Welcher Film von Denis Villeneuve ist der beste?

Der 32. August auf Erden (Keine Stimmen)
Maelström (Keine Stimmen)
Polytechnique (Keine Stimmen)
Die Frau, die singt - Incendies
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (20%)
Prisoners
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (20%)
Enemy (Keine Stimmen)
Sicario
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (40%)
Arrival
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (20%)
Blade Runner 2049 (Keine Stimmen)
Dune: Part One (Keine Stimmen)
Dune: Part Two (Keine Stimmen)
Dune: Part Three (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 5

Re: Die Filme von Denis Villeneuve

31
Ist halt die Frage, Nick, ob Clockwork Orange ein cineastisches Meisterwerk ist. Da kann man durchaus geteilter Meinung sein.

Villeneuve finde ich als Regisseur auch nicht wirklich interessant, was ich bisher von ihm kenne sogar ziemlich leblos, aber Arrival werde ich mir wohl dennoch ansehen!
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme von Denis Villeneuve

33
Komme gerade aus "Arrival". Und auch von mir gibt es fast nur positives zu berichten. Der Film startet interessant, aber noch recht gewöhnlich, steigert sich aber von Minute zu Minute und zieht den Betrachter immer stärker in seinen Bann.
Denis Villeneuve schafft es eine Spannung aufzubauen die konstant hoch gehalten wird, und erzählt, trotz der scheinbar bombastischen Thematik, eine recht kleine Geschichte mit großartigen Bildern. Es muss nicht immer laut krachen und explodieren, wenn man eine Alien-Geschichte erzählt, Villeneuve erzeugt eher durch kleine Szenen, ein perfektes Timing und großartige Dramaturgie eine Spannung, die einen in den Kinosessel drückt. Anfangs stören kleinere Sequenzen und man fragt sich, wozu "Arrival" diese nötig hat, doch in der letzten halben Stunde fügt sich alles hervorragend zusammen und eröffnet eine völlig neue Ebene, eine neue Thematik, ohne die vorhergehenden Gedankengänge über den Haufen zu werfen. Dabei bleiben auch (bewusst) einige Fragen offen, oder zumindest nicht ganz geklärt, manches bleibt verwirrend, doch das unterstreicht eigentlich nur die Story.
Der Cast liefert eine hervorragende Leistung ab. Amy Adams überzeugt als Hauptdarstellerin und verkörpert ihre Figur durchgehend glaubhaft und mit der nötigen Tiefe. Jeremy Renner bringt einen Schuss Humor in die Handlung und erinnert in seiner Darstellung (und von seinen Gesichtszügen) manchmal an Daniel Craig. Forest Whitaker ist schon durch seine Ausstrahlung eine hervorragende Besetzung und berreichert die Geschichte weiter.
Jedem, der nach den Trailern ansatzweise Interesse hatte, rate ich, sich Arrival im Kino anzusehen. Eines der Kinohighlights in diesem Jahr und so ordne ich mich bei meiner Wertung genau zwischen HCN007 und vodkamartini ein:

9/10
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Re: Die Filme von Denis Villeneuve

34
Casino Hille hat geschrieben:Ist halt die Frage, Nick, ob Clockwork Orange ein cineastisches Meisterwerk ist. Da kann man durchaus geteilter Meinung sein.

Villeneuve finde ich als Regisseur auch nicht wirklich interessant, was ich bisher von ihm kenne sogar ziemlich leblos, aber Arrival werde ich mir wohl dennoch ansehen!
Was meinst du mit leblos? Kubrick-unterkühlt? Oder belanglos?
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Die Filme von Denis Villeneuve

36
vodkamartini hat geschrieben:Was meinst du mit leblos? Kubrick-unterkühlt? Oder belanglos?
Ich habe nur Prisoners gesehen, aber der war mir emotional zu kalt und visuell zwar verspielt, aber zu mechanisch, zu gezwungen. Die Einzelszenen haben sich nicht so recht zu etwas größerem zusammen gefügt.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme von Denis Villeneuve

37
GoldenProjectile hat geschrieben:Warum läuft der Film bei euch schon? Unfair...
Dafür läuft bei mir "Deepwater Horizon" nicht, obwohl der Trailer vor jedem anderen Film kam. Den hätte ich auch gerne gesehen. Aber besser als Arrival wird er kaum sein.
"You only need to hang mean bastards, but mean bastards you need to hang."

Die Erkenntnis ist nur ein Resultat der Ankunft...

38
Arrival

Es ist ein wesentliches Merkmal der postmodernen Kunst im Film, dass sie nicht nur eine große Intertextualität birgt, sondern sich maßgeblich der Praxis des Zitierens verschreibt und eigentlich niedere Genres aufwertet, klassische Genreparameter außer Kraft setzt und in einer fast schon exzesshaften Herangehensweise eine demonstrative Künstlichkeit zur Schau stellt, die Arthouse-Richtungen mit Popeinflüssen vermengt. Wenn im 2016er Sci-Fi-Film "Arrival" 12 karge Raumschiffe sich an verschiedensten Orten der Welt wie zufällig positionieren, eine weltweite Massenpanik auslösen und nur eine Handvoll fachbezogener Experten zur Hoffnung der Menschheit werden, erinnert dies an zahlreiche Invasionsfilme, innerhalb der jüngeren Filmgeschichte am ehesten an Roland Emmerichs 20 Jahre zuvor erschienenen bildgewaltigen "Independence Day". Doch obgleich das Drehbuch zu "Arrival" auf der Kurzgeschichte "Story of your Life" des Autoren Ted Chiang basiert, ist es auch ein Cocktail aus unzähligen Genreeinflüssen von Visionären wie Isaac Asimov oder Philip K. Dick bis zu Harlan Ellison und den oft trashigen TV-Episoden der 60er Jahre Serie "Twilight Zone".

Der viel beachtete Regisseur Denis Villeneuve verneigt sich in seiner etwa 2 Stunden langen Erzählung immer wieder vor der klassischen philosophischen Science-Fiction, zitiert und plagiiert sich durch einen Berg an Genrevorbildern, ist in seiner schlussendlichen Ausrichtung aber am ehsten mit dem ebenfalls 2016 erschienenen impressionistischen Schneewestern "The Revenant" vergleichbar. Wie Alejandro G. Iñárritu predigt auch Villeneuve die suggestive Kraft der Entschleunigung in seinen Bildern und setzt zwischen dem extremen Kontrast von beängstigenden Größenverhältnissen und klaustrophobischen Engen stets das menschliche Handeln in den Vordergrund. Villeneuve fokussiert sich in exzersiver Auskostung von Ruhe und Intensität ganz auf Amy Adams starkes Minenspiel als Protagonistin, deren persönliche Entwicklung (die durch eine in der Exposition vorgebene Fallhöhe bereits vorher bestimmt wird) auf ganz intime Art mit dem Erstkontakt zu den Außerirdischen verbunden ist, auch wenn sich dieses labyrinthisch erzählte Geheimnis erst nach und nach narrativ entwirren lässt. "Arrival" tritt kompakt entschlankt auf, reduziert sich voll und ganz auf seine Aktuerin. Das Erleben der Umwelt des Kontakts mit einer außerirdischen Zivilisation bleibt nur am Rande thematisiert, das weltpolitische Poltern der Staatsoberhäupter verkommt zum nur seiner Notwendigkeit wegen enthaltenen Spannungskatalysator, spielt für die Regie jedoch keine besondere Rolle.

Lieber stellt "Arrival" die großen Fragen nach dem wahren Kern von Menschheit in einem Universum, in dem "wir" nicht mehr die einzigen denkenden Individuen sind und betont den Wert der Sprache und nonverbalen Kommunikation. Selbstredend will Villeneuve dies als Essay-haften Kommentar zur derzeitigen gesellschaftlichen Globalisierungsskepsis wissen, wenngleich der Mehrwert seiner recht konstruiert erscheinenden "Moral von der Geschicht'" zwar den Vorbildern gemäß frontal präsentiert wird, damit aber auch an Wirkung verliert. Spannung weiß er durch die permanente Unwissenheit von Zuschauer und filmischen Bezugspersonen zu erzielen. Das Ziel der extraterrestrischen Touristen bleibt lange im Verborgenen, das erste Aufeinandertreffen von Mensch und "Heptapoden" gerät gar zu einer ambivalent gehaltenen Begegnung, bei der auf beiden Seiten die Gleichberechtigung der jeweiligen Wesen hinterfragt scheint. Mit zwei Wissenschaftlern im erzählerischen Mittelpunkt bleibt auch "Arrival" trotz zwischen durch eingeschobenen Thrill-Sequenzen ein nüchtern gestalteter und bebildeter Film, der in seinen naturalistischen Panoramaaufnahmen fast schon wieder steril erscheinen mag. Wie ein Zugeständnis an das Massenpublikum wirkt die Herleitung der einzigen obligatorischen Detonation im Film, wobei man hier genauso auch deuten könnte, Villeneuve wollte das Leitmotiv der Kommunikation durch eine filmisch gängige Sprache nutzen, um mit dem gemeinen Kinogänger in Kontakt zu treten. Tatsächlich bleibt sein Film stets ein von außen betrachtetes Konstrukt ohne gewollten emotionalen Zugang, dass selbst in seinen zwischenmenschlichen Momenten bis auf den etwas erzwungenen selbstironischen Touch der Figur von Marvel-Star Jeremy Renner eher kalt und leblos bleibt.

Passend dazu übertönt Komponist Jóhann Jóhannsson mit seinem Soundtrack den Film eher, als dass er ihn kommentiert oder unterstreicht. Einen Kommentar erlauben sich Musik oder Regie nur durch Auslassung eines eben solchen, während sich ihre Spielereien zum reinen Selbstzweck einen Einfluss auf den Betrachter bemächtigen. Immer später erst formuliert "Arrival" langsam und (zu?) selbstbewusst sein eigentliches Anliegen, will sich weniger als Film über Kommunikation als über die Zeit verstehen und über das Schicksal beziehungsweise die Selbstbestimmung des Menschen im Falle einer konkreten Prophezeiung. Die damit einhergehenden tonalen Anklänge im letzten Akt wirken jedoch nicht ausreichend vorbereitet und ihrer offensiven Enthüllung zu aufgelöst und eindeutig. Villeneuve verpasst die Chance, die von ihm erwähnte Sapir-Whorf-Hypothese, nach der Denkmuster von Sprachen beeinflusst werden, früh genug als starkes Motiv zu etablieren, um sich zum Abschluss eine Offenheit zu bewahren, die aus "Arrival" einen nachhallenden Film mit Wiederschauwert gemacht und der gesetzten Sperrigkeit ein überzeugendes Subjet verliehen hätte. So wirkt das eindeutige Ende wie ein Kompromiss und erinnert an den Moment des Films, in dem Renners Charakter den beiden Aliens die Namen Abbott und Costello gibt, in Anlehnung an das legendäre Komiker-Duo der 1940er. Es zeigt sich einerseits der Drang, eine zwanghafte Fixierung unterzubringen, wie andererseits auch der Willen, durch einen (durchaus) geschickten Ausweg die eigentlichen Wahrheiten zu kostümieren oder in Villeneuves Fall zu entkleiden.

Fazit: "Arrival" ist ein interessanter Genrebeitrag des kanadischen Regie-Kritiker-Lieblings mit einer starken Hauptdarstellerin, der in bester Tradition postmoderner Kunst wie ein eigenwillig arrangiertes Potpurri zahlreicher Sci-Fi-Einflüsse daherkommt und für den Genrefan somit durch seine unzähligen Referenzen (besonders eindeutige filmische Vorbilder finden sich in Andrei Tarkowski und Stanley Kubrick) bereits den Kinogang wert ist. Alle anderen stehen vor einer gleichsweise nüchternen wie analytischen Dekonstruktion im Spiel mit den Erwartungen, die sich selbst im Schlussteil deutlich wichtiger und innovativer nimmt, als sie tatsächlich ausfällt.

6/10
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme von Denis Villeneuve

39
Interessanter, kluger Text mit diskussionswürdigen Ansätzen. Kann vieles nachvollziehen, sehe es aber insgesamt positiver. War kurz nach Kinobesuch ebenfalls bei 6/10, hat sich dann aber im Zuge der Nachbetrachtung nach oben korrigiert. Ein offeneres Ende hätte für mich keinen Mehrwert gehabt, auch so bieten sich genügend Möglichkeiten noch länger gedanklich hängen zu bleiben.
Kubrick ist sicher erkennbar, wenn auch nicht dominant. Bin ja bekanntlich kein Freund von 2001 und Arrival hat mir gut gefallen. Die Parallelen zum imo schwächeren "The Revenant" sehe ich so nicht, gerade im Hinblick auf Entschleunigung wird der "Western" doch erheblich deutlicher. Auch den Vorwurf des Kalten und Leblosen würde ich für mein Empfinden zurück weisen, da der Film für mich durchaus auch emotional funktioniert hat. Ein solches Manko emfinde ich dagegen regelmäßig bei Kubrick, den ich für sehr steril und kalt halte und auch bei Nolan. Der nicht ganz unähnliche Interstellar funktioniert imo auf der Gefühlsebene gar nicht, ein Problem, das sich wie ein roter Faden durch Nolans Werk zieht.
http://www.vodkasreviews.de

https://ssl.ofdb.de/view.php?page=poste ... Kat=Review

Re: Die Filme von Denis Villeneuve

40
vodkamartini hat geschrieben:Kubrick ist sicher erkennbar, wenn auch nicht dominant.
Tarkowskis Einfluss dürfte dann auch noch mal deutlich größer gewesen sein, aber da Arrival ohnehin so viele gängige Genremuster und Elemente aufgreift, ist es wohl nicht schwer, noch unzählige weitere (filmische) Vorbilder zu benennen (persönlich fühlte ich mich sehr häufig an The Day the Earth Stood Still von Robert Wise erinnert). Und auch Roland Emmerich kann man als Vorbild nicht gänzlich abstreiten, auch wenn "Arrival" dann eher die Antithese zur schwäbischen Krawallorgie darstellt. :wink:
vodkamartini hat geschrieben:Die Parallelen zum imo schwächeren "The Revenant" sehe ich so nicht, gerade im Hinblick auf Entschleunigung wird der "Western" doch erheblich deutlicher.
Revenant ist da etwas radikaler, aber ich finde schon, dass beide Filme durch ihren sehr impressionistischen Charakter gefühlstechnisch zumindest verwandt sind. Aber bezüglich des Tempos kann man geteilter Wahrnehmung sein und ich verstehe, wenn dir der Revenante dann doch eine Spur langsamer und meditativer vorkam.
https://filmduelle.de/

Let the sheep out, kid.

Re: Die Filme von Denis Villeneuve

44
Arrival
Bislang konnte ich mit Villeneuves Filmen wenig anfangen, gerade den Hype um "Sicario" kann ich nicht nachvollziehen, aber "Arrival" hat mir überraschend gut gefallen. Meiner Meinung nach passt hier Villeneuves ruhiger Erzählstil sehr gut zur Thematik, dasselbe gilt auch für Jóhannssons Score, welcher hier nicht aufdringlich wirkt, sondern die Spannung an den richtigen Stellen unterstützt. Auch die Schauspieler wussten alle zu überzeugen. Meiner Meinung nach einer der besseren Filme des letzten Jahres.
8/10