Welches ist der beste Leone-Film?

1960: Der Koloß von Rhodos (Il colosso di Rodi) (Keine Stimmen)
1964: Für eine Handvoll Dollar (Per un pugno di dollari)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (6%)
1965: Für ein paar Dollar mehr (Per qualche dollaro in piu) (Keine Stimmen)
1966: Zwei glorreiche Halunken (Il buono, il brutto, il cattivo)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 7 (39%)
1968: Spiel mir das Lied vom Tod (C’era una volta il West)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 5 (28%)
1971: Todesmelodie (Giù la testa) (Keine Stimmen)
1973: Mein Name ist Nobody (Il mio nome è Nessuno)*
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (6%)
1984: Es war einmal in Amerika (Once Upon a Time in America)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (22%)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 18

Re: Der Sergio Leone Thread

317
Heute habe ich mir endlich mal Giu la Testa angesehen und ich bereue nichts. Der Film weckt anfangs noch starke Erinnerungen an Leones Meisterwerk Good Bad Ugly, nicht nur durch das ähnliche Setting einer kriegsgeplagten Westernlandschaft (dieses Mal die Mexikanische Revolution), auch die beiden Protagonisten sind in Charakterzeichnung und Beziehung unverkennbar an Blondie und Tuco angelehnt. Der Schein einer GBU-Kopie (die natürlich immer noch klasse gewesen wäre, vor allem wenn sie vom Meister selbst stammt) trügt aber, denn Giu la Testa wird mit zunehmender Laufzeit immer ernster und dramatischer in Bezug auf seine Figuren und die Revolutionsthematik. Good Bad Ugly hat ja auch schon sehr gekonnt und passend einige ernstere Momente verarbeitet, blieb aber insgesamt doch immer ein Abenteuerfilm, spätestens die letzte halbe Stunde von Giu la Testa ist dagegen Drama pur, es wirkt wie die Brückensprengszene mit dem Tod des Kommandanten aus Good Bad Ugly in Spielfilmlänge. Erzählerisch bewegt sich Leone wie gewohnt auf höchstem Niveau, seine Bildsprache, Kameraarbeit und Actionszenen sind einfach sensationell, ergänzt mal wieder durch einen brillanten Score von Ennio Morricone der die Bilder bereichert. In Summe ein wirklich cooler Film, und à propos cool, Jimmy Coburn zeigt mal wieder dass er nicht nur das coolste Wesen unter der Sonne ist, sondern auch ein exzellenter Schauspieler, Starke 9 Punkte von meiner Seite.
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Re: Der Sergio Leone Thread

318
Aber gerade die Action finde ich in wesentlichen wichtigen Punkten mißlungen. Der Kampf, bzw das Massaker an der Brücke ist von Leone erstaunlich unentschlosen inszeniert worden, und der Schluß mit dem Überfall auf den Zug ist ebenfalls eine eher schwache Szene, jedenfalls eine kolossale Enttäuschung als Höhepunkt des Films.
Da war sein Kollege/Konkurrent Corbucci in seinen beiden Revolutionswestern der bessere Regisseur. Zumal Leone hier ohnehin auf einen fahrenden Zug aufgesprungen war, während er zuvor der Trendsetter des Italo Western war.

Daß Leone mit groß angelegten Actionszenen nicht so richtig klar kommt war ja schon in Für eine Handvoll Dollar zu sehen.

Re: Der Sergio Leone Thread

319
Die Brückensprengung fand ich grossartig, diese derbe Gewalt mit der schlussendlichen Sprengung und dann als krasser Kontrast dazu die erschlagende Stille als die beiden erkennen, was sie da gerade angerichtet haben, das hat schon Peckinpah-Qualitäten. Auch die Zugszene am Schluss hat mir gefallen, bis auf eine Einstellung in der Leone viel zu lange einfach auf eine Explosion draufgehalten hat. Aber auch hier sind es eher die Emotionen der Charaktere die zählen, und die werden durch die gute Actiongestaltung lediglich unterstützt.

Die beiden Corbuccis kenne ich noch nicht (Mercenario und Silencio?), und Handvoll Dollar ist etwas länger her, erinnere mich aber dass da eine Actionszene die in der Nacht spielt viel zu dunkel war. Oder war das in Paar Dollar mehr?

Die inszenatorischen Höhepunkte von Giu la Testa sind aber die Rückblenden und wie sie verarbeitet werden, ganz grosses Kino, auch in Verbindung mit Morricones Score. Vor allem die mit den Hinrichtungen, als dann vom jungen Coburn in der Bar auf as Exekutionskommando geschnitten wird. Gänsehaut.
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Re: Der Sergio Leone Thread

320
Mercenario und Laßt uns töten Companeros. Silenzio ist ein andere Art von Film, die Vollendung dessen was Corbucci vorher gemacht hatte, und ein Art Endpunkt des Western überhaupt. Zumindest des schmutzigen Westerns.
Mercenario ist gegenüber Giu la testa der intelligentere und auch insgesamt besser inszenierte Film. Es ist im Prinzip der Revolutionswesternstoff der perfekt für den Leone Stil gewesen wäre, und während Corbucci da etwas ganz eigenes schnelles daraus macht, wäre der bei Leone etwa doppelt so lang geworden.

Ich finde man sieht bei Giu la testa sehr schön, wie sehr Leone seinen Stil seit 1964 entwickelt hat, aber es wirkt auf mich nie so komplett inspiriert in der Bilderfindung wie in den Vorgängern. In den Rückblenden ist für mich z.B. zu viel Zeitlupe und teils auch zu viel süßliche Musik. Die Rückblende in den Pub ist allerdings wirklich gut gemacht.

Was entnimmst du denn der letzten Rückblende, die für Jahrzehnte nicht zu sehen war, und erst auf den neueren DVDs wieder im Film ist.

Re: Der Sergio Leone Thread

321
Sehe ich wie GP, mittlerweile ist Giu la Testa einer meiner Lieblings-Leones. Mit den beiden genannten Corbuccis hingegen werde ich auch nach wiederholten Sichtungen nicht war, wie Corbucci mir generell als Regisseur wenig gibt. Besonders dramaturgisch fehlt mir in den genanneten beiden Revolutionswestern zu viel gegenüber dem diesbezüglich hervorragend ausgearbeiteten Giu la Testa. Gerade Mercenario hat schon tolle Moment, insbesondere was die Inszenierung angeht, und Kollege Nero ist eh immer eine Bank, aber dennoch reisst mich das Gesamtresultat eher weniger vom Hocker. Bei Corbuccis Filmen fehlt mir gegenüber denen von Kollege Leone auch immer das Epische, die große Bühne wenn man so will.
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Re: Der Sergio Leone Thread

322
Giu la testa ist doch inhaltlich und inszenatorisch dem Mercenario klar überlegen. Bin da ganz bei Anatol. Corbucci war ein guter Regisseur, vor allem ein äußerst mutiger, aber mir fehlt bei ihm die große Geschlossenheit, dieses einzigartige Gefühl am Schlusspunkt, dass Leone mir geben kann.
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Re: Der Sergio Leone Thread

323
Maibaum hat geschrieben:Was entnimmst du denn der letzten Rückblende, die für Jahrzehnte nicht zu sehen war, und erst auf den neueren DVDs wieder im Film ist.
Schwer zu beurteilen, ausser dass sie fast schon ähnliche Qualitäten entfaltet wie die berühmte Rückblende aus C'era una Volta. Weniger mächtig und gewaltig, dafür trägt diese (quasi) letzte Szene etwas geheimnisvolles über das Filmende hinaus, wie du das mal so schön beschrieben hast. Ob die offensichtliche Zuneigung des damaligen Coburn-Kollegen zu Jimmys Freundin mehr oder weniger direkt zur Entzweiung, zu den Erlebnissen in der irischen Revolution und über viele Umwege zu Coburns Reise nach Mexiko geführt hat vermag ich nicht zu sagen, aber es geht doch in die Richtung und es ist auf eine starke, kryptische Art dargestellt.
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Re: Der Sergio Leone Thread

324
Ich behaupte mal knallhart Giu la testa wäre ein weitgehend vergessener Film, wenn nicht der Name Leone drauf stehen würde. Denn ich denke dann wäre er nie so besonders im allgemeinen Ansehen gestiegen, weil sich kaum noch einer mit dem Film beschäftigt hätte, und heute wäre er so eine Art Geheimtip, wie eine Reihe anderer Italo Western auch, die von heute wenig bekannten Regisseuren stammen

Bei mir ist der auch stark im Ansehen gestiegen, und bei der Erstsichtung vor ein paar hundert Jahren überwog auch die Enttäuschung, aber von Leones 6 Western wird er doch immer der Letzte bleiben.

Jedoch in Il mercenario macht Corbucci haufenweise ungewöhnlicher Dinge, und inszeniert so geschlossen wie er es nur bei diesem (und in Il grande Sileznio) gemacht hat. Da wirkt Leones Film schwerfällig und gediegen gegen, und genau das war ja die Gefahr in die Leone damals mit seinem ausufernden Stil hineinzufallen drohte, einer Gefahr die er entging indem er einfach weitgehend aufhörte Filme zu drehen. Was sehr schade ist, denn es wäre spannend gewesen zu sehen was für Filme er gemacht hätte, wenn er noch 3- 6 weitere Filme gedreht hätte.

Re: Der Sergio Leone Thread

325
GoldenProjectile hat geschrieben:Handvoll Dollar ist etwas länger her, erinnere mich aber dass da eine Actionszene die in der Nacht spielt viel zu dunkel war. Oder war das in Paar Dollar mehr?
Die war in Handvoll, und ist aber eigentlich nicht zu dunkel, sondern bei vernünftiger Bildqualität und richtiger TV-Einstellung hell genug. :D
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Re: Der Sergio Leone Thread

326
Schwerfällig finde ich Leones Inszenierung hier nicht, dafür ist trotz aller betonter Langsamkeit seine Regie bei Giu la Testa insgesamt zu flüssig und elegant. Diesbezüglich sehe ich eher im letzten Drittel von Es war einmal in Amerika ein Problem, wo sich die Geschichte kaum noch vom Fleck zu bewegen scheint. Dass Mercenario was die Inszenierung angeht viel Aussergewöhnliches bietet würde ich auch unbedingt unterstreichen, allerdings ist er mir dramaturgisch zu fragmentiert und gleicht eher einer Aneinanderreihung einzelner Szenen denn einer genau abgestimmten und feinjustierten komplexen Handlung (wie es Coburns und Steigers Einsatz in Mexiko ist).

Hätte Leone länger gelebt und weitere Filme gedreht wären diese wohl etwas aus der Zeit gefallen gewesen, ähnlich wie bei Hitchs letzten anderthalb Jahrzehnten. Ein Leone ist irgendwie sehr schwer vorstellbar im Kino der 90er.
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Re: Der Sergio Leone Thread

327
Es war einmal in Amerika ist doch auch ein durch und durch fantastischer Film. Ich habe eigentlich bei Leone an keinen seiner Filme große Wünsche, bis auf seine ersten beiden, also den Rhodos Koloß, der noch zu wenig von seinem Stil atmet und Handvoll Dollar, der nicht immer alle Elemente konsequent ausspielt. Aber daer Leone von 65 bis 84 ist Filmmagie in Perfektion. Gerade Giu la testa ist ein Exempel für sein Können und seine Vielseitigkeit.
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Re: Der Sergio Leone Thread

328
Casino Hille hat geschrieben:Die war in Handvoll, und ist aber eigentlich nicht zu dunkel, sondern bei vernünftiger Bildqualität und richtiger TV-Einstellung hell genug. :D
Ich meine mich zu erinnern dass die einfach sehr unnatürlich wirkt. Zu dunkel war das falsche Wort, im Gegenteil, es ist wahrscheinlich eher zu hell weil früher Nachtszenen schwieriger waren und man alles in frühester Blue Hour gefilmt hat, das sieht dann nach heutigen Massstäben in Technicolor etwas seltsam aus, vor allem weil es eine sehr lange Filmpassage ist.

Aber ich müsste ihn noch mal sehen.
AnatolGogol hat geschrieben:Schwerfällig finde ich Leones Inszenierung hier nicht, dafür ist trotz aller betonter Langsamkeit seine Regie bei Giu la Testa insgesamt zu flüssig und elegant.
Sehe ich auch so, nur die von dir im Eingangsreview erwähnten fehlenden Szenen fallen etwas ins Gewicht, da wirkt der Film dann zu sprunghaft. Ich glaube man kriegt gar nicht mit, wie Juan überhaupt vors Exekutionskommando gerät, oder habe ich da etwas vergessen?
AnatolGogol hat geschrieben:Diesbezüglich sehe ich eher im letzten Drittel von Es war einmal in Amerika ein Problem, wo sich die Geschichte kaum noch vom Fleck zu bewegen scheint.
Dito, Amerika lässt im letzten Akt wirklich zu sehr nach, das ist schade um die übermenschlich herausragende erste Stunde.
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Re: Der Sergio Leone Thread

329
Die (ohnehin sehr schwach inszenierte) Friedhofschießerei in FeHD leidet noch zusätzlich unter einer billigen Tag für Nacht-Filter Photographie. Das ging aber auch schon damals besser.

Giu la testa ist mir auch etwas zu lang geraten, gerade im ersten Drittel wiederholt sich zuviel in den Spielchen zwischen Juan und John. Und dann ist Leone auch nicht wirklich gut darin lebendige Charaktere zu schaffen. Das ist hier nicht mißlungen, aber auch nicht so wirklich aufregend.

Ich finde man merkt ihm schon noch an daß es kein Herzensprojekt von Leone war.

Re: Der Sergio Leone Thread

330
AnatolGogol hat geschrieben:Schwerfällig finde ich Leones Inszenierung hier nicht, dafür ist trotz aller betonter Langsamkeit seine Regie bei Giu la Testa insgesamt zu flüssig und elegant. Diesbezüglich sehe ich eher im letzten Drittel von Es war einmal in Amerika ein Problem, wo sich die Geschichte kaum noch vom Fleck zu bewegen scheint. Dass Mercenario was die Inszenierung angeht viel Aussergewöhnliches bietet würde ich auch unbedingt unterstreichen, allerdings ist er mir dramaturgisch zu fragmentiert und gleicht eher einer Aneinanderreihung einzelner Szenen denn einer genau abgestimmten und feinjustierten komplexen Handlung (wie es Coburns und Steigers Einsatz in Mexiko ist).

Hätte Leone länger gelebt und weitere Filme gedreht wären diese wohl etwas aus der Zeit gefallen gewesen, ähnlich wie bei Hitchs letzten anderthalb Jahrzehnten. Ein Leone ist irgendwie sehr schwer vorstellbar im Kino der 90er.
Ich meinte nicht Leone inden 90ern (was natürlich auch spannend gewesen wäre, sondern die Zeit zwischen Giu la testa und Es war einmal in Amerika, inkl. eines komplett von Leone inszenierten Mein Name ist Nobody.

Ich finde übrigens Il mercenario viel komplexer als Giu la testa.