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von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Der Weltbestseller "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" vom Autor John Green erzählt die Geschichte zweier krebskranker Jugendlicher, die sich im Angesicht des Todes an den gemeinsamen Wunsch einer Reise in die Niederlande klammern und dabei eine Einsicht gewinnen, die nur wenigen Menschen vergönnt ist. Die Liebe ist eine seltene und komplizierte Angelegenheit, für die man sich voll und ganz aufopfern muss, um sie wirklich zu erfahren. Ein romantisches Teenager-Drama mit hoher Authenzität also und keine einfache Krebs-Geschichte. Überraschend, aber auch schön ist es daher zu wissen, dass auch die Filmadaption von Josh Boone kein einfacher Spielfilm über die tödliche Krankheit, sondern ein tief berührendes Werk voller Herzschmerz geworden ist.
Dreht man eine Romanze, dann gilt der Grundsatz, dass die Emotionen im Film absolut echt sein müssen, um beim Zuschauer anzukommen. Dafür legte Green bereits den Ansatz und Boone behält diesen auch bei, denn in "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" gibt es bei der Darstellung der Jugendlichen keine erzwungene Coolness und glücklicherweise auch nicht den berühmten erhobenen Zeigefinger. Die Protagonisten fühlen sich tatsächlich echt an und haben daher auch ein enormes Identifikationspotenzial, insbesondere für die jüngere Zielgruppe. Pathos weicht hier der Natürlichkeit der Personen und das allein ist für eine Hollywood-Produktion mutig genug. Dieser Mut erstreckt sich jedoch über weite Teile der Laufzeit. Statt durch unnötigen Kitsch oder gestellte Sentimentalitäten den Blick auf die Handlung und die Charaktere zu verlieren, erlaubt man es sich, den Fokus immer auf das Wesentliche zu verlagern. Anstatt rührselige Szenarien oder außergewöhnlich-romantische Sets zu suchen, erdet man derartige Konstellationen immer wieder und erschafft damit einen realistischen Touch, in dem sich jeder viel eher wiederfindet, als in den üblichen Hochglanzbildern aus der Traumfabrik. Shailene Woodleys Hazel steht dabei stets im Vordergrund, was in Anbetracht ihres mimischen Repertoires auch völlig nachvollziehbar erscheint, trifft sie doch genau den richtigen Ausdruck zwischen einer Heranwachsenden und einer gereiften Persönlichkeit. Überragend versteht sie es, aus Hazel mehr als ein zerbrechliches und gleichzeitig kesses junges Ding zu machen, ihre Erscheinung hat Charakter und Identität und gerade diese Mischung lässt die intensiven und melodramatischen Momente in der letzten halben Stunde des Filmes zu.
Leider kann man das nicht unbedingt von ihrem Filmpartner Ansel Elgort sagen. Auf seine optische Erscheinung eingeschränkt, darf er langezeit nur das Klischee des Mädchenschwarms, der immer im genau richtigen Moment die richtigen Worte findet, bedienen und bekommt zu wenig Macken und Fehler, um so menschlich wie sein Gegenpart zu wirken. Am besten wird das in den Szenen in Holland deutlich, in denen es dann teilweise doch eine Spur zu rosarot wird und die Handlung ein wenig ihren Fokus verliert. Hat man vorher schon mit Bezügen auf das Christentum, den Hinduismus, den Nihilismus und sozialkritischen Monologen eine ganze Bandbreite an Thematiken eröffnet, bettet man hier plötzlich auch noch durch eine Szene im Anne-Frank-Haus einzelne Motive aus den Verfolgungen durch die NS-Ideologie ein. Nicht genug, dass man sich hier von jeder Subtilität verabschiedet, es wirkt bisweilen sogar unfreiwillig komisch und ist natürlich in Teilen auch dafür mitverantwortlich, dass am Ende keines dieser Themen vernünftig zu Ende gebracht wird. Immer wieder werden neue Ansichten und dramatische Sinnesfragen angerissen, ohne, dass man sich irgendwann die Zeit nehmen würde, eine von ihnen auch einmal zu beantworten. Die Geschichte wirkt daher unvollständig, was auf der einen Seite gewollt sein mag, auf der anderen aber nicht unbedingt zufriedenstellend ist. Sinnbildlich dafür steht der toll gespielte Kurzauftritt von Willem Dafoe. Sein Peter Van Houten stellt in einer Szene der jungen Hazel mehere interessante und relevante Fragen über die eigentliche Intention ihrer Lebenswünsche, die das Publikum zum Nachdenken anregen könnten. Schade nur, dass durch die Entkräftung der Szene durch die Protagonisten im Nachhinein nie wieder wirklich darauf eingegangen wird. Es verläuft im Sande und gerät (vielleicht ehrlich als Analogie zum Leben eines Einzelnen gedacht) in Vergessenheit.
Fazit: "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" ist ein schwieriger Film und will auch ein schwieriger Film sein. Er stellt die richtigen Fragen, aber gibt kaum Antworten. Figuren werden in den Vordergrund gestellt, die authentisch sind und unberechenbar sein sollen, schlussendlich aber dann doch immer das zu Erwartende tun und in Vorhersehbarkeiten abdriften. Kitsch soll keine Rolle spielen, tut es dann aber im etwas zu langen Mittelteil trotzdem. Und dennoch ist man in den letzten Minuten so sehr zu Tränen gerührt, wie man es von einem Hollywood-Film überhaupt nicht gewohnt ist. Denn obwohl er nicht perfekt sein mag, ist dieser miese Verräter auch ein kleines und berührendes Werk über das Leben und dessen Fehlbarkeit, was er mit seiner eigenen Unvollkommenheit sogar noch unterstreicht. Auf wunderschön traurige Art ist es eine sehr ruhige Geschichte, die sich weder vornimmt, den Krebs zu verharmlosen, noch mit falschem Pathos in Manipulation zu verfallen. Wenngleich man aus dramaturgischer Sicht sicher noch an viellen Ecken und Enden arbeiten könnte, ist dieses leise Stück Film eine absolute Rarität in unserer heutigen Konsum-Kultur und zudem der famose Triumph einer vielversprechenden Jungschauspielerin. Ungeschminkt, nicht voyeuristisch, emotional, nicht sentimental, positiv lebensbejahend, aber nicht beschönigend. Es müsste mehr solcher Filme geben.
8/10
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Let the sheep out, kid.