Die Filme des Sidney Lumet

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Spielfilme


1957: Die zwölf Geschworenen (12 Angry Men)
1958: Eines Tages öffnet sich die Tür (Stage Struck)
1959: So etwas von Frau! (That Kind of Woman)
1959: Der Mann in der Schlangenhaut (The Fugitive Kind)
1961: Blick von der Brücke (Vu du Pont)
1962: Long Day’s Journey Into Night
1964: Der Pfandleiher (The Pawnbroker)
1964: Angriffsziel Moskau (Fail-Safe)
1965: Ein Haufen toller Hunde (The Hill)
1966: Die Clique (The Group)
1966: Anruf für einen Toten (The Deadly Affair) (Regie/Produktion)
1968: Bye Bye Braverman (Regie/Produktion)
1968: Die Möwe (The Seagull) (Regie/Produktion)
1969: Ein Hauch von Sinnlichkeit (The Appointment)
1970: Blutsverwandte (Last of the Mobile Hot Shots) (Regie/Produktion)
1970: Dann war mein Leben nicht umsonst – Martin Luther King (King: A Filmed Record… Montgomery to Memphis) [Dokumentarfilm; Regie zusammen mit Joseph L. Mankiewicz]
1971: Der Anderson Clan (The Anderson Tapes)
1972: Child’s Play
1973: Sein Leben in meiner Gewalt (The Offence)
1973: Serpico
1974: Aus Liebe zu Molly (Lovin’ Molly)
1974: Mord im Orient-Expreß (Murder on the Orient Express)
1975: Hundstage (Dog Day Afternoon)
1976: Network
1977: Equus – Blinde Pferde (Equus)
1978: The Wiz – Das zauberhafte Land (The Wiz)
1980: Sag mir, was Du willst (Just Tell Me What You Want) (Produktion/Regie)
1981: Prince of the City (Regie/Drehbuch)
1982: Das Mörderspiel (Deathtrap)
1982: The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (The Verdict)
1983: Daniel (Verfilmung des Romans Das Buch Daniel von E. L. Doctorow)
1984: Die Göttliche (Garbo Talks)
1986: Power – Weg zur Macht (Power)
1986: Der Morgen danach (The Morning After)
1988: Die Flucht ins Ungewisse (Running on Empty)
1989: Family Business
1990: Tödliche Fragen (Q & A) (Regie/Drehbuch)
1992: Sanfte Augen lügen nicht (A Stranger Among Us)
1993: Jenseits der Unschuld (Guilty as Sin)
1997: Nacht über Manhattan (Night Falls on Manhattan) (Regie/Drehbuch)
1997: Sterben und erben (Critical Care) (Regie/Produktion)
1999: Gloria
2006: Find Me Guilty – Der Mafiaprozess (Find Me Guilty) (Regie/Drehbuch/Produktion)
2007: Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead (Before the Devil Knows You’re Dead)

Nach 'Before the Devil knows you're dead', den ich eher enttäuschend fand, hier meine 2. Lumet Sichtung. Habe vorher noch keinen anderen Lumet gesehen, heute 12 Angry Men. ;)


Die 12 Geschworenen (12 Angry Men)

In Lumet's Regiedebut geht es um 12 Geschworene, von denen sich elf einig über die Schuld eines Angeklagten sind. Geschworener Nummer 8 aber ist nicht der selben Ansicht, wie die Übrigen. Nur wenn alle Geschworenen einer Meinung sind, kann ein Urteil gefällt werden. Bei einem Schuldspruch würde dies bedeuten, das der Angeklagte die Todesstrafe, durchgeführt durch elektrischen Stuhl, bekommt.

Der Film spielt fast ausschließlich im Jury Room, in dem die Geschworenen die Entscheidung über Schuld und Unschuld fällen müssen, was jedoch zu keinem Zeitpunkt eintönig oder langweilig wird, sondern sehr zur spannungsgeladenen Atmosphäre beiträgt. Dadurch das der Film praktisch nur an einem Ort spielt, hat die kammerspielartige Inszenierung viel mehr Gewicht, wobei vor allem die guten Darsteller und die fantastischen Dialoge herausstechen. Lumet versteht es seine Schauspieler einzusetzen, den Raum zu nutzen um die Spannung aufrecht und den Zuschauer gespannt zu halten.

Der Film ist ebenfalls großartig gefilmt und bietet einige, sehr großartige Aufnahmen die länger ohne Schnitt auskommen. Fonda führt die großartige Darstellerliste an und brilliert, spielt makellos und überzeugt von Beginn an als sympathische Leitfigur, welche die Überzeugung der anderen Geschworen komplett umkrempeln will. Die Art und Weise wie sich das ganze im Laufe des Films entwickelt ist großartig gespielt, großartig in Bild und Ton festgehalten. Gerade die Dialoge sind einfach verdammt gut und unterhaltsam geschrieben und ich bin mir dessen bewusst, das ich mich wiederhole aber sie sind einfach perfekt. Die Dialoge sind klug, auch mal humorvoll, vor allem aber voll mit Menschlichkeit und mit Verantwortungsbewusstsein.

Mehr und mehr versteht man, mehr und mehr kommt der Wandel der nicht nur beeindruckend sondern auch smart dargestellt wird. Die Figuren wirken authentisch weil fehlbar, weil menschlich. Selten habe ich so makelloses Spiel gesehen das mich von Anfang bis Ende gepackt und unterhalten hat.

Lumet's 12 Angry Men ist ein Film mit vielen Stärken und eigentlich keiner Schwäche. Die Darsteller sind allesamt großartig und überzeugen über die komplette Laufzeit. Der Film punktet auch durch die starken, humorvollen und menschlichen Dialoge, durch das konsequent umgesetzte Aufeinandertreffen von Vorurteilen, Emotionen und Stringenz. Auch die tolle Kamerarbeit- und Schnittarbeit trägt ihren Teil zur Perfektion des Films bei. Ein rundum gelungener, meisterhafter Film der heute zurecht als Klassiker der Filmgeschichte und als Pflichtflim für jeden Filmliebhaber gilt.

12/10

Re: Die Filme des Sidney Lumet

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Schöne Kritik, trifft eigentlich das meiste auf den Punkt. Ganz so gottesgleich wie zum Beispiel Hille verehre ich die 12 wütenden Männer dann doch nicht, trotzdem ist es eine enorm clever konzipierte, saustark gespielte und spannend inszenierte Studie über Gruppenverhalten mit einem wahren Fest an raffinierten Dialogen, stimmungsvoller Atmosphäre trotz minimalistischen Mitteln und einem gewohnt grossartigen Henry Fonda. 10 Punkte, für mich einer der dreissig besten Filme aller Zeiten.

Ansonsten kenne ich mich mit Lumets Werk noch nicht aus, obwohl ich Serpico und The Hill gerne mal sehen möchte. Before the Devil Knows You’re Dead liegt noch ungesehen in meinem Regal.
We'll always have Marburg

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Re: Die Filme des Sidney Lumet

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GoldenProjectile hat geschrieben:[...] ist es eine enorm clever konzipierte, saustark gespielte und spannend inszenierte Studie über Gruppenverhalten mit einem wahren Fest an raffinierten Dialogen, stimmungsvoller Atmosphäre trotz minimalistischen Mitteln und einem grossartigen Henry Fonda.
Genau das. Einfach fantastisch was da zustande gekommen ist. Wahrlich großartig!

Re: Die Filme des Sidney Lumet

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Hier mal mein zwei Jahre altes Review.

12 Angry Men (1957, Sidney Lumet)

"Das beste Regiedebut aller Zeiten". Es kommt nicht selten vor, dass dieser glamouröse Titel in Zusammenhang mit Lumets Justizdrama aus dem Jahre 1957 benutzt wird. 12 Angry Men, so der Urtitel des Werks, basiert auf dem Bühnenstück von Reginald Rose und war bereits drei Jahre vorher fürs Fernsehen adaptiert worden. Diverse Neuverfilmungen des Stoffes folgten. Trotzdem ist es eindeutig Lumets Fassung, welche die Filmwelt am nachhaltigsten geprägt hat. Fonda festigte mit der Rolle des Nummer 8 seinen Status als ehrenhafter Held und für Lumet selbst markierte das Kammerspiel den Auftakt zu einer langjährigen Regiekarriere.

Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass sich Die 12 Geschworenen auf die absolute Essenz der Handlung konzentriert: die Diskussion zwischen den zwölf Mitgliedern der Jury. Lumets Kunststück liegt darin, diesen Minimalismus so geschickt aufzubauen dass daraus ein Facettenreichtum an Charakterzeichnung, Dramaturgie und Atmosphäre erblüht. Henry Fonda ist der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens, er wirft Fragen auf, weist auf Zweifel hin und ist somit die treibende Kraft hinter den Konflikten. Im Folgenden verbinden sich die Handlungen der Geschworenen zu einer "Wirkungskette der Konflikte", die jeden der zwölf Männer gleichberechtigt agieren lässt. Spannend ist auch der Aspekt, dass die Figuren fast ausschliesslich durch ihre Taten bzw. ihre Worte charakterisiert werden, obwohl zur Unterstützung auch ihre jeweiligen Berufe und soziale Herkunft herbeigezogen werden. Nach 90 Minuten kennt man alle Geschworenen zur Genüge, so dass jeder Meinungsumschwung, jedes Argument und jeder Streit absolut glaubhaft wirkt.

Bei aller Vorliebe für die Struktur und den Inhalt des Drehbuchs darf Sidney Lumets Leistung als Regisseur nicht ausser Acht gelassen werden. Neben der exzellenten Führung der zwölf begabten Mimen sticht die Kameraführung besonders heraus. Obwohl der Film quasi durchgehend im Sitzungszimmer der Jury spielt entsteht kein theaterhafter Beigeschmack, weil man als Zuschauer schnell ein Gespür für die Räumlichkeit des Zimmers bekommt. Die Begrenzungen des Raums, die erdrückende Hitze und die einzelnen Sitzplätze werden fühlbar. Die Kamera wahrt zunächst Distanz zu den Akteuren, doch je mehr das Gespräch sich intensiviert, je besser die Geschworenen charakterisiert werden, je näher man den Figuren kommt, desto näher kommt auch die Kamera.

Ein ganz grosser Film. 10 / 10
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Re: Die Filme des Sidney Lumet

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Agent 009 hat geschrieben:12/10
Warum so verhalten benotet? Damit wirst du dem Film eigentlich nicht gerecht. Ich bin ehrlich gesagt enttäuscht.
Agent 009 hat geschrieben:Lumet versteht es seine Schauspieler einzusetzen, den Raum zu nutzen um die Spannung aufrecht und den Zuschauer gespannt zu halten.
Ganz genau. Und das ist dann auch der Grund, warum 12 Angry Men eben doch ein filmisches Meisterwerk ist und kein abgefilmtes Theaterstück, wie man vielerorts vernehmen darf. Während das Theater schließlich eine zweidimensionale Angelegenheit bleiben muss, der Raum des Geschehens also nur ein von Außen betrachteter Standort ist, spielt Lumet mit Kamera und Schnitt so geschickt, dass man selbst in diesem Raum ist, er kombiniert Gesichtsnahaufnahmen mit schnellen Umschnitten oder langen Fahrten, er sucht sich feste Standpunkte aus, auf die er immer wieder zurückgreift, er variiert das Schnitttempo passend zum emotionalen Befinden des Zuschauers, der weniger ein zuseheneder Betrachter bleibt, als mehr zum 13 wütenden Mann wird und aktiv am Film teilnimmt. Das ist großes Kino, das ist einer der wahren Gründe für die Klasse der 12 Geschworenen.
Agent 009 hat geschrieben:Fonda führt die großartige Darstellerliste an und brilliert, spielt makellos und überzeugt von Beginn an als sympathische Leitfigur
Ich möchte hinzufügen, dass Fonda selbst nie besser war und das, wo er doch hier eine Rolle spielt, die nur ganz selten wirklich menschlich scheinen darf. Denn während die anderen 11 Geschworenen alle menschliche Eigenschaften verkörpern und durch und durch irrational handeln und denken (sich also von ihren Emotionen leiten lassen), ist Fondas Rolle die unanfechtbare moralische Integrität, der rechte Weg, wenn man so will. Dass dann derart charismatisch und vor allem greifbar menschlich mit Charakter zu versehen, dürfte die größte Leistung in Fondas beachtlicher Karriere sein.
Agent 009 hat geschrieben:Die Dialoge sind klug, auch mal humorvoll, vor allem aber voll mit Menschlichkeit und mit Verantwortungsbewusstsein.
Gleichzeitig sind sie auch aus psychologischem Standpunkt sehr spannend. Denn 12 Angry Men ist eben nicht nur ein Lehrstück über Menschlichkeit, Verantwortung und Nächstenliebe, sondern auch eine präzise und messerscharfe Analyse von gruppendynamischen Prozessen und wird heute noch von Psychologen eingehend studiert. Die Dialoge sind also in der Tat intelligent, clever und sehr gewählt, werden zudem von Lumet und den Schauspielern filmisch gekonnt und brillant zu Ende gedacht unterstützt und gestützt. Es gibt wohl kaum einen Film, bei dem ich so schweißnasse Hände bekomme. Und das nur, weil zwei Personen durch das was sie sagen und durch die Art, wie sie es sagen, mich mehr mitreißen und begeistern, als so mancher Actionfilm es in zwei Stunden fähig wäre.
Agent 009 hat geschrieben:Die Figuren wirken authentisch weil fehlbar, weil menschlich.
Absolut, das ist sehr wichtig für die hohe Bindung an die Charaktere. Besonders Geschworener 9 und 11, aber auch Nummer 5 zeichnen sich natürlich dadurch aus, dass sie interessante Standpunkte vertreten und anfangs ebenfalls auf der "falschen" Seite standen, ihre eigenen Fehler also akzeptiert und sich eingestanden haben. Das lässt sich authentisch wirken und macht sie zu Personen, mit denen man sich verbunden fühlt, vor denen man aber auch Respekt hat. Ganz großartig ist die Art und Weise, wie Antagonist Nummer 3 inszeniert wird, wie man seine Beweggründe nach und nach auf psychologischer Ebene zu verstehen beginnt, bis er einem im herzzerreißenden letzten Monolog nur noch leid tut. Diese Wendung bekommt Lumet hin, wie es wohl niemandem sonst gelungen wäre.
Agent 009 hat geschrieben:Lumet's 12 Angry Men ist ein Film mit vielen Stärken und eigentlich keiner Schwäche.
Dieses ekelhafte eigentlich... :wink:
Agent 009 hat geschrieben:welche die Überzeugung der anderen Geschworen komplett umkrempeln will
Kleine inhaltliche Korrektur meinerseits: Er will niemandem seine Überzeugung nehmen und er will sie auch nicht umkrempeln. Das ist gar nicht sein Ziel und es geht ihm nicht darum, jemanden umzustimmen. Alles, was Fonda will, ist einfach nur den Fall selbst zu diskutieren und nicht außer Acht zu lassen, was auf dem Spiel steht, er will die anderen dazu zwingen, sich mit sich selbst und dem Fall tiefer auseinanderzusetzen. Was dabei rauskommt, liegt bei ihnen und daran lässt er auch nie einen Zweifel.
GoldenProjectile hat geschrieben:Ganz so gottesgleich wie zum Beispiel Hille verehre ich die 12 wütenden Männer dann doch nicht
Jeder von uns darf einen Fehler haben, auch du Goldi.
GoldenProjectile hat geschrieben:für mich einer der dreissig besten Filme aller Zeiten
Das ist doch völlig in Ordnung. Was müsste er denn sein, damit du ihn auch als gottesgleich ansehen würdest? :lol:
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Re: Die Filme des Sidney Lumet

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Ich glaube schon das es irgendwo sein Ziel war, weil er ziemlich überzeugt wirkte, bei dem was er sagte und tat. Er wusste wie er die Leute umstimmen konnte, welche Knöpfe er drücken muss um sie ins Schwanken zu bringen. Zumindest habe ich das so aufgefasst. ;) Alles weitere kann ich nur so wiedergeben. Ich war Anfangs skeptisch ob mir ein Film dieser Art gefallen könnte aber er brachte mich ins schwitzen, er presste mich auf mein Bett vor Spannung und zwischendurch hatte ich noch 1-2 mal was zu lachen. Ganz, ganz groß!

Re: Die Filme des Sidney Lumet

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Agent 009 hat geschrieben:Ich glaube schon das es irgendwo sein Ziel war, weil er ziemlich überzeugt wirkte, bei dem was er sagte und tat.
Irgendwo vielleicht, aber nicht in letzter Konsequenz. Er hat es gehofft, vielleicht darauf vertraut, aber war weit davon entfernt, je als Manipulator aufzutreten. Er hat den jeweiligen Anstoß gegeben, für jeden einzelnen und sie am Ende sich selbst überlassen. Das macht ihn zur moralisch stärksten Partei und zum wahren Helden der Geschichte.
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Re: Die Filme des Sidney Lumet

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Nein, schon klar. Es geht mir nur darum, dass er nicht auf Krampf versucht, den anderen seine Meinung aufzudrängen, er gibt lediglich jedem eine Starthilfe, um selbst den Fall gedanklich auseinander zu dröseln und zu einer Erkenntnis zu gelangen, bei der er natürlich zu seinen Gunsten hofft (obwohl es gar nicht um seine Meinung geht, die er einem ja auch nie wirklich mitteilt, sondern um die moralisch menschliche Ebene). Aber auf keinen Fall würde er jemandem, der argumentativ überzeugend das Schuld-Urteil vertritt versuchen, diese Meinung streitig zu machen. Stattdessen zeigt er den vermeintlich Überzeugten nur auf, dass ihre Argumentationen voller Lücken und Vorurteile sind. Ihm selbst schwebt also praktisch ein höheres Ideal vor: Dass der fairen Auseinandersetzung mit dem Prozess, dem Angeklagten, den Fakten und einen Sieg der gesetzlichen Moral und der menschlichen Empathie.
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Re: Die Filme des Sidney Lumet

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Eigentlich erstaunlich wie unbekannt und unbedeutend der größere Teil der Lumet Filme ist. Ich bin auch noch nie auf jemanden gestoßen der auch nur die Hälfte davon kennen könnte, und auch ich habe bei einem sehr großen Teil seiner Filme nie die Chance gehabt sie irgendwo mal zu sehen.

Da sind auch einige dabei die ich gesehen haben könnte, nur ich bin mir nicht sicher.

Und natürlich ist 12 Angry Men ein theaterhafter Film mit theaterhaften Dialogen und theaterhafter Schauspielerei mit einer zwar wenig überraschenden, aber doch unterhaltsamen Handlung. Aber zumindest Lumets Inszenierung sucht das filmische.

Re: Die Filme des Sidney Lumet

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vodkamartini hat geschrieben:Hab immer 15 von der obigen Liste gesehen.
20! Wer bietet mehr? :lol:

Mal eine Frage an den glühenden 12 Geschworenen-Anhänger Hille: beschränkt sich deine Begeisterung auf diesen Film oder setzt sich die bei dir auch im restlichen Lumet-Oevre fort?
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Sidney Lumet

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Sidney Lumet hat nicht nur unterhaltsame Filme gedreht, sondern auch ein verdammt unterhaltsam zu lesendes Buch übers Filmemachen geschrieben.

Es heisst passenderweise auch "Filme machen" (Making Movies).
Darin beschreibt er anhand des Entstehungsprozesses des Films "Mord im Orientexpress" wie eine Filmproduktion von A bis Z für einen Regisseur abläuft. Und das mit köstlichen Anektdoten.

Kann ich jedem nur empfehlen.

Re: Die Filme des Sidney Lumet

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GoldenProjectile hat geschrieben:Wertungen, meine Herren! Wir wollen Wertungen! :D
Wenn ich die jetzt schon abgebe, dann bekomme ich bestimmt keine Antwort mehr von Hille auf meine Frage... :lol:

Aber egal: Obwohl ich vergleichsweise viel von Lumet gesehen habe (zumindest von den Filmen ab 71) und ich ihn durchaus für einen interessanten Filmemacher halte, haben mich die meisten seiner Filme nie so wirklich vom Hocker gerissen, das Gros spielt sich dann doch im leicht überdurchschnittlichen Bereich ab. Lumet macht es seinem Publikum nun auch nicht gerade einfach, da er sich in der Regel sehr ambivalente Stoffe und Figuren aussucht (Korruption in allen Spielarten ist ja bekanntlich sein Hauptthema), welche eine totale Identifikation mit den Protagonisten nur selten möglich oder zumindest selten einfach machen. Hinzu kommt sein sehr nüchterner Inszenierungsstil, der weit weg von gängigen Hollywood-Standards ist. All das macht ihn aber eben gerade auch interessant und ich bevorzuge eigentlich immer eher das Ungewöhnliche denn das vielfach Gesehene und Einheitliche.

Aber wie gesagt haben mich dennoch viele seiner Werke nur milde beeindruckt, zumeist weil mir die Inszenierung dann doch zu trocken war und mir Thematik und Figuren einfach nicht nahe genug gebracht werden konnten. Sein für mich stärkster Film ist das Korruptionsepos Prince of the City, welches eine Art Opus Magnum seiner vielfach behandelten Schlüsselthemen Korruption und persönliche Verantwortung ist. Seine nüchterne Betrachtung der Ereignisse harmoniert hier perfekt mit der sehr komplexen Dramturgie und den fabelhaft aufspielenden Darstellern (die gerade weil es sich um „unverbrauchte Nicht-Stars“ – sorry Treat - handelt perfekt passen). Danach folgen die gnadenlose Militarismus- und Obrigkeitsstudie Ein Haufen toller Hund / The Hill mit einem furiosen Connery, der hier schon einmal andeutet, zu was er außerhalb der Bondrolle WIRKLICH zu leisten im Stande ist und die gleichermaßen anspruchsvollen und unterhaltsamen Justizthriller The Verdict und Die zwölf Geschworenen/12 Angry Men. Minimal hintendran kommt dann Lumets Agatha-Christie-Verfilmung Mord im Orientexpress, die zwar für Genreverhältnisse wiederum eher nüchtern geraten ist (Lumettypisch eben), aber dennoch ein sehr unterhaltsames who-dunnit darstellt.

Seine beiden als Klassiker des 70er Jahrekinos geltenden Filme Serpico und Hundstage waren mir immer deutlich zu spröde und irgendwie auch zu träge. Schade um die tollen Darstellerleistungen, aber hier wirkte Lumets nüchterner Inszenierungsstil für mich eher kontraproduktiv. Eher in die Kategorie Skurrilitätenkabinett gehören für mich sein Oz-Musical The Wiz mit Michael Jackson und seine Adaption des Pferdedramas Equus – wobei letztere zumindest noch starke Darsteller an Bord hat. Sein letzter Film Tödliche Entscheidung /Before the Devil Knows You’re Dead war dann ncohaml ein richtig spannender letzter Aufgalopp – es gibt wahrlich schlechtere Abschiedsfilme.

In Noten sieht das dann so aus:

1957: Die zwölf Geschworenen (12 Angry Men) 8 / 10
1958: Eines Tages öffnet sich die Tür (Stage Struck)
1959: So etwas von Frau! (That Kind of Woman)
1959: Der Mann in der Schlangenhaut (The Fugitive Kind)
1961: Blick von der Brücke (Vu du Pont)
1962: Long Day’s Journey Into Night
1964: Der Pfandleiher (The Pawnbroker)
1964: Angriffsziel Moskau (Fail-Safe)
1965: Ein Haufen toller Hunde (The Hill) 8,5 / 10
1966: Die Clique (The Group)
1966: Anruf für einen Toten (The Deadly Affair) (Regie/Produktion)
1968: Bye Bye Braverman (Regie/Produktion)
1968: Die Möwe (The Seagull) (Regie/Produktion)
1969: Ein Hauch von Sinnlichkeit (The Appointment)
1970: Blutsverwandte (Last of the Mobile Hot Shots) (Regie/Produktion)
1970: Dann war mein Leben nicht umsonst – Martin Luther King (King: A Filmed Record… Montgomery to Memphis) [Dokumentarfilm; Regie zusammen mit Joseph L. Mankiewicz]
1971: Der Anderson Clan (The Anderson Tapes) 6,5 / 10
1972: Child’s Play
1973: Sein Leben in meiner Gewalt (The Offence) 7 / 10
1973: Serpico 6 / 10
1974: Aus Liebe zu Molly (Lovin’ Molly)
1974: Mord im Orient-Expreß (Murder on the Orient Express) 7,5 / 10
1975: Hundstage (Dog Day Afternoon) 6 / 10
1976: Network 6,5 / 10
1977: Equus – Blinde Pferde (Equus) 5,5 / 10
1978: The Wiz – Das zauberhafte Land (The Wiz) 3 / 10
1980: Sag mir, was Du willst (Just Tell Me What You Want) (Produktion/Regie)
1981: Prince of the City (Regie/Drehbuch) 9 / 10
1982: Das Mörderspiel (Deathtrap)
1982: The Verdict – Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit (The Verdict) 8 / 10
1983: Daniel (Verfilmung des Romans Das Buch Daniel von E. L. Doctorow)
1984: Die Göttliche (Garbo Talks)
1986: Power – Weg zur Macht (Power) 6 / 10
1986: Der Morgen danach (The Morning After) 6 / 10
1988: Die Flucht ins Ungewisse (Running on Empty)
1989: Family Business 6 / 10
1990: Tödliche Fragen (Q & A) (Regie/Drehbuch) 7 / 10
1992: Sanfte Augen lügen nicht (A Stranger Among Us) 5,5 / 10
1993: Jenseits der Unschuld (Guilty as Sin) 5,5 / 10
1997: Nacht über Manhattan (Night Falls on Manhattan) (Regie/Drehbuch) 7 / 10
1997: Sterben und erben (Critical Care) (Regie/Produktion)
1999: Gloria
2006: Find Me Guilty – Der Mafiaprozess (Find Me Guilty) (Regie/Drehbuch/Produktion)
2007: Tödliche Entscheidung – Before the Devil Knows You’re Dead (Before the Devil Knows You’re Dead) 7,5 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"