Re: Zuletzt gesehener Film

4771
Naja, in der Schule gibt es einen Unterschied zwischen Interpretationen, die sicherlich immer belegbar sein müssen, zum Beispiel könnte man in Goethes "Mailied" nur schwerlich einen Abgesang auf den finnischen Lebensstil interpretieren, denn einen solchen kann man tatsächlich in den Wörtern Goethes nicht ausmachen, und der Bewertung. Denn auch Deutschlehrer sollten, beispielsweise in dem Fall, dass ein Abiturient in einem Aufsatz Sophokles Ödipus als langweiliges und schlecht geschriebenes Machwerk abstempelt, so fair sein, dem Jungen seinen Blick zu lassen, sofern er diese Kritik begründet darlegen kann. Und da sind wir wieder bei dem Problem der sachlich falschen Behauptungen, wobei das auch hier grade im Falle der Interpretation oft schwieriger ist, als Lehrer es gerne hätten, und den Eigenarten des individuellen Geschmacks. Also merke: Ich kann Nietzsches "Also sprach Zarathustra" nicht seinen Einfluss auf die moderne Philosophie über den Menschen absprechen. Unglaublich langweilig darf ich es aber trotzdem finden. :wink:
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Re: Zuletzt gesehener Film

4772
Casino Hille hat geschrieben:Naja, in der Schule gibt es einen Unterschied zwischen Interpretationen, die sicherlich immer belegbar sein müssen, zum Beispiel könnte man in Goethes "Mailied" nur schwerlich einen Abgesang auf den finnischen Lebensstil interpretieren, denn einen solchen kann man tatsächlich in den Wörtern Goethes nicht ausmachen, und der Bewertung.
Das Gros der Aufsätze hat gar nichts mit Literatur zu tun, sondern dreht sich um aktuelle, politische, gesellschaftliche Probleme. Und natürlich kann da sehr viel Stumpfsinn abgesondert werden, der nicht nur argumentativ, sonder eben auch gedanklich unsinnig ist. Ich bin jedenfalls heilfroh, dass ich damit nicht meine Brötchen verdienen muss. :wink:
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Re: Zuletzt gesehener Film

4773
vodkamartini hat geschrieben:
Nö, natürlich schreibt er das nicht explizit, aber genau das schwingt da mit. Ansonsten ist sein Statement noch überflüssiger, denn dann steht da nur noch, dass man erst mal kären sollte, obe es wirklich Blödsinn ist, was wiederum völliger Blödsinn wäre, denn wir gehen ja von Blödsinn aus.
Wir gehen nicht von Blödsinn aus, denn dann wäre wir gar nicht am diskutieren. Oder? Und schon deswegen ist es nicht direkt überflüssig. Und da schwingt nicht allzu viel mit, es ist im Wesentlichen exakt was da steht.

Es gibt natürlich einerseits schon Sachen die für mich offensichtlich Blödsinn sind, aber es gibt auch sehr, sehr viele Sachen die andere für Blödsinn halten, die ich oder andere dagegen für sehr vernünftig halten.
Und es gibt sehr viele Dinge die Leute gerne zu Blödsinn erklären, obwohl der Verdacht nahe liegt daß sie es bloß nicht verstehen.

Re: Zuletzt gesehener Film

4774
vodkamartini hat geschrieben:
Casino Hille hat geschrieben:Naja, in der Schule gibt es einen Unterschied zwischen Interpretationen, die sicherlich immer belegbar sein müssen, zum Beispiel könnte man in Goethes "Mailied" nur schwerlich einen Abgesang auf den finnischen Lebensstil interpretieren, denn einen solchen kann man tatsächlich in den Wörtern Goethes nicht ausmachen, und der Bewertung.
Das Gros der Aufsätze hat gar nichts mit Literatur zu tun, sondern dreht sich um aktuelle, politische, gesellschaftliche Probleme.
Dann hat sich die gymnasiale Oberstufe aber sehr verändert.
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Re: Zuletzt gesehener Film

4775
Es gibt auch noch andere Schularten, wie z.B die wesentlich praktischer und lebensnäher orientierte Realschule. :wink: Und auch im Gymnasium drehen sich Aufsätze nicht permanent um Literatur. Das war schon zu meiner Schulzeit nicht der Fall und ich glaube nicht, das du wesentlich älter bist. :wink:
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Re: Zuletzt gesehener Film

4778
War bei mir glücklkicherwiese nicht so extrem, wenn auch im Schwerpunkt ähnlich. Das ist aber eine Weile her und da hat sich in den Lehrplänen zum Glück dann doch etwas getan. Und die Realschule war ja schon immer wesentlich lebensnäher.
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Re: Zuletzt gesehener Film

4779
Aufgrund unserer kleinen Diskussion über Watchmen habe ich selbigen noch einmal geschaut. Und es ist eigentlich ein mißlungener Film. Er wird der genialen Vorlage nicht im mindesten gerecht, obwohl er doch meist so verdammt nah dran bleibt. Snyders hat nicht das geringste Gespür für die Vorlage, und auch wenn ihm hier und da ein paar starke Szenen gelingen, dem Film helfen sie nicht wirklich. Es ist schon verblüffend wie unterschiedlich derselbe Stoff funktionieren kann, und Watchmen wird ab jetzt mein perfektes Beispiel sein warum gute oder auch grandiose Stoffe noch lange keine guten Filme machen.
Moores komplexe und komplizierte Dialoge, die in dem Comic vollkommen natürlich wirken, verwandeln sich im Film zu oft in prätentiöse Geschwätzigkeit, machen aus Watchmen die Sorte Film in denen die Dialoge die ganze Zeit dazu da sind Handlung, Charaktere und Situationen zu erklären, und nur dazu führen daß die Bilder erdrückt werden, während im Comic alles Teil eines vielstimmigen Erzählkosmos ist.

Auch erzählerisch und strukturell ist Snyder dem Meisterwerk von Moore weit, weit unterlegen. Snyders Film ist nur ein matter Abklatsch, ein verschwommener Second-Hand Blick auf ein schillerndes Juwel.

Ich kann nur jedem raten, lest den Comic, und lest ihn auf Englisch. Allerdings ist die neue deutsche Ausgabe eventuell eine Neuübersetzung, und dann vielleicht auch gelungener als die Erstausgabe von Carlsen, trotzdem ist das Original immer die vernünftigere Wahl.

Re: Zuletzt gesehener Film

4780
Das ist imo das alte Problem, wenn man zuerst das Buch gelesen hat. Da hat die filmische Umsetzung dann kaum mehr eine Chance. Ich bin kein Comic-Fan und kannte die Vorlage nicht. Habe also zuerst den Film gesehen, den ich nach wie vor für überaus gelungen halte. Bin aber nicht überrascht, dass man das als Kenner und Fan der Vorlage anders sieht. Kommt extrem häufig vor und ist mir auch schon öfters so gegangen.
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Re: Zuletzt gesehener Film

4781
Finde ich als Fan von Comic und Film etwas schade, ich hatte eigentlich gehofft, dass dir der Film bei der Neusichtung zusagen wird. Welches sind denn für dich die starken Szenen und was hältst du von der speziellen visuellen Gestaltung und Haleys (meiner Meinung nach grandiosen) Darstellungskünsten?

@vodka Das Problem mit den Kenntnissen der literarischen Vorlage taucht natürlich immer wieder auf, mit ein Grund, weshalb ich Schweigen der Lämmer für keinen besonders bahnbrechenden Film halte, um eines von vielen Beispielen zu nennen. Bei Watchmen habe ich allerdings zuerst den Comic gelesen und war dennoch ähnlich begeistert vom Film.
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Re: Zuletzt gesehener Film

4782
vodkamartini hat geschrieben:Das ist imo das alte Problem, wenn man zuerst das Buch gelesen hat. Da hat die filmische Umsetzung dann kaum mehr eine Chance. Ich bin kein Comic-Fan und kannte die Vorlage nicht. Habe also zuerst den Film gesehen, den ich nach wie vor für überaus gelungen halte. Bin aber nicht überrascht, dass man das als Kenner und Fan der Vorlage anders sieht. Kommt extrem häufig vor und ist mir auch schon öfters so gegangen.

Nein, das ist hier nicht das Problem, nicht mal ansatzweise, das Problem ist das der Film nicht funktioniert, das täte er auch ohne Kenntnis der Vorlage nicht. Der Film würde mir nicht mal Lust machen den Comic zu lesen.
Das Problem ist das die Unterschiede zwischen den Medien doch oft größer sind als man meinen sollte. Wenn Moore den Stoff als Film geplant hätte, dann hätte er wahrscheinlich vieles anders gemacht, oder aber den Stoff gar nicht umgesetzt, weil es als Film nicht funktioniert hätte. Das Problem ist nicht die Kenntnis der Vorlage, sondern daß der Film in vielen Teilen so ist, nur weil der Comic halt so ist. Hätte Snyder den Film ohne eine Vorlage gemacht, dann hätte er mit Sicherheit vieles anders gemacht.

Das Problem ist z.B. daß gute Buch- oder gute Comicdialoge nicht auch automatisch gute Filmdialoge ergeben. Und hier empfand ich das als sehr extrem. Was im Comic genial ist, wirkt hier oft platt und geschwätzig, oder sogar prätentiös.

Snyders Remake von Dawn of the Dead finde ich genau so stark wie das Original, vielleicht sogar besser, aber da nutzt er zwar die Ideen der Vorlage, klebt aber nicht an ihr.

Ich verweise auch gerne noch mal auf das Psycho Remake, was extrem nahe an der exzellenten Vorlage ist, und mich trotzdem vollkommen kalt lässt. Und hier kann nicht einmal ein Medien Transfer das eigentliche Problem gewesen sein. Wobei ich das auch noch mal checken sollte woran das liegen könnte. Das ist schon irgendwie verblüffend.

Re: Zuletzt gesehener Film

4783
Maibaum hat geschrieben: Nein, das ist hier nicht das Problem, nicht mal ansatzweise, das Problem ist das der Film nicht funktioniert, das täte er auch ohne Kenntnis der Vorlage nicht.
Finde ich nicht. Der Film funktioniert sehr gut.
Maibaum hat geschrieben: Das Problem ist das die Unterschiede zwischen den Medien doch oft größer sind als man meinen sollte.
Das ist sicher richtig.
Maibaum hat geschrieben: Wenn Moore den Stoff als Film geplant hätte, dann hätte er wahrscheinlich vieles anders gemacht, oder aber den Stoff gar nicht umgesetzt, weil es als Film nicht funktioniert hätte. Das Problem ist nicht die Kenntnis der Vorlage, sondern daß der Film in vielen Teilen so ist, nur weil der Comic halt so ist. Hätte Snyder den Film ohne eine Vorlage gemacht, dann hätte er mit Sicherheit vieles anders gemacht.
Beides rein spekulativ.
Maibaum hat geschrieben: Das Problem ist z.B. daß gute Buch- oder gute Comicdialoge nicht auch automatisch gute Filmdialoge ergeben.
Stimmt. Hier aber schon.
Maibaum hat geschrieben: Und hier empfand ich das als sehr extrem. Was im Comic genial ist, wirkt hier oft platt und geschwätzig, oder sogar prätentiös.
Interessant. Gegen prätentiöses Geschwafel bin ich ja generell allergisch, aber hier habe ich es gar nicht so empfunden. :wink:
Maibaum hat geschrieben: Snyders Remake von Dawn of the Dead finde ich genau so stark wie das Original, vielleicht sogar besser, aber da nutzt er zwar die Ideen der Vorlage, klebt aber nicht an ihr.
Stimmt. Starke Neuinterpreation.
Maibaum hat geschrieben: Ich verweise auch gerne noch mal auf das Psycho Remake, was extrem nahe an der exzellenten Vorlage ist, und mich trotzdem vollkommen kalt lässt. Und hier kann nicht einmal ein Medien Transfer das eigentliche Problem gewesen sein. Wobei ich das auch noch mal checken sollte woran das liegen könnte. Das ist schon irgendwie verblüffend.
Finde ich gar nicht. Ist imo sogar völlig logisch. Hier wurde Szenen für Szene abgefilmt, was einen sehr komischen Eindruck hinterlässt und im Rahmen von anderen Darstellern, Farbe etc. so gar nicht funktioniert. Auch das Original würde heute bei Erstveröffentlichung nicht mehr im Entfernstetsten den Stellenweert erlangen, den Hitchcocks Film nun hat.
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Re: Zuletzt gesehener Film

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GoldenProjectile hat geschrieben:Finde ich als Fan von Comic und Film etwas schade, ich hatte eigentlich gehofft, dass dir der Film bei der Neusichtung zusagen wird. Welches sind denn für dich die starken Szenen und was hältst du von der speziellen visuellen Gestaltung und Haleys (meiner Meinung nach grandiosen) Darstellungskünsten?
Wirklich begeisternd fand ich nur die Vorspann Sequenz, die ja dann bezeichnenderweise mit das eigenständigste der Verfilmung ist.

Ansonsten gibt es verstreut noch einzelne gute Szenen, oder visuell schöne Einstellungen, vor allem mit Dr. Manhattan. Aber insgesamt ist der Film für mich ästhetisch nicht gelungen, passt der Stil und viel der benutzten Stilmittel nicht zum Inhalt. Moores Comic ist ganz anders erzählt. Wenn ich nur ein wenig im Comic blättere stelle ich auch gleich wieder fest daß der Comic auch inhaltlich und in seinen Charakterisierungen wie auch in seiner Erzähltechnik weitaus komplexer ist, daß auch all die kleineren Sachen die fehlen die Wirkung des erzählten frapant verstärken.
Der Comic ist ja nicht einmal auffallend gut gezeichnet, im Bildaufbau, in seiner Farbgebung (wahrscheinlich absichtlich) sehr einfach gehalten, mit flachen Bildern die wenig räumlich wirken und vergleichsweise steif gezeichneten Figuren. Auf der Ebene könnte man schon etwas hinzufügen, aber wenn man fast die ganze Komplexität der Erzählung abbilden will, dann hätte man es auch komplett verfilmen müssen. In einer 12teiligen TV Serie, die auch die Kapitelstruktur des Comics übernimmt, und versucht Moores kühl klassische Erzählhaltung und seiner Dialogstruktur gerecht zu werden. Ob sich damit die Probleme von Snyders Verfilmung lösen ließen vermag ich nicht zu sagen.
Auch da bliebe die Frage wozu etwas verfilmen was schon perfekt vorliegt?

Das veränderte Ende fand ich interessant, ich weiß gar nicht mehr was, mich damals im Kino daran gestört hat, bzw. warum ich fand daß es sich nicht traute dem Comic konsequent zu folgen. Es würde mich interessieren was Moore zu dieser Veränderung sagen würde.
Allerdings ist auch da der Hintergrund komplizierter, und die Auswirkungen berühren laut Erklärung eine psychlogische Komponenten, gehen jedenfalls weit über die pure Zerstörung hinaus.

Was Haley betrifft ist er ja nicht so oft ohne Maske zu sehen, aber er hat mich zumindest nicht beeindruckt. Gerade bei ihm ist im Comic auch einiges noch intensiver. Seine psychologische Befragung z.b. verpufft im Film.
Aber generell sind die Schauspieler sehr gut gewählt, sind den Comic Figuren oft verblüffend ähnlich.

Re: Zuletzt gesehener Film

4785
vodkamartini hat geschrieben:Das ist imo das alte Problem, wenn man zuerst das Buch gelesen hat. Da hat die filmische Umsetzung dann kaum mehr eine Chance.
Taucht ja als Argument gerne auf, ist aber imo ziemlich blödsinnig. (Mal abgesehen davon, dass aus meiner Sicht ohnehin oft eher die filmische Version der Geschichte besser funktioniert als die literarische.) Wenn mir ein Film nicht zusagt, dann natürlich, weil er als Film misslungen ist und nicht funktioniert, unabhängig davon, wie die Vorlage war und was dort inhaltlich passierte. Bei Watchmen ziehe ich allerdings die Vorlage heran, um zu erklären, warum der Film für mich nicht funktioniert. Er wäre aber genauso langweilig, wenn Moore den Comic nie gezeichnet hätte. (Was jetzt natürlich ein rein hypothetisches Gedankenspiel ist.)
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