craigistheman hat geschrieben: 28. Oktober 2021 13:47
Und ich wollte an deinen Post anknüpfen, in dem du schreibst, dass alles was nicht unmittelbar dem Film zu entnehmen sei, “erbärmlich” umgesetzt wurde. Das bezog sich, wenn ich mich recht entsinne auf das Ende von NTTD und auch auf Safins Motivation.
Das bezog sich, wie ich ausdrücklich schrieb, ganz grundsätzlich darauf, wenn Filme bestimmte Inhalte nicht in sich selbst ausbuchstabieren, sondern erwarten, dass ich dafür Sekundärliteratur zur Hand nehme. Safins Motivation in NTTD interessiert mich nicht und was da in irgendeinem Buch zum Film steht, interessiert mich noch weniger, also: Nein, das war ganz und gar nicht überhaupt auf NTTD bezogen, sondern ein Allgemeinplatz zum Thema "Erklärungen in Sekundärliteratur auslagern". Wenn ich mich recht entsinne, hatte das auch nix mit Safin zu tun, sondern mit diesem Säurebad, in dem der komische Emmerich-Doktor aufgelöst wird. Da fällt im Film meines Wissens kein Satz dazu, was und warum das da ist und wenn das wirklich ausschließlich in irgendeinem Beiheft erklärt wird, fänd ich das schon arg schwach und lausiges Storytelling (bzw. eigentlich ist es dann gar kein Storytelling).
Aber selbst wenn Safins Motivation im Film mit keinem Wort Erwähnung fänd und nur in einem Audiokommentar oder einem Making-Of-Buch genannt werden würde, wäre damit ja trotzdem die Intention geklärt, mit der die Autoren die Figur angelegt haben. Gut finden täte ich es nicht, aber ich könnte kaum abstreiten, dass das, was die Autoren da sagen, eben das ist, was für die Autoren die "Wahrheit" über diese Figur ist. Grundsätzlich gilt für mich: Was nicht im Film ist, ist nicht im Film. Trotzdem können ja definitive Aussagen über das gemacht werden, was die Autoren angedacht und konzipiert haben. Wenn Purvis und Wade sagen: "Elektra ist die erste Frau seit Tracy, in die Bond sich verliebt", dann glaube ich ihnen, dass das die Intention war. Alles andere habe ich mit keiner Silbe hier geschrieben. Wenn du da zwischen Bond und Elektra nix erkennst: Okay. Hier fühlen ja auch genügende keine echte Chemie zwischen Bond und Tracy oder zwischen Bond und Madeleine. Andere dafür äußern gerne, dass Bond und Kara in TLD mehr verbindet als die übliche "Bond und seine Girls"-Beziehungen. C'est la vie! Wenn wir aber darüber diskutieren, was hinter den Kulissen der Gedanke von EON war (und laut Daniel versuchte man seit FYEO, Bond persönlicher und emotionaler werden zu lassen), auf was bitte schön sollen wir dann schauen, wenn nicht explizit auf deren Intentionen?
craigistheman hat geschrieben: 28. Oktober 2021 13:43
Ist das jetzt gespielte Ignoranz um einen rhetorischen Effekt zu erzielen? Ihr schreibt doch die ganze Zeit von der geöffneten Büchse der Pandora, und dass jetzt Möglichkeiten entstehen, die zuvor kategorisch auszuschließen waren usw., dass es die Figur nachhaltig beschädigt...
Keine Ahnung, was du meinst. Wer ist überhaupt "Ihr"? Ich habe hier mehrfach ausdrücklich geschrieben, dass ich mit einem Tod von Bond kein Problem habe (auch wenn ich es konzeptionell schwierig finde), sondern mich bei NTTD einzig und allein die Umsetzung stört, die ich in vielfacher Hinsicht miserabel finde. Meinetwegen können sie ihn in jedem Film über den Jordan gehen lassen, sofern es passt, gut umgesetzt wird und bei mir eine positive Reaktion auslöst. Ich bin da nicht groß dogmatisch und seit der Craig-Ära ist der Film-Bond soweit weg von der Identität, die für mich den Reiz der Filme ausmacht, dass ich mich da entspannt zurücklehne und "es einfach passieren lasse". Ein Problem habe ich mit faulem Storytelling, kitschigen Dialogen, pathetischem Zuckerguss und mieser Dramaturgie.
Ich finde aber dennoch, dass die Sichtweise von zum Beispiel Vodka sehr gut nachvollziehbar ist und ich weiß genau, was er mit Büchse der Pandora (die Formulierung stammte übrigens ursprünglich von mir, und war ein Verweis darauf, was ich glaubte, wie es viele Fans empfinden werden – und wieder damit ausdrücklich nicht meine eigene Empfindung dieser Causa) meint und muss sagen: Jeder OHMSS-Vergleich schießt da am Ziel vorbei. Wenn Vodka vom Mythos James Bond spricht, dann spricht er vom Mythos der Figur im Hier und Jetzt, nicht im Jahr 1969. Als OHMSS erschien, gab es erst fünf (bzw. ab dann sechs) Bond-Filme, die nach einem großen internationalen Hype sich gerade als Teil der Popkultur etabliert hatten. Ein Mythos bestand damals nicht und OHMSS konnte diesen deshalb auch überhaupt noch gar nicht beschädigen, sondern war noch Teil des Entstehungsprozesses von eben diesem. Deshalb wundert es auch kaum, dass er (obwohl er über Jahrzehnte als Ausnahmefall der Reihe galt, was bereits einiges aussagt) heute ohne mit der Wimper zu zucken von "neuen und jungen" Fans der Filme als Teil der Bond-Historie akzeptiert wird. Aber selbst die aktuelle Rezeption des Films betont stets seine Ausnahmestellung innerhalb der Reihe, also bleibt OHMSS immer noch ein Film, der ein wenig außenvor bleibt, nie ganz ein Teil des Kollektivs geworden ist.
Daher verstärken die OHMSS-Vergleiche für mich eher den Eindruck, dass Vodka im Kern Recht hat. In NTTD wird um ein Vielfaches potenziert noch viel stärker mit den Gesetzmäßigkeiten der Bond-Reihe jongliert und gebrochen als in OHMSS und selbst der ist nach über 50 Jahren noch immer ein "Außenseiter" des Franchise, wenn auch mittlerweile ein sehr geschätzter. Nur das NTTD das in einem Umfeld leistet, in dem die Antizipationen an diese Reihe ein 50 Jahre größeres Vermächtnis miteinschließen als Ende der 60er Jahre. Da kommen wir dann wieder da an, was ich vor einigen Tagen schrieb: Jeder Fan ist letztlich Fan von etwas, insbesondere im Filmbereich, weil er eine bestimmte Stimmung, eine gewisse Tonalität, die sich durch das Gesamtwerk zieht, schätzen gelernt hat. Bei Bond gehen die Vorstellungen davon, wie genau sich diese Tonalität anzufühlen hat, sehr weit auseinander. Also ist es klar, dass bei einem kontroversen Film wie NTTD für die einen gar kein Bond-Feeling aufkommt und es für die anderen im Übermaß vorhanden ist. Recht haben am Ende alle Seiten.