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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Die Asche meiner Mutter
Im Jahr 1996 veröffentlicht der sich im Ruhestand befindende Lehrer irischer Abstammung Frank McCourt seinen autobiografischen Roman "Die Asche meiner Mutter", in dem er seine Kindheitserlebnisse im kleinen Örtchen Limerick verarbeitete und erntet dafür prompt den Pulitzer-Preis. Und wo ein internationaler Bestseller auftaucht, da ist Hollywood oft nicht weit entfernt. Schon drei Jahre später brachte Regisseur Alan Parker seine starbesetze Verfilmung in die Kinos und sah sich schnell mit den Problemen konfrontiert, die eine Adaption oft mitsich bringt. "Die Asche meiner Mutter" erweist sich in der Konsequenz tatsächlich als stark literarisches Kino. Und das klingt leider genauso langweilig, wie es letzten Endes auch ist.
Als Biopic basiert "Die Asche meiner Mutter" auf realen Geschehnissen und muss sich daher natürlich in weiten Teilen auch an die Vorlage halten. Doch was Parker tut, entschuldigt dies nicht wirklich. Auch wenn eines der Hauptprobleme des Filmes mit Sicherheit teils dem Roman geschuldet sein dürfte, verpasst es Parker dennoch, einen roten Faden in seine Geschichte zu bekommen, weshalb gerade die Entwicklung seines Protagonisten, die bei einem Coming-of-Age-Film eigentlich im Vordergrund stehen sollte eher am Zuschauer vorbei läuft. Vieles ist zwangsweise stark episodenhaft erzählt und wird nur durch ein paar optische Motive, mit denen Parker den Ort Limerick als verregnetes Kaff inszeniert, zusammengehalten. Doch auch diese Darstellung des Handlungsortes birgt einiges an Defiziten. Während Parker die Armut der Familie in den Fokus rücken will und daher bemüht ist, Limerick als Location möglichst authentisch einzufangen, verliert er sich zu sehr in bloßen Behauptungen über die Erdrücklichkeit des Ortes, die oft eher über Dialoge, als durch die Bilder vermittelt werden. Da die Depressivität des Dorfes so nie wirklich spürbar wird, betrachtet man Limerick eher als eine Form filmischen Stilllebens, statt Empathie für das Schicksal der Charaktere zu entwickeln.
Auch was die Charaktere selbst angeht, sieht es reichlich dünn aus. Es ist schon überraschend, dass ein Film über eine wahre Geschichte am Ende nur mühsam Klischees aneinanderreiht. Praktisch alles, was man sich unter einem solchen Film vorstellt, wird einem auch geboten (erste sexuelle Erfahrungen (alleine und mit Partner), erstes eigenverdientes Geld etc.) und Figuren wie die titelgebende Mutter Angela bleibt einem trotz der berzaubernden Emily Watson eher fremd. Frank McCourt selbst will ebenfalls nicht so recht überzeugen. Während der Kinderdarsteller Ciaran Owens noch beeindruckend effizient agiert und auftritt, leistet sich Jugenddarsteller Michael Legge eine Performance, die in ihren besten Momente an die ersten Proben eines Schultheaterstücks erinnert. Zwar hat er auch die deutlich kitschigeren Momente, in denen Parker natürlich ganz heftig auf die Tränendrüse drückt und die Dialoge so einsetzt, dass sie einem Emotionen gerade zu aufzuzwängen versuchen, dennoch muss seine Leistung als inakzeptabel bezeichnet werden. Was jedoch wirklich misslungen gerät, ist die Idee des Off-Sprechers, in diesem Fall vertont von Andrew Bennett. In beinahe jeder Szene kommentiert er die Situationen und will bzw. muss so den Zuschauer die Gedanken und Emotionen des Protagonsiten mitteilen, da sie allein durch die Bilder nicht deutlich werden. Solche Momente machen aus "Die Asche meiner Mutter" mehr ein Hörbuch denn einen flüssigen Film, der einem zudem das unangenehme Gefühl verleiht, bei dieser Form des Geschichtenerzählens bevormundet zu werden.
Fernab der erzwungenen Emotionen gibt es aber durchaus auch ehrliche, besonders die frühen Tode einiger Kinder gehen unter die Haut, auch wenn selbst hier das flaue Magengefühl eher durch das Wissen um die Echtheit der Geschichte herbeigeführt wird und weniger durch das filmische Produkt. Nebenbei werden hin und wieder ein paar Versuche gewagt, ein wenig Humor zur Auflockerung der ernsten Geschichte zu nutzen. Das funktioniert zwar trotz der grundsätzlichen Langatmigkeit überraschend gut, doch etwas weniger platt hätte der ein oder andere Dialog trotzdem ausfallen dürfen, genau wie auch die kleinen Spitzel auf die irische Ideologie zu kurz kommen. Zwei Namen retten den Film jedoch über die lange Spielzeit: Der Erste ist Robert Carlyle. Seine Darstellung des Vaters McCourts ist absolut fantastisch und wundervoll anzusehen. Sehr differenziert und ausgewogen gelingt es ihm, sowohl als Sympathieträger aufzutreten, als auch den zwanghaften Alkoholiker zu verkörpern, ohne dabei gestellt zu wirken, womit er alle Blicke auf sich zieht. Der andere Name begeistert die Ohren: John Williams Soundtrack ist zwar leise und unauffällig, spielt jedoch mit den erstaunlich facettenreichen Themen in einer unvergleichlichen Art mit den Emotionen des Publikums und ist dabei viel erfolgreicher, als es Parker mit jedem seiner Bilder oder Dialogen auch nur annährernd gelingt.
Fazit: "Angelas Ashes", wie "Die Asche meiner Mutter" im Original heißt, ist ein Paradebeispiel für das, was an Biopic-Adaptionen oft nicht funktioniert. Zu sehr ruht sich die Regie durchgehend auf den Worten der Vorlage aus, vergisst dabei allerdings, irgendeine der Emotionen auch wirklich spürbar zu machen oder Gedankengänge in Bilder zu verpacken, anstatt sie über den einfachen Weg einfach wörtlich im Hintergrund wiederzugeben. Spannend ist "Die Asche meiner Mutter" nie und wirklich packen kann das Geschehen auch nicht, dafür fehlt es schlicht und ergreifend an einer Form der Einbindung des Zuschauers, der vom Film eher außen vor gelassen wird. Ein paar kurze Lacher, gute Musik und ein grandioser Robert Carlyle als Hauptdarsteller sind zwar wenigstens etwas, aber lange nicht ausreichend genug, um wirklich Bewegung auf die Leinwand zu kriegen. 140 Minuten quält man sich so durch eine zusammenhanglose Jugendgeschichte, bei der man hinterher eher das Gefühl hat, ein Buch gelesen, statt einen Film geschaut zu haben. Immerhin: Die Langatmigkeit so mancher Lektüre fängt Alan Parker punktgenau ein.
3/10
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Let the sheep out, kid.