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von danielcc
00-Agent
Mission: Impossible - Rogue Nation
Christopher McQuarrie,
2015
Mit der Mission Impossible Reihe hat Tom Cruise sich seinen Traum vom eigenen Bond-artigen Film Franchise realisiert. Anders als viele andere Filmserien setzte er dabei von Anfang an auf wechselnde Stile, bestimmt durch prägende Regisseure aber auch unterschiedliche Ausrichtungen der Filme. Vom clever konstruierten Spionage Suspense Thriller elegant gefilmt von Brian de Palma, über die over-the-top inszenierte Egomanie-Show für Tom Cruise von John Woo bis zum atemlosen Actioner mit völliger Reduzierung der Story auf einen MacGuffin von J.J. Abrams hatten die Filme nichts unter einander gemein, außer der Konstante Tom Cruise. Folgerichtig waren alle Filme bis dato sehr stark um ihn gestrickt.
Dies änderte sich erstmals mit dem von Animationspezialisten Brad Bird inszenierten Phantom Protokoll. Mehr Humor, mehr Menschlichkeit, mehr Teamgeist war die Devise und das Konzept zahlte sich aus.
Trotz erneutem Wechsel hinter der Kamera zum famosen Christopher McQuarrie, zeigt die neuste unmögliche Mission erstmals eine gewisse Kontinuität und führt den Teamgeist Gedanken sogar noch weiter. McQuarrie, der zudem auch für das Drehbuch verantwortlich ist, gelingt es darüber hinaus sogar, die Stärken all der Vorgänger in Rogue Nation zu kondensieren und die eine wesentliche Schwäche der Reihe zu einem überragenden Pluspunkt zu drehen. Mehr dazu später. Herausgekommen ist nicht weniger als der perfekte, Action-betonte Unterhaltungsfilm.
Wie verbindet Rogue Nation die Stärken der Vorgänger?
Erstmals seit De Palmas Original gibt es wieder eine clevere Story – oder überhaupt eine richtige Handlung. Auch hat man erstmals wieder das Gefühl richtig im Agenten Milieu unterwegs zu sein. Tarnung, Täuschung, Spionage und politische Machenschaften werden unterhaltsam verwoben. Dabei ist die Story nicht zu kompliziert und die wichtigen Dinge werden oft wiederholt erläutert. Der Film überfordert den Zuschauer nicht.
Von Woo’s - aus heutiger Sicht schwächstem - Beitrag zur Serie übernimmt der McQuarrie den unbedingten Willen zu echten Stunts und echter Action. Nicht zuletzt die Motorradverfolgung ist eine starke Anlehnung an eine ähnliche Sequenz bei Woo.
Teamgeist, Humor, Selbstironie und die Vermenschlichung des Helden waren die großen Errungenschaften von Birds Phantom Protokoll und alles findet sich so oder noch verstärkt im aktuellen Film wieder.
Die eleganten Location gab es in fast allen Filmen, unmögliche Einbruch-Szenarien und der Einsatz von Masken gehören zum Standardprogramm der Serie. Selten wurde das aber alles so effektiv verknüpft wie in Rogue Nation.
Die viel zitierte Schwäche der bisherigen Filme war – mit Ausnahme von Philip Seymour Hoffman im dritten Teil – das Fehlen charismatischen Gegenspielern. Oft genug verließ man sich auf interne Maulwürfe, Verräter oder wie zuletzt blasse Nebenfiguren. Nicht so dieses Mal. Sean Harris als Solomon Lane ist das raffinierte aber fiese Gegenstück zum Helden Ethan Hunt. Mehr als das, er ist der Mann der oft genug schneller und schlauer ist – das ultimative Nemesis für Hunt. Der Film macht auch deswegen so viel Spaß, weil man sieht wie Hunt scheitert. Gleichsam kratzt das am Hochglanz Lack des Strahlemann Tom Cruise. Hier hat man nicht mehr das Gefühl, es gehe sowieso alles gut aus, und Hunt sei jederzeit Herr der Lage. Eine einzige große Szene im Mittelteil des Films verdeutlicht das perfekt – doch mehr sei hier nicht verraten.
Wenn Hunt am Ende dann doch die Oberhand gewinnt, wenn er und sein Team den Bösewicht doch auf besondere Art und Weise stoppen, dann hat man als Zuschauer wahrlich das Gefühl, dass dies verdient ist.
Harris liefert dabei aber auch eine faszinierende Performance ab. Er gibt seinem Bösewicht Ecken und Kanten im Verhalten, der Stimme und der Mimik. Er bleibt damit im Ensemble des Films kein Einzelfall denn McQuarries Führung der Schauspieler ist makellos. Cruise ist viel weniger Strahleman als sonst, Renner und Pegg sind durchgängig präsent und dürfen glänzen. Besonders Pegg ist weit mehr als der bloße Technik Sidekick aus Teil 3. Er ist echter Partner und Freund von Ethan Hunt und hat mit einer Standpauke in Richtung Hunt eine der stärksten Szenen. Schön, dass Ving Rhames einen größeren Part hat als in Teil 4. Er verkörpert diese „eigentlich bin ich im Ruhestand“ Attitude großartig.
Hervorzuheben ist aber auch Alec Baldwin. Die erste Führungs-Figur aus den Reihen der Geheimdienste, die wirklich einen Eindruck hinterlässt – dabei ist seine Rolle wie sich am Ende zeigt, gar nicht so platt wie zunächst gedacht.
Rebecca Ferguson hat wohl die bis dato beste weibliche Rolle. Ihre undurchschaubare Ilsa Faust ist sogar Dreh- und Angelpunkt der Handlung, und sie macht ihre Sache in alle Situationen auch gut. So begeistert wie die meisten Kritiker hat sie mich aber nicht.
McQuarries Drehbuch und seine Schauspieler Führung sind stark, seine Inszenierung steht dem in nichts nach. Jede Actionszene ist atemberaubend – am wenigsten noch die so stark im Vorfeld propagierte Flugzeugszene. Das stärkste Stück seiner Inszenierung ist der Mittelteil des Films, eine sehr lange Sequenz bei einer Opernvorführung im Wiener Opernhaus. Als Hommage an Hitchcocks berühmte Endszene aus Der Mann der zu viel wusste zaubert er hier ein virtuoses Stück Suspense aus Plansequenzen, Bildern, Operngesang und Handlungs-seitigen Überraschungen unter voller Einbeziehung der Möglichkeiten der Bühnentechnik. Als Bondfan weint mein Herz, wenn ich dies Vergleiche mit dem mageren aber überstilisierten Output der Tosca Szene durch Marc Forster.
Habe ich die irrinnigen Actionszenen erwähnt? Die Stunts? Den raffinierten Bluff um den englischen Premier? Die nebenbei eingesetzten kreativen Gadgets? Den großartigen Humor?
All das und noch viel mehr trägt dazu bei, dass ich meinen Hut vor Tom Cruise und Christopher McQuarrie ziehe. Meinen Dank für zwei Stunden perfekte Unterhaltung. Ich hatte fast vergessen, wie viel Spaß Kino machen kann.
"It's been a long time - and finally, here we are"