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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Der Ölprinz
Nach dem er bereits ein Jahr zuvor in "Unter Geiern" seinen Einstand in die Winnetou-Filmreihe feiern konnte, präsentierte Produzent Horst Wendlandt 1965 ein zweites Mal den US-Star Stewart Granger als Old Surehand bei der Verfilmung eines Karl May Romanes, in dem eigentlich Old Shatterhand der Held gewesen war. Doch Vorlagentreue war nie eine besondere Stärke der Wendlandt-Filme und so ritt Pierre Brice als edler Apachenhäuptling eben erneut mit der sichersten Hand des wilden Westens. Unter der Regie von Harald Philipp, einem Greenhorn im Mayschen Universum, entstand so der sechste Franchisebeitrag innerhalb von vier Jahren, der den titelgebenden Ölprinzen und ein paar verarmte Siedler in den Vordergrund stellen. Das Ergebnis ist ein klassischer Karl May, der jedoch auch offensichtlich macht, dass sich die immer gleichen Abläufe der Filme mittlerweile dann doch abzunutzen beginnen.
Eines kann man dem Ölprinz nicht abgesprechen, sofern man denn die Vorgänger mochte: Er ist selbstverständlich unterhaltsam gemacht und auch durch seine nicht zu enorme Länge leicht zu genießen. Zwar ist ein wesentlicher und eindeutiger Kritikpunkt, dass die Handlung zu eindeutig aus Versatzstücken der Vorgänger "Der Schatz im Silbersee" und "Unter Geiern" zurecht geklaut wurde, doch letzten Endes funktionieren diese Versatzstücke immer noch und sind durchaus stimmig zusammengeführt worden. Natürlich spielt wieder ein Bösewicht die Indianer gegen die unschuldigen Weißen aus, wieder stirbt ein Häuptlingsfamilienmitglied, wieder kommt es in der letzten Sekunde zur großen Rettung, man kennt das alles, aber man akzeptiert es vollkommen, vielleicht, weil es einem mit solcher Selbstverständlichkeit präsentiert wird, dass man es einfach hinnimmt. Insgesamt wartet man zwar immer darauf, dass dieses Muster an Wiederholungen einmal durchbrochen wird und ist folgerichtig etwas enttäuscht, wenn am Ende doch alles im gewohnten Rahmen abläuft, doch die 90 Minuten verstreichen schnell und mit Schwung. Man hat als Fan der Reihe daher auch hier gewiss wieder Spaß. Nicht mehr so viel, wie bei den beiden direkten Vorgängern, aber wenn man sich wirklich für diese Filme begeistern kann, kann einem "Der Ölprinz" eigentlich gar nicht nicht gefallen.
Sehr ähnlich wie mit dem Drehbuch verhält es sich mit der Besetzung. Denn ob nun Stewart Granger als Surehand, Mario Girotti als "Nebenheld" oder Harald Leipnitz als schurkischer Ölprinz, kaum einer der Darsteller spielt derart effizient wie ihre Ebenbilder in - beispielsweise - "Unter Geiern". Leipnitz ist nie ganz so böse wie Sieghard Rupp, Girotti erreicht nicht den Elan eines Götz Georges, auch Granger selbst ist nicht mehr ganz so euphorisch bei der Sache, doch dennoch "reichen" deren Leistungen völlig aus. Eigentlich könnte hier jede Beschreibung des Filmes bereits enden, denn genau so fühlt sich "Der Ölprinz" von Anfang bis Ende an: Wie eine nicht mehr ganz so frische, aber immer noch unterhaltsame Neuverfilmung von "Unter Geiern". Irgendwo liegt das Gefühl, alles schon einmal gesehen zu haben und irgendwie ist da trotzdem dieses Empfinden, von dem Spektakel angenehm unterhalten zu werden. Und ein darstellerisches Glanzlicht gibt es ja sogar noch: Heinz Erhardt, der für sich genommen schon ein grandioser Komiker seiner Zeit war, begeistert in einem kleinen komödiantischen Part, der umso vieles besser als Auftritte eines Chris Howlands in "Winnetou I" sind, dass er alleine eine Sichtung des Ölprinzes wert ist. Außerdem ist Martin Böttcher immer ein Trumpf. Während man sich zwischendurch schon mal etwas der Langatmigkeit hingibt, weil man gerade ein extremes Déjà-Vu hat, wird man aus dieser Situation perfekt durch seine schwelgerische Melodie abgeholt. So sollte ein Soundtrack aussehen! Unterstützend, sinngerecht und wohltuend. Bravo!
Einige der Kritikpunkte sind jedoch ganz und gar nicht wegzudiskutieren und leider muss man bei direkten Vergleichen konstatieren, dass Philipp als Regisseur eine ganze Nummer weniger begabt war, als Alfred Vohrer oder Harald Reinl. Besonders aus technischen Gesichtspunkten ist "Der Ölprinz" teilweise ungenügend inszeniert worden. Das Pfeile und Messer nach ihrem Abschuss noch eindeutig mit einem Seil befestigt sind, mag man sogar mit zwei zugekniffenen Augen noch übersehen, doch wenn der dramaturgische Höhepunkt des Filmes, eine spektakuläre Flussfahrt, die aus vielen echten und beeindruckenden Stunts besteht, dann ständig durch Aufnahmen von Darstellern vor furchtbar schlechten Rückprojektionen unterbrochen wird, ist das mehr als peinlich. Und das Philipp bei der ersten Szene des Filmes direkt die Hälfte des Bildmaterials aus dem Vorgänger "Winnetou II" dreist übernimmt, ist dem Zuschauer gegenüber nicht nur frech, es ist sogar ein kreatives Armutszeugnis. Seltsam farblos wirkt auch der große Showdown, bei dem ein ganzer Indianerstamm die Siedler angreift und... nur einen statischen Pfeilhagel zu bieten hat? Warum kein großes Gefecht, warum keine packenden Kämpfe? Ob da jemand von der Regie keine Lust hatte oder nicht, kann nur vermutet werden, aber das vermeintlich bedrohliche Finale ist eher leicht unfreiwillig komisch, passt lustigerweise deshalb aber ideal zu Naivität der Reihe und ist irgendwie gerade deshalb auch ziemlich unterhaltsam.
Fazit: Eigentlich eine kleine Unverschämtheit. Obwohl man als Zuschauer desöfteren den Eindruck bekommt, dass "Der Ölprinz" nicht mehr als eine lieblose Fließbandproduktion für die Macher gewesen ist und einem im Verlauf der Sichtung zahlreiche offensichtliche Schwächen auffallen, sowie man genau weiß, dass man für die technische Umsetzung den Film eigentlich brutal abstrafen sollte, unterhält einen der Film letzten Endes dennoch durchgehend und lebt wohl am allermeisten vom mittlerweile von der Reihe entwickelten Charme dieser Streifen. "Der Ölprinz" bleibt daher als leicht überdurchschnittliches Werk in Erinnerung, welches man gerne verfolgt, doch macht auch auf eine Bemerkung aufmerksam, die Stewart Granger damals gegenüber Wendlandt äußerte: "Du kannst diese Filme noch viele Jahre weiterproduzieren, du musst sie nur jedes Mal besser und besser machen!" Treffender hätte man es nicht sagen können!
6/10
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Let the sheep out, kid.