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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Sherlock Holmes
Gibt es irgendwen auf der Welt, der nicht weiß, wer Sherlock Holmes ist? Der legendäre Meisterdetektiv, den Sir Arthur Conan Doyle 1891 erfand, ist wie sein berühmter Kollege Dr. John Watson neben Geheimagent James Bond einer der wichtigsten Beiträge Englands zur modernen Popkultur. Die unterschiedlichen Adaptionen der Romane sind mittlerweile wohl kaum noch zu zählen, kein anderer Stoff wurde häufiger verfilmt oder vertont. Wozu also eine weitere Umsetzung? Was gibt es da noch zu erzählen? Diese Frage musste sich Regisseur Guy Ritchie stellen, als er 2009 an einer neuen Verfilmung des Materials arbeitete. Und das Endergebnis kann sich nicht nur kräftig sehen lassen, sondern ist zeitgleich auch noch der ultimative Beweis dafür, dass es gar nicht so wichtig ist, was man erzählt, wenn man weiß, wie man es erzählt.
Nach einem Film wie "Sherlock Holmes" weiß man gar nicht, wo man anfangen soll, zu loben. Eigentlich gibt es nichts, was nicht absolut durchdacht ist und einen echten Lichtblick darstellt im Vergleich mit anderen amerikanischen Blockbustern. Die Handlung selbst, also der Plot, ist sicher nicht unfassbar innovativ. Die Verstrickung zwischen schwarzer Magie und Wissenschaft sowie die Verknüpfung von Krimi und Action ist amüsant und vor allem die Twists und Überraschungen im letzten Drittel raffiniert und pfiffig umgesetzt. Der Liebhaber alter Detektiv-Geschichten wird hier mit einer ganzen Palette an Rätseln und kniffligen Problemen konfrontiert, an denen sich Holmes und Watson so richtig die Zähne ausbeißen dürfen. Dieser Aspekt, mitzuraten und den Protagonisten beim gleichen "im Trüben stochern" zuzusehen, hält den Zuschauer auch in den tempolosen Passagen bei Laune. Die Actionszenen selbst sind dabei aber selbstverständlich auch wundervoll gemacht. Bildgewaltig und pompös setzt Ritchie das viktorianische London in Szene und ob die beiden Spürhunde nun rund um einen Frachter im Hafengebiet, im Industriebereich oder in den Tiefen der Kanalisation auf ihre Widersacher treffen, immer erscheint die Hauptstadt Englands dabei als wichtiger Charakter des Gesamtbildes.
Dass sowohl Action als auch Dialoge einem gleichermaßen Spaß bereiten, liegt aber natürlich auch ganz stark an den beiden Hauptdarstellern. Robert Downey Jr., der bereits in "Marvels Iron Man" eine fantastische Darbietung ablieferte, hat hier die Rolle seines Lebens gefunden und man kommt kaum drum herum, ihn als eine der besten Holmes-Inkarnationen zu bezeichnen. Der Scharfsinn, die brillante Beobachtungsgabe, seine Fähigkeiten in verschiedenen Kampfsportarten, seine psychopathischen Schübe, all diese Eigenschaften vermag er in einem Gesichtsausdruck darzustellen. Profitieren tut er zusätzlich noch von seinem Zusammenspiel mit Jude Law, denn dessen Dr. Watson ist nicht einfach nur ein einfältiger Stichwortgeber, sondern ein gleichberechtigter Gefährte, der in den Actionszenen durch seine physischen Fertigkeiten überzeugt und in den übrigen Sequenzen von einem Wortgefecht mit seinem Buddy ins nächste gerät. Die herrlichen Dialoge und zynischen Kabbeleien zwischen den beiden sind nicht nur brillant geschrieben, sondern auch so umfangreich und in einer Fülle enthalten, dass man "Sherlock Holmes" mehrmals sehen muss, um jedes witzige und clevere Detail mitzubekommen. Mit Mark Strong als Lord Blackwood ist zudem der Bösewicht wunderbar diabolisch gespielt, sodass auch der Druck im Geschehen stets erhalten bleibt.
Doch was macht "Sherlock Holmes" nun so großartig? Bis hier wäre es sicherlich ein spaßiger Actioner mit Krimi-Elementen, aber nichts, was wirklich in den Olymp der großen Blockbuster gehörte. Doch es ist die Person des Guy Ritchie, welche hier etwas Einzigartiges geschaffen hat und "Sherlock Holmes" eine ästhetische Schönheit mit auf den Weg gibt. Dabei zeigt er (meist in den schnelleren Szenen) elegant Zeitlupen nach bester "Matrix"-Manier, arrangiert extreme Zooms und rasante Kameraschwenks im Wandel mit Handkamera-Optik und weiten Panorama-Einstellungen, die zugleich in ihrem Vorkommen willkürlich wirken mögen, aber dabei in Kombination mit den wirren Streicher-Tönen von Hans Zimmer ihren ganz eigenen Rhythmus finden. Auch ansonsten glänzt Ritchies Film durch geniale Einfälle, wie die "Holmes-O-Vision", bei der man eine Actionszene erst in Zeitlupe mit Off-Kommentaren und dann in der beschleunigten Version ein zweites Mal zu Gesicht bekommt. Als letztes Schmankerl bleibt festzuhalten, wie nah Ritchie an den Originalvorlagen bleibt. Nicht nur in der Ausdrucksweise der Charaktere, auch in den Motiven, Themen und Inhalten schreit er überall nach Doyles teilweise unvergleichlichen Romanen und das (stark mit exzellentem CGI-entwickelten) altmodische London ist derart detailreich, dass man sich darin regelrecht verlieren. Da verzeiht man dann auch, dass als einzige große Schwäche der weibliche Part der Irene Adler, dargestellt von der süßen, aber blassen Rachel McAdams, zu nennen ist. Ihre Rolle wird vom Film weder benötigt, noch weiß das Drehbuch etwas mit ihr anzufangen, wenn sie anfangs als taffe Frau erscheint und später nicht mehr als die holde Maid in Not abgibt. Immerhin hat sie aber ebenfalls ein paar charmante Sätze zu sagen und verantwortet den Cliffhanger für die verheißungsvolle Fortsetzung.
Fazit: Die einen werden in "Sherlock Holmes" nicht mehr sehen, als einen weiteren kurzweiligen vergnüglichen Samstagabend. Das ist auch völlig in Ordnung, schließlich werden Filme ja genau zu dem Zweck entwickelt. Doch Ritchies Film hat wesentlich mehr zu bieten. Das er den Doyle-Lesern zahlreiche Referenzen einbaut, ist nur ein Geschenk für die Fans, doch seine visuelle Umsetzung der unterhaltsamen, aber leicht verständlichen Handlung ist so packend, ergreifend und auf den Punkt treffend, dass selbst Cineasten mit gehobeneren Ansprüchen hier einen Blick riskieren dürfen. Darüber hinaus überzeugen Downey Jr. und Law als das wohl witzigste Duo seit Dick und Doof und ansonsten werden Auge, Seele, Hirn und Gehör gleichermaßen angestrengt wie beeindruckt. Für Filme wie "Sherlock Holmes" scheint das Kino erfunden zu sein. Enorm kurzweilig, mitreißend, anziehend und von ästhetisch anregender Perfektion. Die schwache Frauenrolle als Schönheitsmakel ist da so überflüssig wie vergessenswert.
9,5/10
https://filmduelle.de/
Let the sheep out, kid.