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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Can a Song save your Life?
In der heutigen Zeit scheint es nur noch zwei Sorten von Film zu geben: Die großen bombastischen Actionorgien, in denen eine finstere Macht natürlich stets das gesamte Universum auslöschen will und die tieferschütternden und den Zuschauer betroffen machenden Dramen, in denen die Protagonisten in ihrem Leid über die komplexesten philosophischen Fragen zu diskutieren wissen. Das Filme auch ohne künstliche Dramatik und dem Hang zum optischen Overkill funktionieren können, versucht John Carney mit "Can a Song save your Life?" unter Beweis zu stellen und erzählt darum eine kleine und kaum auffällige Geschichte über die bindende Wirkung der Musik. Unter dem Gesichtspunkt ist es daher fast schon ein echtes Ärgernis, dass sein Plan in den 105 zart-romantischen Minuten fast nie wirklich aufzugehen scheint.
In erster Linie spielt Carney mit seinen beiden Protagonisten langezeit ein klassisches Filmklischee, in dem er beide als "füreinander bestimmt" charakterisiert und an dieser idealen Verbindung (auch wenn sie hier nicht sexueller Natur ist) nie einen Zweifel kommen lässt. Damit gibt er seinen beiden Hauptdarstellern Keira Knightley und Mark Ruffalo zwar die Chance, mit der natürlichen Chemie zwischen ihnen zu punkten, lässt aber von Anfang an wenig Konfliktpotenzial zu, sodass man auch in einer oberflächlichen Streitsequenz nie an der Freundschaft zwischen den beiden zweifelt. Das es so eine überhaupt geben musste, liegt wohl auch weniger an ihrer Relevanz für die Handlung, denn mehr an dem Einmaleins des Drehbuchschreibens. Wenn man auch nur eine Handvoll Filme des Genres gesehen hat, dann lässt dieser hier keine einzige Überraschung zu. Jeder Handlungsstrang verläuft in absolut gewohnten Bahnen. Teilweise ist es mitunter erschreckend, wie stereotyp viele Ereignisse abgenudelt werden und wie wenig Eigeninitiative vom Film selbst ausgeht.
Zu keinem Zeitpunkt traut die Regie sich, aus der seichten und unkomplizierten Geschichte mehr als einen seichten und unkomplizierten Film zu machen, in dem sich auch die Musik als Leitthema auf sanfte Poptöne und harmlose Stimmen spezialisiert. Knightley als junge Engländerin, die von ihrem Freund verlassen wird, kann sich dabei weder als Charakterdarstellerin, noch als stimmgewaltige Sängerin behaupten. Zwar vermag sie die gesamte Laufzeit über nie zu langweilen und hat mit Ruffalo als Sidekick einige gute Momente, doch ist es letzten Endes auch ihrer schwach geschriebenen Rolle zu verdanken, dass sie nie über den Eindruck einer ganz netten Person von nebenan hinweg kommt. Ihr Co-Star hat es da etwas glücklicher getroffen. Seine Figur als vom Leben enttäuschender Musikproduzent bietet nicht nur zu Beginn einige starke Szenen, sondern auch ein großes Potenzial für subtile Comedymomente und eben in diesen punktet Ruffalo durch sein enormes Charisma, mit dem er in der ersten Hälfte des Filmes noch relativ lange über die dramaturgischen Mängel, die aus der sich nie wirklich vom Fleck bewegenden oder sich gar etwas zutrauenden Handlung resultieren, hinweg täuschen kann.
Später jedoch fallen zunehmend die Kontraste auf, die der Film nie so richtig zu kaschieren weiß. Auf der einen Seite Hollywood-Romantik in Seifenoperart, auf der anderen der Versuch, eben diese Sparte nicht zu bedienen. Auf der einen porträtiert Carney das wirkliche Leben, auf der anderen lässt er am Ende den Eindruck eines Märchens aufkommen. In der Besetzung ein Blockbuster, in der Inszenierung eine Mischung aus TV-Komödie und Arthouse-Versuchen. Warum diese offensichtlich nicht zusammenpassenden Elemente derart nah aneinander gereiht wurden und man unentschlossen zwischen den Parteien umher irrte, bleibt ein Geheimnis der Macher. Doch wenn man dann schon nicht mehr damit rechnet, offenbart die Regie doch noch eine gewisse Liebe zur Musik. In den Montageszenen, in denen es dann wirklich nur noch auf die Töne der Instrumente ankommt und die Musik für sich darsteht, stimmt die Inszenierung und ist erfreulich weit von Musikvideoästhetik entfernt, sondern unterstreicht die offenkundige Schönheit dessen, was der Zuschauer hören darf und ist zeitgleich auch noch eine Hommage an die Stadt New York, die selten so prächtig in Szene gesetzt wurde. Kurz vor Schluss versucht sich das Drehbuch zu dem auch noch an einem interessanten Ansatz: Um nicht den Kommerzgedanken der großen Musikstudios entsprechen zu müssen und die Musik mit anderen teilen zu können, rebelliert die Protagonistin mit dem Erscheinen ihres Albums gegen das moderne Marktsystem und die universelle Austauschbarkeit, insbesondere in den USA. Eine solche thematische Entwicklung, in einem Film, der seine gesamte Spielzeit über stets zu feige gewesen ist, mehr aus sich zu machen, als eine vergnügliche kleine Liebeskomödie, erscheint in dem Zusammenhang (leider) trotz des guten Ansatzes ungemein komisch.
Fazit: "Can a Song save your Life?" wäre gerne die Arthouse-Alternative zum heutigen Blockbuster-Kino und verschreibt sich der Liebe zur Musik und setzt ein Zeichen gegen die Kommerzialisierung derselbigen, sowie sie die Schönheit New Yorkes angemessen in den Vordergrund stellt und der Dynamik von Großstadtgeräuschen huldigt. Filmisch vermag das sanfte Konstrukt aber niemanden vom Hocker zu reißen, dafür sind die Geschichte und die Charaktere zu oberflächlich und der Film ähnelt der heutigen Popmusik zu sehr, bei der alles wie im Rausch an einem vorbeifliegt und nur solange beschäftigt, bis es von selbst endet oder man freiwillig das Programm wechselt. Auch wenn John Carney gemeinsam mit Keira Knightley und Mark Ruffalo eine authentische Antwort auf die Frage, ob ein Lied ein Leben retten kann, findet, muss die Frage: "Can a Song entertain you for whole 2 hours?" in diesem Falle, trotz des lobenswerten Versuchens, bloß mit einem kurz und knappen "No" beantwortet werden.
4/10
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Let the sheep out, kid.