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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Schwerer als heute ist mir mein Bond-Marathon bislang nicht gefallen. Bin ich zufrieden mit dem Ergebnis? Ich weiß es selbst nicht so genau. Entscheidet und lest selbst.
James Bond 007 - Lizenz zum Töten
Nach einer 12-jährigen Ära von Roger Moore hatte Bond-Darsteller Nr. 4, Timothy Dalton, die Rolle des britischen Geheimagenten Ende der 1980er Jahre übernommen. Während sein Einstand in die Reihe "Der Hauch des Todes" bereits Versuche starte, einen menschlicheren 007 zu zeigen, suchte man sich für das 16. EON-Bond-Abenteuer Inspiration direkt bei Ian Fleming, jenem Autor, der 1953 die Romanfigur James Bond erschuf. Während die Filme sich über die Jahre immer weiter von den Büchern entfernt hatten, sollte "Lizenz zum Töten" (trotz fehlender konkreter Vorlage) den Geist von Fleming zum ersten Mal im vollen Umfang auf die Leinwand transportieren. Das Ergebnis ist ein spannender Rachethriller, der auf etablierte und liebgewonnene Elemente nur noch wenig Wert legt.
Die Geschichte macht bereits in Kurzfassung klar, wie radikal Glen und Dalton "ihren" neuen Bond gestalten: Seiner Lizenz zum Töten beraubt macht sich der britische Paradeheld auf die Jagd nach einem schmierigen südamerikanischen Drogenbaron, der seinen besten Freund grausam verstümmelte. Auf alttestamentarische Art und Weise bewältigt 007 seine Trauergefühle hier brutal im Stil des im Vorjahr erschienenen "Stirb langsam": Menschen werden aufgespießt, zerheckselt, sogar Köpfe explodieren. Wenig bleibt von der Glorifizierung und Überhöhung des moralisch-unangreifbaren Heldentypus vorangegangener Episoden, Dalton spielt James Bond als eiskalten unaufhaltsamen Mörder, der am Ende kaum noch von seinen Gegenspielern zu unterscheiden ist. Dies ist wahrlich spannend und über weite Strecken des Filmes hervorragend gespielt, doch je untragbarer die Taten Bonds werden, desto mehr entfernt sich der Zuseher auch von seiner Identifikationsperson und spätestens, wenn Daltons Bond hier wissentlich zahlreiche unschuldige Zivilisten und sogar Kollegen oder andere Geheimoperationen in Gefahr bringt, übertreibt es Glen mit der Unkenntlichmachung und Entmystifizierung Bonds, überzieht auch etwas gekünstelt die Rache-Attitüde, die der Film inhaltlich im Mittelteil sowieso etwas zu vergessen scheint, sodass das fragwürdige Verhalten des Protagonisten einer noch stärkeren Prüfung unterzogen wird.
Leider ist es gerade der Mittelteil des Filmes, der sich zu lange hinzieht und die Prämisse Glens nicht weit genug ausbauen kann, sogar mit der gewünschten Radikalität ein wenig bricht. Während besonders das erste Drittel richtig spannend und treibend wirkt (nicht zuletzt, weil die schockierenden Gewalttätigkeiten einen großen Überraschungseffekt erzielen), so wird mit der Einführung der kaum nötigen weiblichen Hauptfigur, die von Carey Lowell ohne viel Charisma gespielt etwas farblos wirkt, die Handlung merklich gestreckt und außerdem mit Desmond Llewelyns Auftritt als Q der serielle bondige Humor eingebracht, den "Lizenz zum Töten" nicht gebraucht hätte. Allgemein geht Glen viele Umwege, macht mehrere Subplots auf, die der Film meistens nur schnell und lieblos nebenbei zu Ende bringt und hat am Ende auch mindestens drei oder vier Nebenakteure zu wenig. Gerade dem düsteren Charakter der Handlung hätte ein Anderthalb Stunden langer Film wohl besser gefallen, mit der Länge von 131 Minuten dauert alles aber leider deutlich zu lange und hat ein wenig mit mangelndem Fokus zu kämpfen. Dennoch muss festgehalten werden, dass die Handlung wirklich gut und spannend aufgebaut und entwickelt wird, Bonds Konfrontationen mit Robert Davis Schurken auch angenehm subtil und klug geschrieben sind, wie überhaupt die Beziehung Bond-Villain hier mal eine sehr reizvolle Alternative zur Norm zeigt. Davi spielt seine Szenen auch durchweg bedrohlich, hat aber manchmal mit der Klischee-haften Auslegung seiner Rolle zu kämpfen.
Da "Lizenz zum Töten" oft an US-amerikanische Actionfilme erinnert, ist es kaum erstaunlich, dass die Produzenten den "Die Hard"-Komponisten Michael Kamen an Bord holten, dessen einmaliger Stil leider kaum zum von ihm oft verwendeten Bond-Thema passt, weshalb seine Arbeit leider ein Fremdkörper im Film bleibt. Andersherum ist es schön, dass "Lizenz zum Töten" aus einem Fehler des direkten Vorgängers gelernt hat und die Actionszenen auf over-the-top-Elemente verzichten und hier sogar fast (das Intro fällt etwas aus dem Rahmen, ist aber weit entfernt von sonstigen Stuntspektakeln) vollständig der Handlung untergeordnet sind. Toll, das Glen zwischendurch sogar mal lange Zeit gänzlich auf Action verzichtet und sich lieber auf seine Atmosphäre konzentriert. Damit die Action-Fans im Kino dennoch auf ihre Kosten kommen, entschädigt er in den letzten zwanzig Minuten mit einer brachialen LKW-Verfolgungsjagd durch eine triste Felslandschaft, die mit Explosionen, gefährlichen Stunts und Nervenkitzel nicht geizt und den Film mit einem lauten Knall beendet. Leider ist die Szene tatsächlich das Ende des Filmes. Ärgerlicherweise werden Bonds Taten und seine Aktionen der Vergangenheit nämlich nicht abschließend hinterfragt oder eine Konsequenz daraus gezogen. Schade, so verpasst Glen hier immerhin die Möglichkeit, den letzten Schritt zu gehen und die Neuausrichtung Bonds zu vollenden. Das er die Show dennoch einigermaßen stilvoll beendet, versteht sich bei einem Bond-Experten wie Glen (der mit seinem nun fünften und letzten Serienbeitrag die meisten Bond-Episoden inszenierte) natürlich von selbst, auch einen Schlussgag kann er sich nicht verkneifen. So bleibt "Lizenz zum Töten" für die Reihe ohne Konsequenz, bewahrt sich so aber nachhaltig einen Status als Ausnahme-Bond.
Fazit: Die US-Ausgabe der 007-Reihe konnte 1989 das Publikum nicht überzeugen, während selbstironische Blockbuster à la "Batman" Begeisterung auslösten. Ganz ohne Schwächen ist "Lizenz zum Töten" absolut nicht und muss sich mehrere Vorwürfe anhören, die aufzeigen, dass man letztendlich nicht durchgehend genug Mut hatte, wirklich komplett auf Bondsche Konventionen zu verzichten sowie ironischerweise gleichzeitig dafür die Infragestellung der popkulturellen Ikone zu übertrieben mit dem Holzhammer erzwingen wollte. Dennoch ist der Thriller über den zynischen abgehärteten Berserker spannend und atmosphärisch dicht und zeigt einen entfesselten Timothy Dalton als Protagonisten, der sich ganz seinen animalischen Gelüsten hingibt und eiskalt ohne Reue in Südamerika mit Drogenbaronen und Korruption aufräumt. Das Bond-Feeling mag dabei zwar meist verloren gehen, doch ist es ja gerade diese Abwechslung, die eine Reihe hin und wieder nötig hat, um ihre Grenzen auszuloten und sich weiterzuentwickeln.
7/10
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Let the sheep out, kid.