Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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Casino Hille hat geschrieben: 29. April 2019 18:18 Eine Aneinanderreihung von Queen-Songs mit Biopic-Checkliste reicht mir nicht für 150 Minuten Entertainment und ehrlich gesagt hätte das Ding so kein Scriptpitch Meeting mit mir überlebt.
Nein, das sehe ich durchaus anders. Die Grundidee ein Biopic über Queen/Mercury zu machen halte ich nach wie vor für sehr interessant und es ist vor allem absolut typisches Peter Morgan-Material. Das Dumme ist nur, dass der fertige Film (und damit mutmaßlich das zugrunde liegende Drehbuch) genau die Schwächen vorweist, die man in einem Peter Morgan-Drehbuch/Film normalerweise nicht findet, während dafür dessen typische Stärken weitgehend durch Abwesenheit glänzen. Da zudem man Morgan keinen Credit beim Drehbuch gab, sondern ihn lediglich mit „Story by“ erwähnt, kann man wohl davon ausgehen, dass diverse der Probleme von BR (keine echte Charkaterentwicklung, kein durchgängiger dramaturgischer roter Faden, stattdessen gefühlt eine sprunghafte Aneinanderreihung von einzelnen (wenn auch meinem Empfinden nach durchaus unterhaltsamen) Szenen) nicht auf Morgans Grundidee zurückzuführen sind, sondern auf das letztendlich von Anthony McCarten zu verantwortenden Drehbuch und Singers gewohnt akzentloser Inszenierung (abgesehen von Live Aid).

Die Schärfe meiner Kritik mag vielleicht etwas verwundern angesichts der Tatsache, dass mich der Film gut unterhalten hat – allerdings sind mir deswegen die nicht wenigen Fehler halt nicht verborgen geblieben. Was mich ebenfalls gestört hat – allerdings mehr im Nachhinein als beim Schauen – ist die Art und Weise, wie Freddies Geschichte erzählt wird, nämlich – so zumindest mein Eindrurck als nur oberflächlich in der Geschichte der Band bewanderter Zuschauer – durch die wertenden Augen anderer. Zumindest konnte ich mich folgendes Eindruckes nicht verwehren:

- eigentlich wollte der arme Kerl ja viel lieber heterosexuell sein, aber was sollte er machen...

- eigentlich wollte der arme Kerl ja gar nicht jahrelang ein exzessiv-promiskuitives Leben führen, aber was sollte er angesichts des schlechten Einflusses und der Leere in seinem Leben machen…

- eigentlich wollte der arme Kerl gar keine Solokarriere starten, aber was sollte er angesichts der diablolischen finanziellen Verlockungen anderes machen…

Und diese Aufzählung liese sich noch erweitern. Ganz ehrlich: angesichts der starken Beteiligung von May und Taylor drängt sich da schon der Verdacht einer wertenden Geschichtsschreibung aus den Augen der Band auf, es fällt mir jedenfalls sehr schwer das in BR gezeichnete Bild eines charakterlich schwachen, fast vollständig fremdgesteuerten Mercury zu glauben. Meiner Ansicht nach kommt Mercury in BR charakterlich bemerkenswert schlecht weg.

Casino Hille hat geschrieben: 29. April 2019 18:18 die wohl dämlichste dramaturgische Zuspitzung aller Zeiten: Gemeint ist der Moment, als ein Executive Bedenken bezüglich der Veröffentlichung des titelgebenden Queen-Songs äußert (weil er 6 Minuten lang ist? Häää?), und nur eine Szene später der Song ein weltweiter Hit wird und von jedem Radio-Sender gespielt wird... Na, gut das das Drehbuch uns diese fiktive Szene eingebaut hat, das hat die Spannung ja mal ganz gewaltig erhöht, für etwa 32 Sekunden. :mrgreen:
Hier würde ich meine Hand dafür ins Feuer legen, dass diese Szene nicht auf Peter Morgans Mist gewachsen ist. Ich vermute sogar ganz stark, dass man die Szene nur wegen des Wayne’s World-Gags in den Film reingeschrieben hat. Zugegeben, der ist auch witzig, aber dafür eine 5-Minütige Szene zu integrieren, die auf recht unglaubwürdige Art und Weise unter Beweis stellen soll, gegen welche Windmühlen die Band auf ihrem „long way to the top if you wanna rock‘n‘roll“ ankämpfen musste ist zumindest diskutabel (zumal vermutlich ein Großteil des Publikums den Gag gar nicht kapiert bzw. sie noch nicht mal Mike Myers erkennen).


Casino Hille hat geschrieben: 29. April 2019 18:18 Furchtbar geschnittene Szene, aber bei mehrfachem Anschauen dann schon wieder unfreiwillig komisch und irgendwie witzig. :D
Nachdem ich am Wochenende das zweifelhafte Vergnügen hatte das desaströse Kollektiv-Versagen Mile 22 bestaunen zu düfen, welcher vor allem auch aufgrund seines absolut unrhythmischen, aufgekratzten Schnittes qualitativ schwer K.O. geht, fällt es mir schwer den Schnitt von BR im Allgemeinen oder im speziellen in der verlinkten Szene übermäßig hart zu kritisieren. Ja, das ist ebenfalls unrund und bricht teilweise den Ryhtmus der Szene/des Dialogs. Aber zumindest ist es nicht komplett destruktiv wie bei Bergs dilettantischem Versuch eines Hochgeschwindigkeits-Actioners.
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Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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Nur kurz zu der natürlich erfundenen BH-Szene. Es ist durchaus bekannt und es gibt da von vielen Bands Zeugnisse, dass man Songs möglichst von der Dauer her im Radiotauglichen Format halten sollte bzw. wollte, sprich unter 4 Minuten. Alles andere wurde ungern oder gleich gar nicht gespielt. Wenn man dazu nimmt, welch großen Einfluss das Radio damals auf die Hitwerdung eines Songs hatte, dann ist diese Episode zumindest popmusikhistorisch bestimmt kein Bullshit.
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Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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vodkamartini hat geschrieben: 30. April 2019 08:28 Nur kurz zu der natürlich erfundenen BH-Szene. Es ist durchaus bekannt und es gibt da von vielen Bands Zeugnisse, dass man Songs möglichst von der Dauer her im Radiotauglichen Format halten sollte bzw. wollte, sprich unter 4 Minuten. Alles andere wurde ungern oder gleich gar nicht gespielt. Wenn man dazu nimmt, welch großen Einfluss das Radio damals auf die Hitwerdung eines Songs hatte, dann ist diese Episode zumindest popmusikhistorisch bestimmt kein Bullshit.
Mir geht es hier auch nicht um die 6-Minuten-Debatte. Diese wurde seinerzeit mit dem Label bestimmt geführt, da habe ich keinen Zweifel daran, denn Radiotauglichkeit war bei Popmusik auch damals ein entscheidendes Kriterium. Und Queen hatte 75 noch keinen Status wie Pink Floyd, Deep Purple oder Led Zeppelin, die bewusst die Grenzen von Zeit und Struktur bei ihren Songs ausloteten und das auch von ihren Labels zugestanden bekamen (denen im Zweifel ein Black Night aber trotzdem lieber war als ein Child in Time). Es ist eher die Darstellung der Band während ihres Konfliktes mit dem Mike Myers-Executive. Die "dir-werden-wir-es-zeigen"-Moral dieser Szene, welche bei LiveAid dann nochmals plump bemüht wird, indem man Myers (der in 10 Jahren anscheinend keine Zeit hatte sich umzuziehen) kurz mit düsterer Miene zwischenschneidet, das ist einfach schwach und unglaubwürdig und eines von diversen Beispielen, warum für mich BR trotz allen Unterhaltungswertes als Biopic/Drama nur bedingt funktioniert.
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Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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Problem dabei, wir wissen es schlicht nicht, wie die Band in solchen Situationen reagiert hat. Vielleicht waren sie so, vielleicht auch nicht. Mich hat das gar nicht gestört, denn es wäre möglich und immerhin waren ja zwei der Bandmitglieder eng mit der Produktion verwoben. Dass da dann natürlich auch Klitterung betrieben wird, gut möglich. Aber dass man sein "Baby" (einen lange und mühsam produzierten Song) dann so gegen rein wirtschaftlich Interessierte Produzenten etc. vehement verteidigt, warum nicht? Kann da gar nichts unplausibles erkennen.
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Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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Wie gesagt, es geht mir hier weniger um den Inhalt, als wie er von der Inszenierung ans Publikum gebracht wird. Ich empfinde es durchaus als Manko des Films, dass er häufig mit dramaturgischen Vereinfachungen arbeitet. Damit meine ich nicht, dass man sich historische Freiheiten herausnimmt, sondern dass man komplexere Sachverhalte derart vereinfacht, dass es nicht mehr realistisch anmutet und daher unglaubwürdig wird. Die Mike Myers-Szene gehört da für mich auch dazu.
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Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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Das Kernproblem an dem man leicht kritisch ansetzen kann, ist der stark episodische Ansatz, das läuft zu Lasten einer durchgängigen Dramaturgie. Hier hätte man äquivalent zu den Avengers besser zwei dreistündige Filme gedreht, aber dieser exorbitante Erfolg von BH (900 Mio $ für ein 2D Biopic über eine Band der 70er und 80er Jahre!) war nicht ansatzweise abzusehen und so wollte man halt so viel wie möglich reinpacken. Kann man natürlich schon kritisieren, aber bei mir hat der Film emotional einfach total gefunkt (wofür ich sehr dankbar bin, denn das erlebe ich im Kino nur noch ganz selten), die Kombination aus Maleks Darstellung und der sehr sehr clever eingebauten Songs war einfach unwiderstehlich, Dramaturgie, Kamera, Schnitt etc hin oder her.
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Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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vodkamartini hat geschrieben: 30. April 2019 14:19 bei mir hat der Film emotional einfach total gefunkt (wofür ich sehr dankbar bin, denn das erlebe ich im Kino nur noch ganz selten), die Kombination aus Maleks Darstellung und der sehr sehr clever eingebauten Songs war einfach unwiderstehlich.
Ja, ging mir genauso. Der Film ist einfach eine Wucht! Klar, kann man (wenn man Lust hat) den Film zu Tode analysieren und sich das ein oder andere rauspicken, was einem nicht so recht in den Kram passt, aber man kann sich auch einfach ins (Heim-)Kino setzen und einen super Film über die (meiner Meinung nach) beste Band der Welt genießen. :D
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"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."

Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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Casino Hille hat geschrieben: 29. April 2019 18:18 Dass ich eine derart von der Historie abweichende biographische Verfilmung zwar generell als fragwürdig betrachte, die filmisch imo sehr niedrige Qualität von Bohemian Rhapsody für mich aber äußerst wenig mit diesem Umstand zu tun hat. Meinetwegen hätte man auch noch weiter vom Ursprung wegkönnen (obwohl kaum noch möglich), sofern ein guter, spannender Film dabei herausspringt.
Und ich habe genau wegen dem echten Mercury Probleme mit dem Film oder besser gesagt mit dem Duo May/Taylor. Deacon hat sich nach Mercurys Tod zurück gezogen, da somit für ihn auch Queen gestorben ist. Das erlebte ich genauso, für mich war es unvorstellbar, dass Queen weiter macht, aber genau das taten die Herren May und Taylor, was mich tief enttäuscht hat.
Freddie ist nicht ersetzbar und die beiden hätten meinetwegen eine andere Band zusammen gründen können, aber Queen dazu zu mißbrauchen weiterhin Geld zu scheffeln, ist in meinen Augen das Letzte.
Casino Hille hat geschrieben: 29. April 2019 18:18 Furchtbar geschnittene Szene, aber bei mehrfachem Anschauen dann schon wieder unfreiwillig komisch
Einfach nur grausam schlecht. :(
"Lasst mich mit Eurer Meinung in Ruhe. Ich diskutiere nur Fakten, die ich selber als solche definiere."

Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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DonRedhorse hat geschrieben: 30. April 2019 19:58 Hab mir neulich erst "A Night in the Opera" besorgt und bin begeistert. Kannte Queen seither nur aus dem Radio und von der "Greatest Hits 1". Da gibt es noch viel zu entdecken.
Ja, ANATO (ohne lGogol) ist ein cooles Album, vielfältiger, als die späteren Festzelt-Mitstampf-Gassenhauer von Queen. Mein einziges Queen-Album.
We'll always have Marburg

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Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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Starlight hat geschrieben: 30. April 2019 21:54 Und ich habe genau wegen dem echten Mercury Probleme mit dem Film oder besser gesagt mit dem Duo May/Taylor. Deacon hat sich nach Mercurys Tod zurück gezogen, da somit für ihn auch Queen gestorben ist. Das erlebte ich genauso, für mich war es unvorstellbar, dass Queen weiter macht, aber genau das taten die Herren May und Taylor, was mich tief enttäuscht hat.
Und was genau hat das mit dem Film zu tun?

Ich kann übrigens die meisten Kritikpunkte hier absolut nachvollziehen, der sehr freue Umgang mit den tatsächlichen Tatsachen störte mich auch ein wenig, und die angebrachte Szene ist wirklich furchtbar geschnitten, aber insgesamt hat der Film mich einfach völlig intensiv beeindruckt, ich kann gar nicht genau beschreiben, woran das lag.

Edit: Irgendwas ist hier mit den Zitaten völlig durcheinander, aber ich weiß nicht, woran das liegt.

Edit 2 by Casino Hille: Ich habe das Zitat-Durcheinander mal in Ordnung gebracht.
"Hiermit kündige ich meine Mitgliedschaft!" - "Wir sind kein Countryclub, 007!"

Re: Der Queen / Freddie Mercury Thread

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In der Tat seltsam.

Aber versucht doch einfach generell, nicht immer so ausschweifend zu zitieren. Hille und ich haben uns sowieso kürzlich darauf geeinigt, Beiträge, die den gesamten oberen Post in voller Länge zitieren, zu kürzen (also das Zitat, nicht den Antwortbeitrag). Wir haben eine tolle Funktion, durch die man per Klick auf das Zitat sofort zum Originalbeitrag springen kann. Wenn ihr zitiert, dann reichen eigentlich meistens einzelne Sätze, oder Anfang- und Schlusssatz mit einem […] dazwischen. Oder lasst zum Beispiel Schachtelzitate bleiben, zitiert also nur den Text des letzten Users in der Diskussion.

Das dient auch unabhängig von dieser komischen Störung da oben der Übersichtlichkeit.

Gez.
Der Moderator für Gross und Klein.
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