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von Amadeus
Agent
Die Nummer 3 ist bei Bond wohl eine magische Zahl.
Eine spezielle, neue Symbiose entsteht zwischen dem Film und dem Darsteller. Nur Brosnan ging nahtlos in seinen dritten Auftritt (er ist aber auch der einzige, dem die Rolle vom Schicksal in die Wiege gelegt wurde).
In Skyfall hat Craig einen Entwicklungsprozess abgeschlossen, der sich wohl so erklären lässt, dass die Grenze zwischen Darsteller und Figur verschwommen ist. Das ist wohl ein Fluch; ein Pakt mit dem Teufel. Das klebt wie wasserfeste Farbe für lange Zeit an der Person.
Für die Figur ist es ein echter Segen, denn sie ist selber keine Symbiose mehr aus diesem oder jenem Bond, sondern eine eigenständige Inkarnation, mit ganz eigener Körpersprache, charakterlichen Zügen. Dieser Bond ist ein sehr atlethischer, harter, cooler und gefühlsvoller Zyniker mit hang zu trockenen Sprüchen. Eben voller Ambivalenz, wie sein Job.
Und darum gehts dem Film im eigentlichen: dem Job, die geheime Arbeit, in einer Zeit, in der Geheimnisse durch bloßen Knopfdruck öffentlich werden; in welcher Patriotismus, die Hingabe und Aufopferung für dieses abstrakte Konstrukt einer Nation, keine heroischen Gefühle in irgendjemanden mehr auslöst. Das Individuum fordert immer mehr unwillkürlich sein Recht auf jeder Ebene ein und die Pflicht wird mehr eine Pflicht gegenüber einem anderen Individuum, als einer Idiologie. Rache ist die heimliche Antriebskraft des Terrorismus. Alte Sünden führten zu den großen Attentaten dieser Zeit.
Dies in einem Bond-Film abzubilden, geht nur durch eine direkte, unpolitische Übertragung des persönlichen Kerns auf den Mikrokosmos weitgehend fiktiver Welten - die Doppelnull-Abteilung, M, Mi6, Bond. Silva hat also einen durchaus realen Kern, verpackt in einen exzentrischen Bond-Bösewicht in schräger Manier.
Zwei Jahre Drehbucharbeit und ein renommierter Regisseur des Drama-Milieu mit ästhetischen Selbstverständnis können nicht spurlos in einer Super-Big-Budget Produktion untergehen.
Skyfall ist ein durchdachter Film, der sich nicht auf einzelne Szenen und Szenarien stützt, sondern auf seine Figurendramatik. Aller Ausgang ist M. Ihre Sünden, noch einmal manifestiert im Handeln zu Beginn, treibt die ganze Handlung des Filmes an, Silva, die Ermittlung des Komitees und Bond selbst.
Wie selbstverständlich und folgerichtig entwickelt sich die Geschichte über Bonds Eignungstests, nach Shanghai und Macao zurück nach London. Sie überzeugt mit ihren Figuren, in ihren unaufgesetzten gespitzten Dialogen, der Darstellungen und einer atmosphärischen Inszenierung der speziellen Essenz von Orten und Situationen. Genial ist im Shanghai Part der Kampf in den Spiegelungen der bunten Lichtern und Schattten, das Casino (bis auf die Komodowaran-LALD-Einlage) und schließlich Silvas erster Auftritt, der von einem guten Gespür von Mendes für die Eigenheit einer Situation zeugt.
Das ganze kumuliert in der einzigartigen Verfolgungsjagd durch die Londoner Tube im Saal der Anhörung.
Bis dahin. Dann bricht das Script ein. Lange genug hat man große Actioneinlagen mit Sturmfeuer und Explosionen gegen situationsbedingte Faustkämpfe, Verfolgungen und kleinkalibrige Schießereien eingetauscht. Dann muss was Däftiges her. Der letzte Akt in Schottland bringt wieder aufgesetzte Texte hervor, dichtet Klischeefiguren herbei (Kincade), Patzer in den Darstellungen, sodass Silva in einer Karikatur seiner selbst abrutscht und schließlich überladene Action. Es fehlt einfach der gespitzte Bleistift.
Das alles in Skyfall Manor endet ist ein folgerichtiger Gedanke. M, die bezeichnenderweise mit Mum angesprochen wird, ist tatsächlich eine Art Mutterfigur für die Agenten, deren Pflicht ihr gegenüber realer ist, als der einer Flagge. Nur verfährt man sich hier zwischen Erwartungshaltungen nach finaler, großer Action und schwacher Arbeit der Autoren. All diese Schwächen deuten auf einen kurzfristigen Alleingang von Purvis und Wade hin.
Wo bereits die PTS an einer banalen Auflösung von deplatzierten Übertreibungen der Actionszene leidet (Shootout am Marktplatz und Bagger auf dem Zug), wird das Ende schlichtweg übersäuert. Szenen wie der Unterwasserkampf unter der Eisdecke faszinieren, nicht Dauer-MG-Feuer und nuklearartige Explosionen.
Trotzdem zeigt Skyfall wieder einmal eindrucksvoll, dass die Craig-Ära durch gutes Casting, fähigen Regisseuren und besseren Drehbüchern durch dritte Autoren (vor allem was Texte angeht) die an sich selbst anspruchsvollsten Filme birgt.