Ach, jetzt habe ich weiter oben in meinen Ergüssen gar nicht angemerkt, worauf ich hinauswollte. Dann hole ich das mal flott nach:
Villeneuve ist ein talentierter Regisseur, und sein handwerkliches Können ist ohne Zweifel enorm. Ich bin natürlich nicht vom Fach, aber ich erlaube mir einfach mal zu beurteilen, dass Villeneuve auf gehobenem Niveau mit Bild und Ton umgehen kann. Vor allem atmosphärisch gibt es bei seinen Sachen nichts zu meckern. Mir missfällt diese seelenlose, sterile Digital-Optik von "Blade Runner 2049", und wie leer der Film ästhetisch auf mich wirkt, aber ich kann nachvollziehen, wenn hier jemand eine greifbare Atmosphäre verspürt und sich davon einnehmen lässt. Da ist Villeneuve sehr gut drin, und inszeniert stimmig (oder meinetwegen: kohärent). Aber seine Filme stehen und fallen mit ihrer Substanz, oder böse formuliert: Das ist schon arg dünn, was er da in einigen Filmen zu erzählen hat. Wichtigtuerisch ist da ein guter Begriff von meinem liebsten Mod-Kollegen, so wirken einige seiner Sachen in der Tat auf mich. Das liegt daran, dass einige seiner Filme ein Minimum an Handlung (oder besser: ein Minimun an Inhalt) auf sehr schwerfällige, ambitionierte Art und Weise erzählen – was auf mich den Eindruck macht, dass mir Wasser als Wein verkauft werden soll.
Ich weiß noch, wie sehr ich mich über "Enemy" geärgert habe, weil der einen dermaßen dürftigen und pointenlosen Plot zur bahnbrechendsten Geschichte aller Zeiten aufplustert (wenn man versteht, was ich meine), und dabei bei mir maximal prätentiös ankommt. Bei der für viele berühmten und für mich "berüchtigten" Schlussszene war ich dann ein wenig fassungslos. Mein Lieblingsmensch sagte hinterher: "Sowas kommt wohl dabei raus, wenn eine Gruppe Filmstudenten entscheidet: 'Wir machen jetzt mal was mit Kunst'." Das fand ich dann sehr treffend. Bei "Blade Runner 2049" ist es ja auch vor allem der maximal eindimensionale Plot, der den Film für mich zum großen Langweiler macht, und der dann in Kombi mit einer bedeutungsschwangeren Darstellungsform bei mir eine "Rote Tuch"-Wirkung erzeugt.
Die Villeneuve-Filme, die ich mag, sind dann die, die aus verschiedenen Gründen diesen Defizit ausgleichen. Bei "Sicario" hat Villeneuve das Drehbuch des unfassbar starken Autoren Taylor Sheridan verfilmt, und das ist spürbar, denn Sheridans Stil und Tempo sind im ganzen Film gleichberechtigt zur Handschrift Villeneuves erkennbar. "Sicario" ist ein starker Stoff, und er passt sehr gut zu Villeneuve und seiner Bildsprache. Best of Two Worlds, sozusagen. "Polytechnique" ist herausragend, weil der Film selbst einzig und allein auf seine Darstellung einer Ausnahmesituation fokussiert ist, weil er nichts als Immersion transportieren muss. "Polytechnique" ist wenn man so will nur "Film", kaum "Storytelling" und dafür ist Villeneuve bestens geeignet.
Deshalb bleibe ich optimistisch bei "Dune", denn der Stoff, der hier verfilmt wird, ist der des Romans – und der bietet so viel an "Inhalt", an "Plot" und auch an "Bedeutung" (um es etwas schwülstig auszudrücken), dass da jeder mittelmäßig begabte Drehbuchautor einen interessanten Film draus basteln kann. Die Story existiert bereits und sie lässt sich ohne große Anstrenung so aufbereiten, dass sie auch viel hergibt, vor allem aber liefert sie selbst bei einfachster Direktadaption die nötige Substanz, die mir in manchen Villeneuve-Filmen schmerzlich fehlt.
GoldenProjectile hat geschrieben: 3. September 2021 15:18
Was hältst du von Incendies? Der ist dann für mich wiederum ein sehr lebendiger und natürlicher Film.
Ist meine Villeneuve-Lücke, und sein einziger Film ab "Polytechnique", den ich nie gesehen habe.