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von dernamenlose
Agent
So, jetzt schreibe ich, als absoluter Skyfall-Fan, auch mal ein ausführliches Review zu diesem Film.
Schauspieler:
Daniel Craig überzeugt als Bond in allen Belangen. Der Charakter wird vielseitiger (ob man das mag oder nicht) und Craig verkörpert jede Facette wunderbar. Sei es ein alt und gebrochen wirkender Agent, der mit dem Alkohol zu kämpfen hat, sei es einer, der sich psychologischen Tests unterziehen mus, die er für Verschwendung hält oder sei es der auferstandene Bond, zurück, so wie wir ihn kennen. Keiner der bisherigen Bond-Darsteller musste so viele verschiedene Charakterzüge in einem Film zeigen, und ich denke, es hätte auch kaum einer geschafft.
Judi Dench überzeugt als M, die auch mal von einer Situation überfordert sein kann, die traurig und niedergendrückt wirkt, aber dennoch auch immer wieder energisch und kraftvoll. Auch sie hat dieses mal einen ganz besonderen Auftritt, größer als je zuvor, und sie meistert ihn fabelhaft.
Javier Bardem glänzt als Silva, der von 1986 bis 1997 in Sektion H (Hongkong) tätig war. Er ist eine moderne Mischung aller eigenschaften, die Bond-Bösewichte bisher hatten (Abgedrehtheit, Egomanie, Größenwahnsinn und Bedrohlichkeit). Er ist die perfekte Besetzung für diesen Charakter und überzeugt in jeder Szene.
Naomi Harris als neue Monneypenny pielt ihre Rolle ebenfalls überzeugend, auch wenn ich dazu sagen muss, dass ich die deutsche Synchronstimme dem Orginal vorziehe.
Die teilweise kritisierte Berenice Marlohe gefällt mir ebenfalls gut, auch das Spiel mit ihrer Mimik im Casino gefällt mir (mit einer kleinen Ausnahme) sehr gut. Auch wenn ihre Rolle recht kurz ist, so ist sie doch vielseitiger (vor allem optisch) als das vieler anderer Bondgirls.
Ralph Fiennes, Albert Finney, Rory Kinnear und Ben Wishaw liefern auch eine makellose Vorstellung ab, insbesondere Ben Wishaw glänzt als neuer Q.
Die Schauplätze:
Skyfall ist düsterer als alle anderen Bonds vor ihm, sowohl inhaltlich, als auch vom Setting. Viele Szenen spielen bei Nacht und generell sieht man in Skyfall kaum Sonnenschein. Lediglich in Istanbul kann die Sonne die Szenerie durch eine dünne Wolkendecke erhellen, was auch vom Storyverlauf an dieser Stelle noch passt.
Jeder Schauplatz wird wunderbar eingeführt, lediglich Istanbul bleibt ein bisschen blass, was aber unterm Strich nicht negativ auffällt.
Mit Shanghai ist ein schon futuristisch anmutender Ort vertreten, Macau ist einfach nur schön, London bleibt (aufgrund der sensationellen Szenen) eher im Hintergrund, Schottland als Schauplatz des Finals ist neblig und wieder eher düster. Konsequent und passend zur Storyline.
Bild und Kamera:
Der Film ist ein visuelles Meisterwerk, am herausragendsten dabei wohl die komplette Shanghai-Szene, in der ganze zwei Sätze gesprochen werden (obwohl sie weit über 7 Minuten lang ist). Die Kamerafahrten über Shanghai, später am Hochhaus runter, zu Patrice, und dann zu Bond, alles aus einem Guss, es geht besser runter wie Öl. Sensationell fließende Bilder, ruhig und alles wesentliche einfangend, dennoch nie ein störender Stillstand. Der darauffolgende Kampf, in dem nur die Silhouetten der Kämpfenden zu sehen sind, gehört optisch zu den besten Kämpfen, die ich je gesehen habe. Ähnlich in Schottland, als Bond zum Sprint in richtung Kapelle ansetzt.
Die Actionszenen sind generell gut gefilmt, kein Stakkatoschnitt, keine Wackelkammera, aber auch kein zu langes verweilen an ein und derselben Stelle. Alles ist verständlich, die Stunts sind diesmal wirklich zu bewundern, da man sie in allen Einzelheiten sieht (Beispiel: Der Sprung mit den Motorrädern durch das Fenster, ins Innere des großen Basars).
Musik:
Die Musik passt besser zum Film, wie es jede andere getan hätte. Der Score von Thomas Newman ist Skyfall wie auf den Leib geschnitten. Die Musik ergibt ein wunderbares Zusammenspiel mit der Kamera, sie schmiegt sich teilweise den Kamerafahrten geradezu an und ist einfach nur episch (wie der ganze Film). Auch hier ist Shanghai hervorzuheben, wie danielcc schon mal sagte: Ein audiovisuelles Meisterwerk! Jeder Ton passt perfekt, transportiert die richtige Stimmung und haucht den etwas ruhigeren Szenen zusätzliches Leben ein (ohne sie dadurch unruhiger werden zu lassen).
Genial ist auch die Änderung der Intensität, beispielsweise, wenn Bond sich am Fahrstuhl festhält und die Kammera immer weiter nach oben schweift. Oder im Finale, als Bonds Wagen zerstört wird, und sich die Musik entsprechend seinem Gesichtsausdruck ändert. So sehr hat Bond sein Auto noch nie geliebt!
Kritisiert wurde teilweise, dass an manchen Stellen keine Musik vonnöten wäre, beispielsweise als Bond und Q Silvas Computer untersuchen. Ich teile diese Meinung absolut nicht. Wer genau darauf achtet, wird feststellen, dass Q dabei immer einzelne Sätze ausspricht und dann eine kurze Pause folgt. Ohne die Musik würde es seltsam erscheinen, insbesondere weil Q auch nicht ganz so spricht, wie sonst, sondern etwas "melodiöser", insbesondere im Deutschen. man könnte fast meinen, der Soundtrack wäre vor den Szenen da gewesen. Zudem verleiht die Musik den Szenen, die ja an drei verschiedenen Orten spielen Zusammenhalt. sie ist die ständige konstante, die diese Wechsel erlaubt, ohne, dass diese unpassend wirken.
Story:
Das meistkritisierte Element an Skyfall ist seine Story. Doch auch das, wie ich meine, großenteils zu unrecht. Darüber, ob wir einen gebrochenen Bond brauchen, einen, der mit Alkohol und Tabletten zu kämpfen hat, kann man selbstverständlich unterschiedlicher Ansicht sein.
Was die Logik angeht werden aber viele Dinge häufig übersehen wie mir scheint. Einer der häufig genannten Kritikpunkte ist der "Mutterkomplex" Silvas, der anfangs angeblich nicht vorhanden ist. Es schenit möglicherweise so, doch wird dieser Komplex auch schon darin sichtbar, dass Silva sich vom MI6 fangen lässt, obwohl er seinen Ausbruch schon geplant hat. Sein Motiv dafür ist tatsächlich, dass er M noch einmal in die Augen sehen will. Einen anderen Grund gibt es nicht.
Der zweite häufig genannte Aspekt ist die Kompliziertheit an Silvas Plan. Er hätte M doch auch einfacher ermorden können. Das hätte er sicherlich tun können, doch darum geht es ihm nicht. Es geht ihm nicht um einen simplen Mord aus Rache, er will M demütigen und in aller Öffentlichkeit ermorden. Deshalb schlägt er beim Ausschuss zu, den er indirekt selbst herbeigeführt hat. Denn der Diebstahl der Festplatte hatte nicht nur den Grund M an ihre Vergangenheit zu erinnern, und Bond auf Silvas Spur zu bringen, sondern sollte auch öffentliche Kritik am MI6 fördern. Der Ausschuss ist die ideale Bühen für Silva und ist (wenn auch ohne Datum) von ihm eingeplant gewesen.
Kritikpunkt Nummer 3: Bond findet das Passwort von Silvas Computer, bzw. seiner Omegaseite innerhalb kürzester Zeit, vor Q. Unlogisch? Überhaupt nicht, sondern gewollt. Silva wollte in dem Glaskäfig ja nicht alt werden, oder in ein richtiges Gefängnis gebracht werden. Das einzige was an dieser Szene zu kritisieren ist, ist Bond, denn er hätte zu diesem Zeitpunkt den Braten riechen müssen.
Kritikpunkt Nummer 4: Silvas Flucht. Wie kann sie so perfekt abgestimmt sein, und vor allem, woher weiß Silva wann und wo Bond ihn einholt? Wann, das weiß er nicht genau, ist aber auch nicht wichtig. Das wo hingegen ist einfach zu beantworten: Silva hat durch die geöffnete Tür einen Hinweis für Bond gelegt, und dann auf ihn gewartet. Als Bond das Licht in dem unterirdischen Gewölbe anmacht ist zu sehen, wie Silva hochschnellt und erst losrennt. Er hat an dieser Stelle den richtigen Ort abgepasst.
Kritikpunkt 4.2: Woher weiß Silva, wann da eine U-Bahn entlangfährt, dass sie direkt nach der Sprengung ins Gwölbe stürzt?
Das weiß er gar nicht, ist für ihn aber auch nicht relevant. Denn ich bin der Meinung, dass die Sprengung und das darauffolgende Entgleisen der U-Bahn, gar nicht in erster Linie für Bond bestimmt war. Silva hätte die Bombe auch gezündet, wenn Bond in der Temple-Station nicht in den Zug "gestiegen" wäre.
Die ganze Aktion diente eher dazu, den MI6 und damit M weiter bloßzustellen und sollte noch den nebeneffekt haben, London und die Polizei ins Chaos zu stürzen(Wie erfolgreich das ist, sieht man, als Bond durch die verstopften Straßen rennt). Denn die fehlt an der Stelle an der sie benötigt wird, bzw. sie kommt zu spät dort an. Zusätzlich soll die U-Bahn natürlich Baond von Silva trennen, aber das hätte sie auch getan, wenn sie eine Minute später gekommen wäre. Silva hätte Bond sicherlich so lange hinhalten können, bzw. möglicherweise noch andere "Dinge aus seinem Spielwarenladen" in der Hinterhand gehabt. Dass die U-Bahn sofort kommt dient lediglich der Dramaturgie.
5. Bond "entführt" M, und fährt ganz alleine mit ihr weg nach Schottland, ohne fremde Unterstützung. Oft wird gesagt, das sei unrealistisch. Nun, zuerst einmal, folgt Bond damit Ms Wunsch ("Und ich bin der Köder? Gut, aber nur wir beide!"). Dann sollte man auch bedenken dass diese Aktion überhaupt nicht genehmigt ist ("Was wenn der Premier es herausfindet?" "Dann sind wir am zensiert."). Bond kann keine Verstärkung holen. Beide, Bond und vor allem M sind in Ungnade gefallen, M konnte die Ministerin im Ausschuss absolut nicht überzeugen, was an ihrem Gesichtsausdruck klar abzulesen ist. Die beiden sind auf sich allein gestellt und haben keine Unterstützung (Von Q, Tanner und Mallory mal abgesehen). Bond hätte M natürlich irgendwo verstecken können, aber da hätte erstens vermutlich M nicht mitgemacht, und zweitens hätte Bond, wenn Silva wie auch immer doch etwas von Ms aufenthaltsort gemerkt hätte, sie nicht beschützen können.
Umsetzung:
Sam Mendes hat jede Szene einzeln hervorragend inszeniert und sie kunstvoll miteinander verflochten. Am stärksten kommt das natürlich in London zur Geltung bei der Montage vom Ausschuss, Silva und Bond. Die Bilder sind mit Ms Worten perfekt abgestimmt, die Musik zelebriert die ganze Szenerie förmlich und Mendes lässt alles auf den Höhepunkt zulaufen, in dem alles im Chaos versinkt. dennoch vergisst er selbst bei der darauffolgenden Schießerei die Charakterzeichnung keine Sekunde lang, Mallory wird weiterenwickelt, erhält weitere Sympatiepunkte, Bond hat die Ruhe weg, und hat in diesem Augenblick Mallory überzeugt, Silva verliert die Beherrschung, sobald man ihm das Zepter aus der Hand nimmt. Selbst inder Actionszene geschieht nichts zufällig, selbst die erzählt die Geschichte weiter. Das Trio Bond, Mallory, Monneypenny wächst in diesem Moment entgültig zusammen.
Skyfall ist einer der wenigen Bondfilme, die wirklich spannung transportieren. Eben weil es nicht um die Weltherrschaft, oder die Vernichtung der Menschheit geht, sondern um etwas persönliches. Weil auch Bond verletzlich ist, und weil er sich dennoch entwickelt. Das muss nicht jedem gefallen, doch Mendes hatte dieses Ziel, er wollte in erster Linie eine Geschichte erzählen, und das ist ihm erstklassig gelungen. Keiner hat je einen packenderen Bond verfilmt. Und darüber hinaus hat er auch den Humor nicht vergessen, Skyfall ist der lustigste der Craig-Bonds, jedoch ohne auch nur einen Moment albern zu wirken.
Titelsequenz:
Der Song von Adele ist wundervoll und ich höre ihn mir auch gerne ohne den Film an (wobei ich dann aber immer Lust auf Skyfall bekomme). Die Bilder dazu sind phänomenal, sie erzählen die Geschichte, ohne etwas zu verraten. Die Titelsequenz greift die alten Motive (Frauen, Waffen) wieder auf, aber auf neue, innovative Weise und sie beschränkt sich nicht darauf. Auch die Titelsequenz ist ein Meisterwerk.
Fazit:
Auch wenn ich das ein oder andere was ich noch schreiben wollte ausgelassen habe, so ist das Review doch schon ausführlich genug geworden.
Skyfall ist für mich ein (fast) perfekter Film, sowie ein (fast) perfekter Bondfilm. Das fast ist so kleine, dass es für Skyfall locker auf 10/10 Punkten reicht.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."