wirft einen interessanten Blick auf die Karriere langjähriger Berufssoldaten. Weder glorifiziert der Film das Soldatentum noch verdammt er es. Heartbreak Ridge ist für mich persönlich auch deutlich gelungener als Eastwoods spätere Auseinandersetzung mit dem Thema Iwo Jima, die zwar beide auf ihre Art gelungen sind, aber letztlich das Thema für meinen Geschmack auch etwas zu abstrakt abhandeln. Aber das ist dann wirklich Geschmackssache. HR bietet halt beides, auf der einen Seite eine starke Charkterstudie mit durchaus militärkritischen Ansätzen, auf der anderen Seite aber auch die knurrige Action, für die Eastwood die meiste Zeit seiner Karriere über stand. Für mich definitiv das Eastwood-Highlight in den 80ern.
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