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von GoldenProjectile
'Q Branch' - MODERATOR
Im Kino - 12 Years a Slave (2014)
Drehbuch: John Ridley
Regie: Steve McQueen
Darsteller: Chiwetel Ejiofor, Benedict Cumberbatch, Michael Fassbender, Lupito Nyong'o, Paul Dano, Sarah Paulson, Paul Giamatti, Alfre Woodward, Brad Pitt
Eigentlich ist es offensichtlich, weshalb Steve McQueens dritter Film heisser Anwärter auf die diesjährigen Oscars ist. Immerhin ist die filmische Aufarbeitung von dunklen historischen Kapiteln bei der Academy spätestens seit Schindlers Liste sehr gerne gesehen. 12 Years a Slave ist aber noch mehr: nämlich ein fesselndes Leinwandgemälde, das sich zurecht seinen eigenen (kleinen) Platz in der Filmgeschichte sichern wird.
Man muss McQueen dafür respektieren, wie unverblümt und direkt er an das Thema herangeht. Auf der einen Seite hat er sich mit den Memoiren des Solomon Northup natürlich ein Einzelschicksal herausgesucht, eine Ecke des Dunkeln, in die auch ein Lichtstrahl scheint und die deswegen auch Hollywood-kompatibel ist, andererseits wird die Brutalität der Epoche mit ungeheuchelter Schonungslosigkeit präsentiert. Verpackt in abstossende und zugleich ästhetische Bilder des sonnenverbrannten Louisianas schafft McQueen ein Spiegelbild der Vergangenheit in schier endlosen, unangenehmen und beklemmenden Plansequenzen. 12 Years a Slave ist episodenhaft angelegt, was jegliches Zeitgefühl vermissen lässt und den Albtraum der Sklaverei umso stärker heraufbeschwört. Ein Film, der mit Kostümen und Kulissen eine atmosphärische Dichte grössten Ausmasses schafft. Die Balance zwischen thematischer Tiefe und spielfilmischer Inszenierung prädestiniert McQueen für eine lange und erfolgreiche Karriere als bedeutender Regisseur. Eine Fehlentscheidung ist lediglich, Blockbuster-Troubadour Hans Zimmer seinen Popcorn-Pathos auf die Tonspur schmieren zu lassen. Keine Ahnung, ob Hans plötzlich unter Einfallslosigkeit leidet aber es macht den Eindruck als habe er ganze Teile seines eigenen Inception-Scores übernommen, was weder kreativ noch wirklich passend ist.
Eine Glanzleistung liefert Chiwetel Ejiofor in der Hauptrolle. Der Engländer liefert gekonnt ein eindringliches, emotionales Minenspiel und ist von nun an mein ganz persönlicher Oscar-Favorit des Jahres. Der deutsch-irische Michael Fassbender sollte jedem Filmfreund ein Begriff sein, immerhin hat er sich innert der letzten sechs Jahre von der zweiten Reihe aus bis in die A-Liga des Blockbuster- und Arthouse-Kinos katapultiert. Fassbender - auch er ist für den Goldjungen nominiert - explodiert förmlich als durchgeknallter, sadistischer Farmer und Sklaventreiber. Paul Dano, der letztes Jahr in Dennis Villeneuves Prisoners eine fantastische Performance an den Tag gelegt hat verkörpert hier einen widerwärtigen Aufseher und Produzent Brad Pitt erscheint in einer Gastrolle als kanadischer Hippie.
FAZIT: Mit 12 Years a Slave hat Top-Newcomer Steve McQueen trotz leichter Anbiederungen an Hollywood-Tauglichkeit und Hansis Soundsystem als kompetent wie konsequent erwiesen und ein spannendes Drama und schonungsloses geschichtliches Portrait geschaffen.
9 / 10
We'll always have Marburg
Let the sheep out, kid.