Ein paar Beobachtungen zur jüngsten Sichtung von MR:
- für viele Fans – selbst MR-Gegner – ist die PTS die herausragende Szene des Films. Ich bin mir da mittlerweile nicht mehr so sicher, denn ich halte die Szene in der Corinne von den Dobermännern verfolgt und getötet wird für mindestens ebenbürtig. Die Szene ist wunderbar aufgebaut beginnend mit dem Dialog zwischen Drax und Corinne, der sich langsam steigernden Bedrohung durch die Hunde, die toll fotografierte Verfolgung im Wald mit den durch die Bäume durchbrechenden Lichtstrahlen bis hin zum Szenenhöhepunkt als Corinne in Zeitlupe von den Hunden zu Fall gebracht wird und die Kamera in steilem Winkel nach oben schwenkt – während bereits die Glocken der Anschlussszene in Venedig ertönen. Eine ganz bemerkenswerte Szene, großartig fotografiert und inszeniert, sehr spannend und beängstigend und vor allem ein für Bondverhältnisse ungewöhnlich düsterer Moment.
- Ebenfalls bemerkenswert finde ich Moores Spiel im Anschluss an das Attentat in der Zentrifuge, als er völlig benommen aussteigt und Hollys Hilfe abweist. Für mich ist dies einer der besten schauspielerischen Momente von Moore in all seinen sieben Filmen. Er spielt das völlig glaubwürdig und straight, keine Spur von Overacting oder ähnlichem und das trägt für mich in erheblichem Maße dazu bei diesen Mordanschlag ernst zu nehmen.
- Als ganz hervorragend empfinde ich jedes mal wieder aufs neue die Chemie zwischen Moore und Clery, die viel besser ist als die zwischen Moore und Chiles. Ich habe es schon mal früher erwähnt: Clery wäre als Hauptbondgirl die deutlich bessere Wahl gewesen, ich mag ihre verletzliche unschuldige Aura. Moore spielt die Szenen mit ihr auch super, vor allem als er in ihr Schlafzimmer kommt, toll wie selbstbewusst und mit welcher Ausstrahlung er da den Womanizer gibt.
- Erstaunlich auch, wie fürsorglich der Moore-Bond in MR gegenüber seinen Bondgirls auftritt. So vermittelt seine Antwort („Du auch!“) auf Corrines zum Abschied hingehauchtes „Pass auf dich auf!“ zumindest die Illusion von sowas wie echten Gefühlen. Auch als er Holly in Drax Pyramide wiedersieht gibt er sich erstaunlich emotional („Bin ich froh dass du noch lebst“). Eine bemerkenswerte Entwicklung wenn man bedenkt wie gefühlskalt der Moore-Bond in seinen ersten beiden Filmen gegenüber seinen Bondgirls aufgetreten ist.
- Der Kampf zwischen Bond und Chang bei Venini ist für mich ein weiterer Höhepunkt des Films, die Szene ist gut und abwechslungsreich choreographiert und entbehrt nicht eines gewissen Witzes durch die nichtzerstörte Gift-Phiole sowie dem alarmgesichterten Glaspokal. Höhepunkt der Szene ist das toll beleuchtete Finale vor dem Glasfresko, durch das der unglückliche Chang letztlich von Bond geworfen wird. Durch die Beleuchtung und Farbgebung ist dieser Moment der Schlägerei auf dem Hochhaus in Schanghai in SF gar nicht so unähnlich.
- Mir gefiel sehr gut wie die Szene in Venedig, in der Bond bei Venini Holly entdeckt und ihr hinterher schleicht fotografiert ist. Vor allem der Moment, in dem er Holly über den Hof verfolgt ist sehr stimmungsvoll festgehalten und hat fast schon etwas von ähnlichen Szenen in Hitchcock-Filmen.
- Ebenfalls sehr gut fotografiert und inszeniert finde ich Beissers Angriff auf Manuela während des Karnevals in Rio. Schön wie er zunächst nur in der Menge als allesüberragende Fastnachts-Figur zu sehen ist und die Spannung dann dadurch erhöht wird in dem sich die Figur langsam aber unaufhaltsam nähert und für den Zuschauer erst nach und nach als Gefahr erkennbar wird. Der Moment, in dem er dann den überdimensionierten Papp-Kopf abnimmt ist schön angsteinflössend inszeniert, vor allem auch angesichts der ungleichen Größen- und Kräfteverhältnisse zwischen Beisser und Manuela. Die Szene ist ganz klar die direkte Antwort auf die großartige Pyramidenszene in TSWLM und in vielen Dingen nahezu ebenbürtig. Die unerwartete Auflösung der Szene ist gut (im Prinzip Lehmanns alter Drehbuchniff aus North by northwest), aber im Endeffekt dann doch nicht ganz so gelungen wie die superbe Auflösung im Vorgänger.
- Die meisten Trickszenen in MR wirken auch heute noch fabelhaft, allen voran die Szenen beim Start und im All, hier hat der Film seine Oscarnominierung ohne Zweifel verdient gehabt. Aber auffällig ist wieder einmal, wie stark die Qualität der Rückprojektionen variiert. Einige Szenen sehe wirklich unangenehm künstlich aus, vor allem die Szenen mit Beisser während der Bootverfolgung auf dem Tapirape (oder war´s doch der Amazoco
), die ihren berühmt-berüchtigten „Cousins“ in OP und AVTAK in nichts nachstehen (wobei sie in MR glücklicherweise weniger inflationär eingesetzt wurden). Erstaunlicherweise sind dann zB die Szenen auf der Seilbahn aber ziemlich gut und wirken eher unauffällig. Dass man hier keine einheitliche Qualität hinbekommen hat ist sehr schade, denn es ist wirklich der einzige negative Aspekt in Bezug auf die Trickeffekte.
- Die Moneypenny-Szenen in MR sind für mich so ziemlich die schwächsten aller Filme mit Lois Maxwell. War sie bereits in TSWLM nicht gut ins Geschehen eingebunden, so wirkt sie in MR fast schon deplaziert und die Szenen, in denen ihr Bond erzählt was er alles erlebt hat und sie ihm nicht glaubt sind platt geschrieben und auch nicht sonderlich gut gespielt. Und das sagt jemand, der die Moneypenny-Szenen mit Maxwell eigentlich immer sehr gerne mag.
- Die Szene, in der Bond nachts via Gondel zu Venini schippert und als er an Bord geht seine Gondoliere-Hut auf die Spitze der Gondel wirft ist eine sehr nette Hommage an die klassische Hutständer-Szene.