Dieses Mal nicht so knapp auf den letzten Drücker, wie bei "Old Shatterhand", weil ich mich doch speziell auf den hier auch zugegeben besonders gefreut habe. Lest selbst.
Winnetou II
Nach dem gigantischen Erfolg der Karl May Verfilmungen "Der Schatz im Silbersee" und "Winnetou I" und dem ebenfalls erfolgreichen Sonderfall ("Plagiat" träfe es eher) "Old Shatterhand" war es nur eine Frage der Zeit, dass auch "Winnetou II" verfilmt werden würde. Wie bei den beiden Rialto-Vorgängern führte erneut Harald Reinl die Regie und brachte somit 1964 bereits den vierten Ableger der Reihe in nur drei Jahren heraus. Was das Publikum damals so begeisterte, mag heute schnell veraltet wirken, denn wie seine Vorgänger ist "Winnetou II" ein naives Wildwest-Märchen, dass vor Kitsch oft nur so trieft und heute mit den Kostümen so manchen ein wenig an einen Themenabend auf einer Karnevalsfeier erinnern dürfte, doch speziell "Winnetou II" ist der schlagende Beweis dafür, dass auch ein simpel gestrickter Film funktionieren kann, wenn die Zutaten einfallsreich und fantasievoll aufbereitet werden.
Sofort, nur nach wenigen Akkorden des wundervollen musikalischen Themas Martin Böttchers, fühlt man sich wieder in die Weiten des Wilden Westens versetzt, wenn Reinls Film einsetzt. Mit dem wilden Westen haben seine grasgrünen Landschaften hier zwar wirklich gar nichts mehr zu tun, aber so erhaben wie Pierre Brice als Winnetou im Sattel durch die Landschaft reitet, nimmt man ihm das Ambiente trotzdem ab und witzigerweise liegt gerade darin ein großer Teil des Charmes, den "Winnetou II" hat. Bereits die Vorgänger waren ja von Romantik und Unschuld geprägt, doch beides treibt Reinl dieses Mal noch deutlich auf die Spitze. Das fast schon leicht homoerotisch-wirkende "Anschmachten" der beiden Protagonisten, die unfassbar seichte und zarte Liebesgeschichte, die einfach nur von Grund auf bösen Motive der Feinde, der ganz vorsichtige Versuch, eine Aussage in Richtung Rassismus zu treffen, der aber am Ende eben nur gutgemeint erscheint... Es mag so negativ klingen, doch eigentlich sind gerade diese Momente das, was man an den Filmen so genießen kann. Während in Italowestern ein Mensch schlechter als der andere ist und die Realität selbst ohnehin oft genug brutaler ist als man möchte, entführen einen Winnetous Abenteuer in eine Fantasiewelt, in der das Gute immer siegt und keinem Helden wirklich ernsthaft etwas geschehen kann. Was wie ein idealer Spannungskiller klingt, steht Reinls Dramaturgie hingegen keinesfalls im Weg. Die hat er fest im Griff und weiß sogar, sich die Naivität seines Filmes zu Nutzen zu machen.
Denn die Handlung, die wie schon insbesondere bei "Winnetou I" auf die großen Emotionen setzt, verwendet er dazu, die Charaktere durch einzelne Episoden laufen zu lassen, die allesamt etwas für sich haben. Aufgehen tut das dieses Mal aber auch deshalb, weil Reinl, anders als noch bei seinem letzten Film, nun besser gelingt, den Zuschauer an seine Figuren zu binden, die hier besser besetzt sind als in den drei Filmen zuvor. Auch wenn Ralf Wolter schmerzlich vermisst wird, so ist Mirko Boman als Gunstick Uncle ein netter Ersatz und die Rückkehr von Eddi Arent als Lord Castlepool sorgt für ein paar reichlich amüsante Slapstick-Momente, über die man sich wahrlich kringelich lachen kann. Karin Dor, die ebenfalls bereits in "Der Schatz im Silbersee" die weibliche Hauptrolle innehatte, dieses Mal besetzt als Indianerin Ribanna, ist ein weiterer Glücksfall für den Film, da sie in nur wenigen Minuten sofort eine sichtbare Chemie mit Brice aufweisen kann und ihre Rolle schön die Intention des Filmes unterstützend anlegt. Auf Seite der Bösewichte überzeugt Anthony Steel als obligatorischer Bandenchef, der zwar nicht ganz das Charisma eines Mario Adorfs hat, seine Sache aber dennoch ordentlich macht und durch seine finstere Ausstrahlung lebt. Er wird allerdings von seinem Kumpanen Klaus Kinski, ebenfalls als Gangster besetzt, mehrfach an die Wand gespielt. Wie Kinski es schafft, Wahnsinn und Gerissenheit in einen Blick zu legen, ist ganz großes Schauspielkino. Neben dem gewohnten Charismabolzen Lex Barker überzeugt außerdem noch ein nicht unbekannter Nebendarsteller: Mario Girotti (der später als Terence Hill bekannt werden sollte) präsentiert sich als kleineren Sympathieträger und ist mit so viel Elan bei der Sache, dass man ihm seine etwas undankbare Funktion im Film sofort verzeiht.
Während Reinl also auf Seiten der Besetzung alles richtig macht und seine schwelgerischen Kamerafahrten über die Natur Jugoslawiens schon fast nach Alltagsarbeit aussehen, zeigt er in "Winnetou II" auch, dass er aus den wenigen dramaturgischen Fehlern des Vorgängers gelernt hat. Die einzelnen Episoden (das Abenteuer im Öl-Lager oder der Überfall auf den Track) sind opulent und gekonnt in Szene gesetzt. Die Action sitzt, die Choreographien sind packend, die Inszenierung (insbesondere der Schnitt von Hermann Haller fällt seiner Dynamik wegen positiv auf) weiß was sie will und inhaltlich gehen die einzelnen Kapitel flüssig ineinander über und glänzen durch viele gute Einfälle (wie das Entkommen aus einer gefährlichen Situation mithilfe dreier Leichen und ein paar Schnüren). Auch der Showdown ist sehr ansprechend gestaltet und mit einem netten Abschluss versehen, sogar für einen Bärenkampf ist sich Reinl nicht zu schade, selbst wenn der Bär gerne etwas tierischer hätte wirken dürfen. Dieser Kritikpunkt kann bei allem Spaß nicht ganz beseitigt werden, gerade in den Massenszenen wirkt "Winnetou II" dann oft etwas zu sehr wie ein Faschingsfest mit Pferden. Und das die große Wendung des Filmes, die Winnetou zwar in ein nettes Dilemma stürzt, dann inhaltlich ziemlicher Humbug ist, ist vielleicht nicht unbedingt die glücklichste Fügung.
Fazit: Wie schon die anderen beiden Reinl-Beiträge zum Franchise ist auch "Winnetou II" ein knackiges Märchen im Western-Ambiente (jedenfalls inhaltlich), dass nie vorgibt, mehr zu sein als es ist. Was sich beim "Schatz im Silbersee" allerdings hin und wieder noch etwas zu unorganisch anfühlte, wird hier zu einer mehr als gelungenen Einheit und einem somit wirklich spannenden und flüssigen Film, den man nur der Tatsache wegen, dass er sich selbst seines einfachen Charakters bewusst ist, überhaupt ernstnehmen kann. Dass darin eine unverschämte Ironie liegt, macht ihn dann sogar gleich noch charmanter. Welch ein Teufelskreis!
8/10