Es folgt ein Gastbeitrag eines alten Bekannten
danielcc hat mich gebeten, seine Rezension zum neuen Bondroman zu posten. Dem komme ich natürlich gerne nach. Viel Spaß:
Forever And A Day, Anthony Horowitz, 2018
Mit den James Bond Romanen der letzten Jahre ist das so eine Sache.
Mal spielten sie in der Gegenwart, mal in der Vergangenheit, mal fühlten sie sich gar nicht wie Flemings Bond an, und zuletzt waren sie direkt in die Fleming Chronologie integriert.
Mehr noch, Anthony Horowitz konnte für seinen Bond-Erstling „Trigger Mortis“ sogar auf original Fleming Material zurückgreifen, und es gelang ihm fast eine perfekte Kopie des Fleming’schen Stils.
So darf Horowitz nun ein weiteres Mal ran und wieder konnte er ein Kapitel aus nicht verwendeten Restbeständen des Bonderfinders einbauen.
Zudem gelang in gewisser Weise ein Marketing Clue: So titelt der Roman etwas großspuring „How it all began“ und mehr noch „The explosive prequel to Casino Royale“. Aus Marketing Sicht also alles richtig gemacht: Prequels und „... Begins“ sind grade en vogue, und die besondere Bedeutung von Casino Royale hat auch der letzte Nicht-Fan inzwischen wohl mitbekommen.
Doch wie viel Substanz steckt hinter der Marketing Fassade?
Wie immer gibt es Licht und Schatten doch um geich eines vorweg zu nehmen: Forever And A Day (FAAD) fühlt sich mehr nach Fleming an als alle Romane der letzten Jahre, und vielleicht sogar mehr als Flemings spätere Werke. Horowitz gelingt eine perfekte Kopie dessen was Fleming (bei aller womöglichen literarischen Durschnittlichkeit seines Werkes) auszeichnete. Bei genauer Betrachtung zeigt der Roman sogar, wie wenig dafür eigentlich nötig ist – in der Beschränkung liegt die Kunst. FAAD ist sowohl „back to the roots“, als auch „reduce to the bare essentials”. Was heißt das?
„Back to the roots“:
Horowitz setzt seinen Roman vor die Ereignisse von Casino Royale, was wie gesagt ein interessanter Schachzug ist. Zum einen kam das Konzept ja schon beim ersten Daniel Craig Film gut an, zum anderen erlaubt es Horowitz in unzähligen Details geschickt mit dem Wissensvorsprung der Fans zu spielen. Da werden immer wieder Charaktereigenschaften des späteren Bonds angedeutet, eingeführt, oder zunächst als noch nicht ausgeprägt dargestellt. Purer Fan Service also - aber doch so dezent, dass es nicht störend auffällt sondern Spaß macht. Nicht alles mag überzeugend oder glaubwürdig erklärt sein, aber doch ist es immer wieder unterhaltsam zu erfahren, warum der spätere Bond den wir kennen, etwa eine bestimmte Marke Zigarretten raucht, was es mit seinem geliebten Bentley auf sich hat, warum der Martini geschüttelt sein muss, etc. Besonders schön fand ich die kleine aber feine Begründung für Bonds berühmte Agentennummer.
Da der Roman auch in der original Zeit spielt (50er), bringt Horowitz auch hier das echte Fleming Feeling zurück, und das ohne dass der Roman auffallend unmodern erscheint. Zwar bringt der Autor viel geschichtlichen Background mit ein (offensichtlich kommt Bond aus dem Kriegsgeschehen), aber über weite Strecken vermeidet es Horowitz Dinge zu nennen, die die Story antiquiert erscheinen lassen würden (es wird kaum über Technologie gesprochen).
„Reduce to the bare essentials“:
Hier sind wir wiederum bei einem Punkt, der mich selbst überrascht hat beim Lesen. Horowitz erzählt eine denkbar simple Geschichte. Bond bekommen einen Auftrag, reist zum Ort des Geschehens, trifft 4 Leute die irgendwie relevant sind, erkennt den Plan des Bösewichts, und vereitelt diesen. Es gibt kaum Überraschungen, es gibt kein schmückendes Beiwerk, nichts erscheint überflüssig. So einfach kann Bond sein – und wer weiß, dass mir eben grade Filme wie Dr. No gefallen mit ihrer simplen Struktur, der wird verstehen, warum mir FAAD so viel Spaß gemacht hat.
Auch Action gibt es in den ersten zwei Dritteln praktisch nicht. Erst im letzten Drittel wird an der Actionschraube gedreht.
Es geht aber nicht nur darum, was der Schreiber weglässt. Es geht vielmehr um das, was er dadurch ins Zentrum stellen kann: Den Charakter Bonds und die jeweiligen Interaktionen mit den wenigen anderen Figuren, und hier beweist Horowitz seine Klasse. Bei jeder Geste, jedem Gedankengang, jeder Aussage im Roman kann ich mir den jungen Daniel Craig als idealen Darsteller des Bonds im Roman vorstellen. Das passt! Humor und Sarkasmus blinzeln durch, werden aber nie zum Selbstzweck. Teilweise ist ds Geschehen oder die Sprache hart, aber so muss es sein.
Welches sind also die Schattenseiten?
Zunächst mal wirkt all das tatsächlich etwas zu simpel. Man könnte Horowitz auch fehlende Kreativtät oder Rafinesse vorwerfen
Doch schlimmer als das ist, dass man fast alles so oder ähnlich bei Bond schon gelesen oder gesehen hat. Es scheibt fast so, als habe er die Bondfilme gar nie gesehen, sonst wärem ihm wohl selbst die Ähnlichkeiten zu dumm gewesen. Ein paar Beispiele:
Der Plan des Bösewichts entpupput sich als nahezu 1 zu 1 Kopie eines anderen Romans bzw. dessen filmischer Umsetzung!
Das Eindringen in eine Chemiefirma unter dem Vorwand Chemikalien beziehen zu wollen gab es fast genau so im YOLT
Eine Kasinoszene direkt „vor“ dem Roman Casino Royale?
Zwei (besonders spannende) folterartige Sequenzen erinnern an ähniliche Szenen in CR, GF, SP,...
Manche Dinge wirken auch all zu Schablonen haft:
Haupt-Bondgirl die eine besodnere Bedeutung für Bond hat? Check
Neben Girl dass als Opferlamm endet? Check
Bösewicht mit spezieller Neigung? Check
CIA Kontaktmann? Check
Vor allem aber ist die Aussage „how it all began“ ein wenig übertrieben. Genau genommen macht Horowitz noch mal genau das, was schon der CR Film tat. Er behauptet in einem anfänglichen Kapitel eine Art „Anfang“, zeigt dann aber fast alles so wie es immer war, streut nur hier und da Fan-Service Dinge ein, die zeigen, dass der Bond hier noch nicht 100% der ist, den man kennt. In gewisser Weise fühlt sich FAAD so an, als sei er schon geplant gewesen bevor es den CR Film gab. Die kurze „Vorgeschichte“ könnte man bequem auch in die PTS von CR integrieren, und es würde nichts ändern. Zudem erzählt Horowitz noch ein mal die Morde die als Qualifikation zu Bonds Doppelnull Status führen.
Alles in allem, eine schöner, kurzer, spanneder Roman im perfekten Fleming Stil. Ich habe ihn in 3 Tagen im Urlaub am Pool „konsumiert“, und dazu den ein oder anderen Cocktail– und genau so sollte man ihn genießen.
Von den Romanen der letzten 10 Jahre (Devil May Care, Carte Blanche, Solo, Trigger Mortis) wahrscheinlich sogar der Beste. Gerne noch ein weiterer Roman von Anthony Horowitz.