Winnetou 3. Teil (1965) – Harald Reinl
Nach den beiden stilistischen Ausreissern Unter Geiern und Der Ölprinz kehrte für den abschliessenden Teil der Winnetou-Trilogie May-Urgestein Reinl auf den Regiesessel zurück und mit ihm ging eine Rückkehr zum altbekannten märchenhaft-wildromantischen Stil der Serienanfangsbeiträge einher. Dennoch lassen sich auch in Winnetou 3. Teil diverse Abnutzungserscheinungen und Symptome des Niedergangs der Serie nicht übersehen, die sich sich aber weitgehend dem stimmigen Gesamtpaket unterordnen.
Reinl ist zurück und irgendwie scheint es, als ob er nie weggewesen wäre. Shatterhand und vor allem Winnetou sind wieder edel entrückt auf ihrem hehren Friedenskreuzzug, die jugoslawische Landschaft wird wieder schwelgerisch ins Bild gesetzt und Ralf Wolter kaspert episodenhaft den sich an sonsten sehr ernst nehmenden Film auf. Neu ist, dass Reinl nicht nur auf Natur pur setzt, sondern dass mit dem historischen Stadtkern von Trogir erstmals eine echte Location als Double für eine Stadt herangezogen wird. Und das klappt ausserordentlich gut und verleiht den in Santa Fe spielenden Szenen eine ganz eigene Identität innerhalb der Serie. Hinzu kommt der ebenfalls neue Ansatz einer „Salon-Verschwörung“ in Form der feinen Herren eines Syndikats, die ihre dunklen Pläne in einem edel ausgestatteten Ballsaal schmieden. Diese für die May-Filme neuen und ungewöhnlichen Schauplätze tragen viel dazu bei, dass das erste Filmdrittel frischer und abwechslungsreicher wirkt als die direkten Vorgänger und Nachfolger, bei denen sich immer mehr die Serienroutine in Form von Wiederholungen negativ bemerkbar machte.
Im Anschluss daran wandelt der Film dann aber mehr und mehr auf altbekannten Pfaden und daher bleibt es auch hier nicht aus, dass der Zuschauer das eine oder andere Deja-vu aus vorangegangenen Teilen erleben darf – schon wieder eine wirtschaftlich motivierte Intrige, mit der Rot und Weiss aufgehetzt werden sollen, schon wieder sind Winnetou und Shatterhand im Dauereinsatz, um die roten Stämme zu besänftigen, schon wieder ein toter Häuptlingssohn, dessen Tod einem Unschuldigen in die Schuhe geschoben werden soll, schon wieder muss ein Indianerstamm Zuflucht nehmen vor einem anrückenden Schurkenpack in Erwartung der rettenden Kavallerie. Das ist in seiner Geballtheit dann schon ein ziemlicher Ausdruck an Ideenlosigkeit und fällt nur allein deshalb nicht ganz so schwer ins Gewicht, da Reinls gewohnt romatisch-verklärende Inszenierung einem über die vielen Wiederholungen halbwegs elegant hinweghilft. Zudem reagierte Reinl bei seiner vierten Karl May-Arbeit offenbar auch auf die actionlastigen Vorgänger der Herren Vohrer und Philipp (wobei ja auch sein Winnetou 2. Teil in diese Kerbe geschlagen hatte) und liefert eine Vielzahl an Actionszenen ab.
Vor allem im Mittelteil des Films mit der Flucht Winnetous vor Rollins Ganoven reiht sich eine Actionszene an die nächste mit einem für Reinl-Verhältnisse eher ungewöhnlich hohen Tempo. Die diversen Hinterhalte, denen der diesesmal physisch mehr denn je geforderte Pierre Brice entkommen muss sind dabei kurzweilig und zumeist spannend in Szene gesetzt. Allerdings lässt sich auch hier der starke Anteil an bereits Dagewesenem nicht übersehen, so könnten die Szenen an der Bärengrube genau so gut auch am Silbersee spielen – kein Wunder, ist ja auch die altbekannte Location. Hier tut sich der Film keinen Gefallen die zwar zugegebenermaßen nach wie vor ausgesprochen pittoresken Landschaften erneut auf praktisch die selbe Art und Weise ins Bild zu setzen, von der Anfangs vorhandenen Frische und Abwechslungsreichtum ist im Film mit zunehmender Dauer dann leider auch immer weniger zu spüren. Besonders auffällig ist dies bei dem fast schon inflationären Einsatz von Reinls Lieblingseinstellung vor dem Hintergrund der Adria, diese Einstellung die er bereits im zweiten Teil sehr häufig verwendet hat reitet er im dritten Teil dann endgültig zu Tode.
Allerdings muss man auch sagen, dass die Locationwiederholungen von Reinl durchaus auch positiv integriert werden, etwa wenn die Rückkehr des Apachenpueblos und der Zrmanja-Schlucht ihren Beitrag dazu leisten, den Film das Flair der ersten drei Reinl-Mays verströmen zu lassen. Auch fällt auf, dass der Film durch die diversen Verweise auf den ersten Teil in vielerlei Hinsicht wie ein bewusstes Spiegelbild oder filmisches Echo angelegt ist. Besonders das erste Treffen von Winnetou und Shatterhand an den Gräbern am Nugget Tsil ist dank der altbekannten Szenerie und den von Reinl effektiv eingesetzten Rückblenden ein echter Stimmungshöhepunkt und lässt nicht von ungefähr die Blutsbruderschaft aus Teil 1 wiederklingen. Ähnlich verhält es sich im Finale, das natürlich nur am schicksalhaften Nugget Tsil sattfinden kann. Generell bleibt festzuhalten, dass Reinl das tränenreiche Dahinscheiden von Deutschlands Lieblingsrothaut sehr gut gelungen ist. Hier drückt er mächtig auf die Emotionstube und wenn Winnetou dann in den Armen seines Blutsbruders zu Böttchers Mundharmonikaklängen den letzten Atem aushaucht ist hochgradiger Taschentuchalarm angesagt - manipulatives Emotionskino at its best.
Wie bereits erwähnt ist die Handlung von Winnetou 3. Teil weitgehend ein Aufguss der Vorgänger. Hinzu kommt, dass eigentlich alles auf den finalen Knalleffekt in Form von Winnetous Tod ausgelegt ist und die handlungstechnischen Bemühungen davor eher wie eine lästige Pflicht erscheinen. War die anfängliche Salonverschwörung noch frisch und neu, so verpufft dieser Effekt spätestens in Clinton, wenn sich das Ganze dann doch wieder nur als die altbekannte Landspekulation mit rotem Grund und Boden herausstellt. Zudem ergibt sich im Mittelteil das Problem, dass sich hier alles rein auf die Verfolgung von Winnetou konzentriert und die Handlung entsprechend über eine recht lange Zeitspanne so gut wie gar nicht vorankommt. Trotz des vergleichsweise hohen Tempos und der Vielzahl an Actioneinlagen wirkt der Film dadurch in diesem Teil etwas statisch wie sich hier generell das Problem der sehr dünnen Handlung bemerkbar macht. Positiv ragt dagegen das Ende des Film heraus. Viele der Karl May-Verfilmungen tun sich ja schwer damit, ein überzeugendes Ende zu liefern, oft hören die Filme nach dem Klimax einfach auf. Hier stellt Winnetou 3. Teil eine positive Ausnahme dar, da er ähnlich wie der erste Teil in seinem Aufbau konsequent auf das Finale (das langsame Abschiednehmen von Winnetou) und die Schlussszene (Shatterhand und der tote Winnetou ziehen gen Sonnenuntergang) hinarbeitet. Hier hat man endlich mal nicht das Gefühl, dass noch etwas kommen müsste.
Besetzungstechnisch ist beim Dritten Teil alles im grünen Bereich, durch die Rückkehr von Barkers Shatterhand (und Reinls gewohntem Inszenierungsstil) kommt Brice wieder deutlich besser zur Geltung. Nie war er edler und entrückter wie im abschliessenden Teil der Trilogie, hier ist sein Spiel absolut stimmig und nichts wirkt mehr etwas fehl am Platze, da alles auf die „alle Menschen werden Brüder“-Botschaft hin ausgerichtet ist. Das mag träumerisch-naiv sein, ist aber in seiner Durchgängigkeit hier absolut stimmig. Wolters Hawkens hat einige tolle Szenen und ist vor allem trotz aller Kasperei wirklich in die Handlung integriert und darf sich mehr als einmal als fintenreicher und gewiefter Westmann zeigen. Rik Battaglia spielt einen wunderbar verachtenswerten Rollins, der in seiner erbarmungslosen Zielgerichtetheit das Ende des Apachenhäuptlings herbeizuführen die pefekte Antipode zu den Identifikationsfiguren Winnetou und Shatterhand darstellt. Erfreulich ist auch, dass man seinen Rollins nicht schon wieder von der Mayschen Schurken-Standardstimme Rainer Brandt hat synchronisieren lassen, sondern von dem gewohnt knatterig-knarrenden Arnold Marquis, der hier im „Bad-Ass“-Modus eine beeibdruckende Leistung abliefert.
Ebenfalls gut zur Geltung in ihren Rollen kommen Veljko Maricic als Solonverschwörer Vermeulen und Mihail Baloh als dessen Handlanger Gomes. Sehr positiv empfinde ich auch die von Carl Lange gespielte Figur des Gouverneurs, der durch seine bedingungslose Bereitschaft den beiden Blutsbrüdern Unterstützung zuteil werden zu lassen zum echten Sympathieträger wird – das mag zwar im historischen Kontext nicht so ganz realistisch sein, aber funktioniert im Gesamtkontext der Reinlschen Inszenierung bestens. Sophie Hardy als Barmädchen und „Tochter“ von Sam Hawkens ist nettes Eyecandy, ihre Figur und der Subplot um Hawkens „Vaterschaft“ ist aber weder besonders einfallsreich noch sonderlich gut in den Rest der Handlung intergriert. Besonders auffällig wird dies in ihrer letzten Szene, als ein vermeintlich skaplierter Hawkens die Siedler warnt: die Szene macht keinerlei Sinn (angesichts Hawkens abruptem Abgang werden die Siedler ihn und seine Warnung wohl kaum allzu ernst genommen haben), außer dass sie es Hawkens ermöglicht in den Besitz der Feuerwerkskörper zu gelangen – doofe Drehbuchkonstruktion.
Nicht unter den Tisch fallen lassen sollte man, dass Reinls Inszenierung bei aller Routine und Klasse leider auch wieder einige Szenen an Bord hat, die eher kontraproduktiv sind denn nutzen. Ich spreche von der Einbindung des unübersehbaren Archivmaterials, das weder qualitativ noch stilistisch zum Rest des Films passt. Die Frage muss erlaubt sein, ob die kurzen Einstellungen der Büffelstampede (schon wieder das bereits in W1 verwurstete Material aus Die letzte Jagd) und des saufenden Petz wirklich notwendig waren angesichts der Problematik, dass jeder Halbblinde sofort die unterschiedliche Quelle aufgrund der mangelhaften Qualität erkennt (zigste Kopie in abgenudeltem Zustand halt statt Original-Negativ). Jedenfalls stellen die Büffel- und Bärenszene einen deutlichen und unangenehmen Bruch zum restlichen Film dar, man hätte sie besser weggelassen. Auffällig sind auch einige „Parallelen“ zu den frühen Bondfilmen, wobei sich diese Szenen aber sicherlich nicht negativ bemerkbar machen. Etwa wenn sich Winnetou unter Wasser mithilfe eines Strohhalms versteckt oder wenn die Floss-Armada der Schurken in einem durch Öl entfachten Flammenmeer untergeht – da sich ähnliche „Parallelen“ zeitgleich auch in den Wallacefilmen finden, könnte man fast auf die Idee kommen, dass hier mehr als nur Gevatter Zufall am Werk war.
Dennoch, trotz aller Wiederholungen und drehbuchtechnischer Schwächen macht Winnetou 3. Teil eigentlich über seine gesamte Laufzeit Spass. Denn immer noch gelingt es Reinl die altbekannte Magie der ersten Filme zu entfachen und seine märchenhaft-romantische Inszenierung macht die zwar vorhandenen, aber letztlich doch nicht ganz so schwer ins Gewicht fallenden Mängel weitgehend wett. Durch eine spielfreudige Besetzung, einen wie immer ausgezeichneten Soundtrack sowie ein hochemotionales und großartiges Ende ist der Film unterm Strich ein gelungener Abenteuerwestern geworden, der trotz einiger kleinen Längen und der zuweilen allzu plakativen Stilisierung der beiden reitenden Friedenstauben Winnetou und Shatterhand alles in allem gekonnt über die Bühne geht.
Wertung: 7 / 10