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von Schilthorn
Agent
Hab wieder einmal (zum xten Mal) Skyfall angeschaut und jedes Mal entdecke ich etwas neues, eine weitere Metapher oder Allegorie. Dieses Mal z.B. die kalt vs warm Beleuchtung im Finale (brennendes Haus und Kapelle gegen Scheinwerfer des Hubschraubers) und die Symbolik des Priesterlochs.
Also habe ich mir gedacht, einmal einen kleinen Text dazu zu schreiben:
Skyfall
We are not now that strength which in old days
Moved earth and heaven; that which we are, we are;
One equal temper of heroic hearts,
Made weak by time and fate, but strong in will
To strive, to seek, to find, and not to yield. (Tennyson, Ulysses)
Zeit vergeht. Feinde ändern. Bond bleibt. Skyfall ist ein Schmelztiegel, eine Meditation im Banne von Alter, Jugend, Vergangenheit, Hilflosigkeit und Heldentum.
Bond altert. Er ist ein Relikt des kalten Krieges, ein Relikt aus einer Zeit, in welcher Feinde noch Flaggen hatten. Doch Hammer und Sichel sind längst verschwunden. Das Schlachtfeld hat sich gewandelt. Heutige Feinde haben keine Flaggen, verteidigen kein Land, marschieren auf keinem Feld; sie verstecken sich vielmehr im Netz oder U-Bahn-Tunnels. Ja, für einmal sind es 007 und der MI6, welche sich verteidigen müssen – gegen das Neue, Unbekannte, „the shadows“. Und gegen die Zeit. Denn „fieldwork is a young man’s game.“ Das Spiel eines fitten 30-Jährigen ohne Charisma, dafür mit Ohrenstöpsel. Wie kann Bond/Craig da mithalten?
Sam Mendes zeigt einen Helden, welcher immer einen Schritt hinter dem Bösewicht ist. Alles war geplant. Silva wollte, dass man ihn fängt, er wollte, dass der MI6 sein provisorisches Hauptquartier in einem Untergrundsystem aus Churchills Zeiten einrichtet. Bond ist eine Puppe der Informatik, der neuen Technologien, der anonymen Pläneschmieder, „an old warship“, welches von jungen, digitalen Dampfern abtransportiert wird.
Warum braucht es denn Bond noch, wenn nur schon Q im Pyjama vor seiner ersten Tasse Earl Grey mehr Schaden anrichten kann, als jener in einem Jahr an der Front?
„Well, sometimes a trigger has to be pulled.“
„Or not pulled. It’s hard to know which in your pyjamas.“
Der beinahe gefallene Held zückt seinen letzten Trumpf. Skyfall. Die Vergangenheit. Das alte Schlachtfeld. Der einzige Weg weg von Pyjamas, Earl Greys, Laptops, Internet; hin zu Kapellen, Priesterlöchern, Aston Martin DB5 und eingebauten Maschinengewehren.
Die Zeit wird zurückgedreht. Kincade aufersteht förmlich von den Toten. „M“ wird zur „Emma“ – richtige Namen gefälligst! Ein Grabstein erinnert an Bonds Eltern.
Bonds Waffe ist die Nostalgie, die Erinnerung an heroische Agenten; die Gänsehaut, wenn das Garagentor bei Bond-Musik aufgeht.
Dass schliesslich ein Dreierteam mit einem Altersdurchschnitt im Rentenalter eine Horde von Profi-Killern umlegt, ist nicht etwa unlogisch, sondern die Gunst des Publikums, welches im Angesicht des hervorragenden Casts, den feinen Dialogen, der raffinierten symbolischen Mehrschichtigkeit durch Mendes und Logan und der herrlichen Bildsprache nur etwas haben will: Bond.
10/10