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von GoldenEagle
Agent
Mittlerweile konnte ich zeitlich bedingt alle Geschichten durchlesen, um mir anschließend noch etwas Zeit zu gönnen, diese ausführlicher rezensieren zu können.
1. Einleitende Worte zu allen Geschichten
Zunächst kann man allgemein fassen, dass, ungeachtet der endgültigen Einschätzung in allen fünf Kurzgeschichten, immer wieder gute Einfälle zu lesen waren, die sich lediglich nicht über die Geschichte hinweg konstant hielten, oder die äußere und innere Form lückenhaft das Gesamtbild in sich trübte.
Die Schauplätze waren durchweg gut gewählt, man hätte aber stellenweise noch mehr daraus machen können (bspw. bei First Blood).
2. Die Geschichten im Einzelnen
2.1 The Man in the Mirror
Um es gleich anzusprechen und es ein wenig einheitlich, weil vielleicht gerechter, zu bewerten, ist zunächst der Titel zu beurteilen.
Über einen Titel lässt sich schon mehr oder minder erahnen, um was es gehen wird, wobei die Spannung nicht verloren zu gehen hat.
"The Man in the Mirror" hält hier, was versprochen wird. Er macht neugierig, spielt mit einem bekannten Titel (Zufall?) eines ebenso bekannten Popmusikers und lässt den/die LeserIn bis zum Schluss im Unklaren, was zunächst Spannung verspricht und dem Titel gerecht wird, weil er hier schließlich lüftet, was zunächst im Unklaren lag.
Kontrastiert man hingegen den konkreten vorliegenden Verlauf der Geschichte zum Titel, so ergeben sich Schwächen.
Erfreulicherweise hebt sich TMITM von den anderen Werken ab, denn, auch wie bei Fleming zu lesen und in den Filmen vielleicht verständlicherweise kürzer tretend, wurden hier die Gefühle von Bond in den Vordergrund gerückt, einen Teil, den viele scheinbar nicht gerne oder so ausgiebig thematisieren. Das ist positiv, denn so ausführlich und damit etwas exotischer, wurde das bei den anderen nicht beschrieben (was aber nicht sein müsste).
Sie wirkt wie ein Teil Bonds, den man heute weniger schön, interessant, "uncool" finden könnte, zeigt aber auch, dass es durchaus realistisch ist und ein wenig als Charakterstudie gesehen werden könnte.
Letzterer Ansatz (Charakterstudie) ist meistens ein schweres Gebiet und, wenn nicht, bspw. in lebhafte Ereignisse eingebettet, ein eher trocken wirkendes Schriftstück, durch das man den/die LeserIn geschickt manövrieren sollte.
Ich hätte mir diese Geschichte als ein Kapitel in einem Bondbuch vorstellen können, indem sie nicht das vollständige Gewicht bildet.
So, um also die angesprochenen Schwächen zu nennen, geht ein Spannungsbogen verloren, da weder vor, noch nach der Geschichte keine Steigerungsmöglichkeit (wie in einem Buch) vorhanden ist. Der Schluss kann weder durch die beschriebenen Situationen (Nachbarin...) zu einem entschädigten Ergebnis führen, noch der Titel, der ebenfalls am Ende nicht den überraschenden Schlusseffekt liefern konnte. Das hätte der ganzen Geschichte dann eine hohe Schwierigkeitsstufe abverlangt, wenn der "Aha-Effekt" alles andere überschattet hätte.
Eine Kurzgeschichte ist daher besonders schwer zu realisieren, wenn zu über 90% das Innere einer Person im Raume steht, die aber bspw. keine Abenteuer im Geiste nochmals durchlebt und hierdurch wieder für die Leserschaft lebendigere Bilder entstünden.
TMiTM wendet sich sogesehen an ein spezielleres Publikum, das es mögen müsste, sich auch mal den "unspektakulären", den ermatteten, von Gewissesbissen geplagte, emotionalen, schwächelnden, insich zerrissen wirkenden Bond zu betrachten und genau darauf zu achten, was im Gegensatz zu dem sonst so erfolgreichen Agenten steht.
Das zeugt von Mut und auch wenn die Geschichte vielleicht nicht im Gesamtergebnis als beste Geschichte gesehen werden kann, so hebt sie sich erfreulich experimentell und individualistisch von den anderen Geschichten ab.
- Umsetzung, sprachliche Schwächen, Rechtschreibung, Grammatik, Aufbau, zu wenige auf Spannung hingearbeitete Elemente (was bei dieser Art ohnehin schwer sein dürfte und konträr, vielleicht auch störend wirken könnte), Schluss zu geradlinig und nicht ganz nachvollziehbar (glaubwürdig)
+ Eigenständiges auch eigenwilliges Thema, Versuch einer Charakterstudie (schwierig, Versuch top!), positives Ende (Bond fängt sich wieder), hebt sich von den anderen Geschichten stellenweise ab
2.2 Der Ruf der Lilie
Der Titel von "Der Ruf der Lilie" wirkt vielversprechend, geheimnisvoll, romantisch vielleicht sogar leidenschaftlich.
Mit einer schönen Einleitung, fortgeführten und detaillierten Beschreibungen der charakterisierten Personen nach Flemings Vorbild, wird es wohl für den/die LeserIn ebenfalls geheimnisumwoben bleiben, welche Rolle die Dame im halblangen, am Armreif nästelnden, lilafarbenen Kleid auf sich hatte?
Dieser Abschnitt wirkt zunächst vielversprechend, webt Bondelemente mit ein und dröselt dasselbe lilafarbene (?) Garn jedoch wieder in den synonym gehaltenen entblößten Gedanken auf, der wie ein x-beliebiger Passagier im Orient Express wirkt und nimmer gesehen ward. Auch nicht in dem nachfolgenden Teil der Geschichte.
Ob dieser Abschnitt nun Lückenfüller oder der lebendig wirkende, jedoch konträr zum weiteren Verlauf
dargestellte Teil eine besondere Bewandtnis hatte, bleibt zunächst dahingestellt.
Vorschlag zur Abhilfe: Durch das lilafarbene Kleid scheint die erste assoziative Brücke zum Titel geschlagen. Es gibt eine Lilie, die lilafarben ist (Lilium cernuum) und somit gut in die textliche Metapher passen würde. Bond müsste sie nicht gleich kennenlernen und könnte sie später, in der Gestalt der Miss Carter, die nun ein anderes Kleid, jedoch das aus der Essenz des osterliliengezogenen Parfüms (quasi als Widererkennungseffekt für die Leserschaft) trägt, erneut und nachvollziehbar in den Verlauf der Geschichte etablieren.
Subjektiv gewöhnungsbedürftig gestaltet sich für mich die technischen Einzelheiten der tuningvorhaben Bonds (vielleicht für Autoliebhaber interessant) und das abrupte Ende, das den/die LeserIn etwas vertört zurücklässt, wenngleich hierbei eine flemingsche Parallele etwas mitzuschwingen scheint.
+ Gute Geschichte, schöne Bilder, besserer Schreibstil als bei 2.1, einige Bondelemente und Details auf engem Raum untergebracht, wenige orthografische Fehler
- Aufbau: fragliche Konstruktion (Dame in Lila, unglaubwürdiges, abruptes Ende)
2.3 Before You Die
Die Geschiche wirkt spannend, in dem sie immer mehr von dem offenlegt, was man schlicht nicht erahnen kann. Um was geht es? - Wer ist die Frau in Bonds Armen? - Was für Folgen hat ihr Tod für Bond? - Um Wo befinden sie sich? - Was ist so wichitg, das Bond von den Männern bedroht wird? - Wie kommt Bond aus der Sache wieder heraus, bevor er, wie es der Titel anklingen lässt (möglicherweise) sterben müsste?
Immer mehr, innerhalb des Handlungsverlaufs werden diese Fragen geklärt, die Handlung durchaus lebhaft und stimmig vorangetrieben und, fast wie in einem Strategiespiel immer mehr der noch im Dunkeln liegenden Teile des Spielfeldes aufgedeckt, je mehr sich die Figuren darin bewegen.
Beim Aufdecken der Fakten, sollten allerdings grammatikalische, orthografische und die manchmal etwas holprige sprachlichen Ausführungen nicht sichtbar werden.
Der Autor dachte mit (Mantel, zwecks blutverschmiertem Hemd), kehrt dieses Plus aber wieder mit dem weniger stimmigen Detail der im Lauf befindlichen Patrone um.
+ Spannend, stellenweise gut mitgedacht, in die Handlung vortreibende Beschreibung und Offenlegung der Schauplätze, Fakten usw. ohne den Lesefluss zu stören
- Grammatik/Rechtschreibung, teilweise holprige sprachliche Ausführungen
2.4. Das Glück ist eine Frau
Eine lebendige, spannende, an Fleming angelehnte Geschichte, die durchgängig den Faden behält.
Sie erzählt zwar wenig Neues, orientiert sich dafür stark, oder gerade deshalb, an den bekannten Bildern von Büchern und Filmen, nutzt aber das gewählte Thema, um die Geschichte stimmig voranzutreiben.
Im Vergleich zu den anderen Geschichten (besonders 2.3), werden weniger Schauplätze gewählt und der Autor konzentrierte sich mehr auf die Details während des Kartenspiels und dem Handgemänge in dem Hotelzimmer.
Das Szenario des Kartenspiels ausführlicher zu beschreiben, hierbei einen großen Anteil der Geschichte zu verweilen, zudem bekanntes aufzugreifen, schriftstellerisch selbst die Kartendecks zu mischen und an die fiktiven Protagonisten zu verteilen, den Spielverlauf zu recherchieren, dabei stimmig und spannend der Langeweile „Banco“ zu bieten und die Geschichte anschließend nicht allzu sehr der Spannung zu berauben, münden in diesem Falle in ein zwar nicht spektakuläres, aber dennoch mögliches Ende.
Der Mittelteil, dem vielleicht die Geschichte den Titel zu verdanken hat, wirkt eher schwächer, was analog hierzu den gewählten Titel begründen könnte.
Obwohl auf bekanntem planmäßig aufgebaut wurde, der Titel schwächelt, die Geschichte gegenüber anderen Einfällen vergleichsweise wenig abwechlungsreiches bietet, lässt sich der Autor nicht aus der Ruhe bringen, was man der gut geschriebenen Geschichte anmerkt.
Daher ist der schwierigen Entscheidung, trotz kleinen Schwächen, eine Lösung geboren: der 1. Platz.
+ Guter, planmäßiger Aufbau, detailreich, über -, jedoch nicht gleich durchschaubar, aus wenig Handlungsabschnitten eines herausgeholt
- Grammatik, Titel, kleine Mängel in der Handlung
2.5 First Blood
Die Einleitung der Geschichte ließ auf mehr schließen und machte durchaus Appetit auf mehr.
Im weiteren Verlauf der Handlung wurden merkliche Schwächen, holprige Formulierungen, grammatikalische, orthografische und stilistische Fehler deutlich.
Die Anlehnung an CR, dessen nahezu identischen Beschreibungen der Hergänge, mit konstruierten, aber zusammenhanglos wirkenden Absätzen, konnten leider wenig Spannung und Lesefreude erzeugen.
Für die Beteiligung an der Writing Competition gibt es auf jeden Fall Pluspunkte.
Diese können die Geschichte jedoch nicht vor dem 5. Platz bewahren.
3. Rangliste
Platz 1: Das Glück ist eine Frau
Platz 2: Before You Die
Platz 3: Der Ruf der Lilie
Platz 4: The Man in the Mirror
Platz 5: First Blood
(Schwierige Entscheidung: Platz 3 und 4 hätte ich, wenn möglich, den gemeinsamen dritten Platz ermöglicht)
Film: "Die Hälfte von allem ist Glück, James. Und die andere Hälfte? Schicksal." (006/Alec Travelyan und James Bond 007, aus: "GoldenEye", 1995)
Roman: "Wen die Götter vernichten wollen, den liefern sie zuerst der Langeweile aus." (007 in: "Liebesgrüße aus Moskau", 1957)