Welches sind die drei besten Scorsese-Filme?

Who's that knocking at my door? (Keine Stimmen)
Boxcar Bertha (Keine Stimmen)
Mean Streets (Keine Stimmen)
Alice doesn't live here anymore (Keine Stimmen)
Taxi Driver
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (19%)
New York, New York (Keine Stimmen)
Raging Bull (Keine Stimmen)
The King of Comedy (Keine Stimmen)
After Hours (Keine Stimmen)
The Color of Money
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
The Last Temptation of Christ
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
Life Lessons
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
Goodfellas
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (14%)
Cape Fear (Keine Stimmen)
Age of Innocence (Keine Stimmen)
Casino
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (19%)
Kundun (Keine Stimmen)
Bringing out the Dead (Keine Stimmen)
Gangs of New York (Keine Stimmen)
Aviator (Keine Stimmen)
The Departed
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (19%)
Shutter Island
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (5%)
Hugo Cabret (Keine Stimmen)
The Wolf of Wall Street
Insgesamt abgegebene Stimmen: 2 (10%)
Silence (Keine Stimmen)
The Irishman (Keine Stimmen)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 21

Re: Die Filme des Martin Scorsese

466
Ich schneie mal wieder herein, vielleicht sogar für länger als nur ein paar Tage...

Ich habe mich, nach endlos langer Zeit, mal wieder einem von Martin Scorseses zwei absoluten Meisterstücken zugewandt, das oft zurecht neben dem Paten als DER Mafiafilm überhaupt angesehen wird, auch wenn „Goodfellas“ letztlich in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von Coppolas romantisiertem Mafia-Epos ist. Die Geschichte vom Aufstieg und Fall Henry Hills und seiner Genossen in der Mafia wird so elegant und flüssig erzählt, wie ich es in einem Film nur selten erlebt habe, und kaum ein Film verdeutlicht Scorseses inszenatorisches Talent so sehr wie der hier (abgesehen noch von seinem anderen Meisterwerk Taxi Driver). Der Film hat eine Sogkraft, der sich der Zuschauer nur schwer entziehen kann und schafft es meisterhaft, die Faszination für die Mafia und das Konzept von unbedingtem Respekt, hierarchischem Einfluss und der Vorstellung unbegrenzter Möglichkeiten mühelos von seinen Protagonisten auf den Zuschauer zu übertragen. Und auch der allmähliche Abschied von dieser Faszination wird dem Zuschauer, ähnlich wie dem Protagonisten, sehr schmerzlich werden.

Ein Hoch muss auch auf den Cast abgegeben werden, insbesondere die drei Hauptdarsteller. Ray Liotta spielt seinen Protagonisten überzeugend in jeder Phase seines Lebens und bleibt dabei auch dank der grandios eingesetzten Kommentare des Geschehens zu jedem Zeitpunkt nahbar, wie auch sein ganzes Handeln stets plausibel und nachvollziehbar erscheint. Dabei wird er jedoch fast überschattet von seinen Mitschauspielern. So beweist Robert De Niro einmal mehr, weshalb er einmal zu den ganz Großen am Schauspielfirmament gehörte und schwingt mit beängstigender Leichtigkeit zwischen Jovialität und eiskalter Berechnung seines Charakters hin und her. Das größte Lob muss jedoch Joe Pesci gelten, dessen Leistung ihm verdientermaßen einen Academy Award eingebracht hat. Es ist gleichzeitig ein Vergnügen und ein Entsetzen, seinem absolut entfesselten Tommy zuzuschauen, er stiehlt die Aufmerksamkeit in jeder Szene, in der er auftritt. He‘s a funny guy! Selbstredend sollten aber auch nicht Darsteller wie Lorraine Bracco, Paul Sorvino oder Frank Vincent vergessen werden, die ihre Rollen ebenfalls perfekt ausfüllen.

Goodfellas mag ein Film über Mafiosi sein, ist aber gleichzeitig auch ein Film über Männer, die letztlich nie erwachsen geworden sind, die das Leben und die Welt als großen Spielplatz betrachten, die sich selbst als dem Rest der Welt überlegen sehen und nur Verachtung für all jene Menschen übrig haben, die ihr Leben auf gewöhnliche Art und Weise verrichten. Dies verdeutlicht schließlich auch die grandiose Endszene, in der Liottas Henry Hill bedauert, wie ihm genau diese Art zu leben abhanden gekommen ist.
Goodfellas ist von der ersten bis zur letzten Minute ein Genuss, der seinesgleichen sucht. Besser geht es kaum.
"East, West, just points of the compass, each as stupid as the other."
(Joseph Wiseman in Dr. No)

Re: Die Filme des Martin Scorsese

467
00T hat geschrieben: 13. September 2020 15:41 Ich schneie mal wieder herein, vielleicht sogar für länger als nur ein paar Tage...
Aber hallo! Es schneit so schön...

Schöner Text zu Goodfellas, auch wenn ich De Niro darin gemessen an Godfather 2, Taxi Driver, Deer Hunter, Raging Bull und The Mission jetzt nicht so besonders finde, aber auch nicht schlecht. Zweckdienlich gut halt. Und dazu:
00T hat geschrieben: 13. September 2020 15:41 Goodfellas ist von der ersten bis zur letzten Minute ein Genuss, der seinesgleichen sucht. Besser geht es kaum.
Sag ich Amen!
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

468
GoldenProjectile hat geschrieben: 13. September 2020 16:56
00T hat geschrieben: 13. September 2020 15:41 So beweist Robert De Niro einmal mehr, weshalb er einmal zu den ganz Großen am Schauspielfirmament gehörte und schwingt mit beängstigender Leichtigkeit zwischen Jovialität und eiskalter Berechnung seines Charakters hin und her.
Schöner Text zu Goodfellas, auch wenn ich De Niro darin gemessen an Godfather 2, Taxi Driver, Deer Hunter, Raging Bull und The Mission jetzt nicht so besonders finde, aber auch nicht schlecht. Zweckdienlich gut halt.
Hehe, was du schreibst mag wahr sein und trotzdem ist die Performance von De Niro in "GoodFellas" auch für mich eine der besten seiner Karriere und 00T nennt in seinem Satz den entscheidenden Grund dafür: Leichtigkeit. Ich gebe dir recht, dass sein Schauspiel in "GoodFellas" weniger offensichtlich großartig ist als beispielsweise in "Taxi Driver", "The Deer Hunter" oder "Once Upon a Time in America", weil die Rolle erstens nicht zentral steht und zweitens die ganz großen Ausbrüche à la "You're talkin' to me?" ausbleiben. Aber sein Part in "GoodFellas" ist deshalb so großartig, weil De Niro die Rolle gänzlich subtil anlegen muss, weniger offensiv spielt als sonst. Sämtliche Entwicklungen, die Jimmy durchmacht, bleiben unter seiner Oberfläche verborgen, De Niros Spiel begrenzt sich gänzlich auf immer größer werdende Risse im Marmor (und ist darin "Taxi Driver" gar nicht so unähnlich, nur ohne den finalen Ausbruch). Und dafür ist er einfach eine glänzende Wahl, deshalb ist das auch für mich eine seiner allerbesten Leistungen. Aber vielleicht bin ich diesbezüglich etwas komisch, immerhin würde ich zu De Niros Top 3-5 Schauspielauftritten auch ohne Weiteres seine eher unauffällige Rolle in "Jackie Brown" zählen. :wink:
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

469
Casino Hille hat geschrieben: 15. September 2020 12:54 Ich gebe dir recht, dass sein Schauspiel in "GoodFellas" weniger offensichtlich großartig ist als beispielsweise in "Taxi Driver", "The Deer Hunter" oder "Once Upon a Time in America", weil die Rolle erstens nicht zentral steht und zweitens die ganz großen Ausbrüche à la "You're talkin' to me?" ausbleiben. Aber sein Part in "GoodFellas" ist deshalb so großartig, weil De Niro die Rolle gänzlich subtil anlegen muss, weniger offensiv spielt als sonst. Sämtliche Entwicklungen, die Jimmy durchmacht, bleiben unter seiner Oberfläche verborgen, De Niros Spiel begrenzt sich gänzlich auf immer größer werdende Risse im Marmor
Weniger zentral sicherlich, aber findest du, dass Bob in Deer Hunter weniger subtil agiert als in GoodFellas? Sind die von dir angesprochenen "Risse im Marmor" nicht geradezu charakteristisch für Bobs Wildjäger (ähnlich wie zB im zweiten Paten)?
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Die Filme des Martin Scorsese

470
Bin ich eigentlich alleine mit der Meinung, das Casino Scorseses bester Mafia Film ist und für mich sogar sein bester Film überhaupt (evtl mit Taxi Driver)?
Goodfellas erscheint mir in Inszenierung und Erzählform noch eher wie ein Prototyp und Casino der vollendete Scorsese-Mafia-Epos.
Ich kann auch mit Ballhauses Beleuchtung und Kameraarbeit wenig anfangen.

Re: Die Filme des Martin Scorsese

471
SMERSH hat geschrieben: 15. September 2020 13:32 Bin ich eigentlich alleine mit der Meinung, das Casino Scorseses bester Mafia Film ist und für mich sogar sein bester Film überhaupt (evtl mit Taxi Driver)?
Goodfellas erscheint mir in Inszenierung und Erzählform noch eher wie ein Prototyp und Casino der vollendete Scorsese-Mafia-Epos.
Ich kann auch mit Ballhauses Beleuchtung und Kameraarbeit wenig anfangen.
Ich finde beide etwa gleich stark. Beide sind sich in vielen Dingen sehr ähnlich, aber doch eigenständig genug. Casino ist bildgewaltiger und dramatischer, Goodfellas dreckiger und authentischer. De Niro ist in Casino besser, was auch an der Rolle liegt, aber in Goodfellas ist ja eh Liotta der Protagonist. Umgekehrt ist Pesci womöglich rollenbedingt in Casino einen Ticken interessanter. Die Musikauswahl in Goodfellas finde ich prägnanter und trägt mehr zum Gesamtkonzept des Films bei. 9 Punkte für beide, je nach Laune auch gerne mal 10.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

472
Casino verkörpert bereits viel von dem, was ich an dem Scorsese der letzten beiden Jahrzehnte nicht mag. Er ist exzessiv, lauflang und nimmt sich generell sehr viel Zeit um seinen Inhalt abzuhandeln. GoodFellas hat das in dieser starken Ausprägung noch nicht und ist daher wohl auch für mich der deutlich angenehmere Film.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

474
AnatolGogol hat geschrieben: 15. September 2020 13:11
Casino Hille hat geschrieben: 15. September 2020 12:54 Ich gebe dir recht, dass sein Schauspiel in "GoodFellas" weniger offensichtlich großartig ist als beispielsweise in "Taxi Driver", "The Deer Hunter" oder "Once Upon a Time in America", weil die Rolle erstens nicht zentral steht und zweitens die ganz großen Ausbrüche à la "You're talkin' to me?" ausbleiben. Aber sein Part in "GoodFellas" ist deshalb so großartig, weil De Niro die Rolle gänzlich subtil anlegen muss, weniger offensiv spielt als sonst. Sämtliche Entwicklungen, die Jimmy durchmacht, bleiben unter seiner Oberfläche verborgen, De Niros Spiel begrenzt sich gänzlich auf immer größer werdende Risse im Marmor
Weniger zentral sicherlich, aber findest du, dass Bob in Deer Hunter weniger subtil agiert als in GoodFellas? Sind die von dir angesprochenen "Risse im Marmor" nicht geradezu charakteristisch für Bobs Wildjäger (ähnlich wie zB im zweiten Paten)?
Hehe, ja, Risse im Marmor zeigt er auch in anderen Filmen, klar. Und es ist jetzt vielleicht auch etwas seltsam, bei einem der besten Schauspieler aller Zeiten seine besten Rollen gegeneinander aufzuwiegen. Um grob zu erklären was ich meine – und das ist keine Kritik an De Niros Leistung in "The Deer Hunter" oder einem der anderen genannten Filme: Es gibt Rollen, in denen du als Schauspieler dein volles Repertoire abrufen kannst, in denen du immer spielen musst. Heath Ledger als Joker in "The Dark Knight" ist da ein gutes Beispiel: Klar ist der fantastisch in der Rolle, klar ist das eine wahnsinnige Schauspielleistung. Es ist allerdings auch eine Rolle, in der der Schauspieler in jeder Szene zeigen "muss", was er auf dem Kasten hat. So eine Rolle ist beispielsweise auch Travis in "Taxi Driver". Natürlich hat die subtilere Stellen, aber es ist eine Rolle, die wie dafür gemacht ist, um ganz groß aufzuspielen. Das gilt finde ich auch für "The Deer Hunter", für De Niro und Walken. Allein die zwei Russisch Roulette Szenen werden von allen Darstellern sehr expressiv gespielt (was ja auch sinnig ist), da können sie alle große, extreme Gefühle zeigen.

Die Rolle in "GoodFellas" ist meines Erachtens eine etwas andere Kategorie, denn hier bekommt De Niro keine Ausbrüche, keine "Oscar-Momente" auf den Leib geschneidert. Das ist ein ruhiger, beherrschter Part, der bei dem einen Schauspieler zweckdienlich gut bis sehr gut funktionieren würde, durch das enorm beherrschte Spiel von De Niro mir aber eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagt. Vielleicht war subtil das falsche Wort, aber Jimmy in "GoodFellas" ist ein für einen Schauspieler oberflächlich weniger expressiver Part, den De Niro erst durch sein nuanciertes kontrolliertes Spiel zum Highlight macht.
SMERSH hat geschrieben: 15. September 2020 13:32 Bin ich eigentlich alleine mit der Meinung, das Casino Scorseses bester Mafia Film ist und für mich sogar sein bester Film überhaupt (evtl mit Taxi Driver)?
Goodfellas erscheint mir in Inszenierung und Erzählform noch eher wie ein Prototyp und Casino der vollendete Scorsese-Mafia-Epos.
Ich kann auch mit Ballhauses Beleuchtung und Kameraarbeit wenig anfangen.
Alleine bist du damit nicht, aber zumindest ich kann dir kaum zustimmen. "GoodFellas" und "Taxi Driver" sind für mich die zwei 10er Filme von Scorsese, und "GoodFellas" komplettiert neben Coppolas Zweiteiler (nicht Trilogie), Hawks' Narbenfresse und Leones Amerika-Märchen meine Top 5 des Gangsterfilms – und innerhalb dieser steht er noch in der oberen Hälfte. :wink: Bezüglich Tempo-/Pacing- und Handlungsentwicklung ist das für mich ein Musterbeispiel für perfektes Erzählen, und das obwohl hier ein durchaus komplexer Mini-Kosmos betrachtet wird, mit vielen schillernden Figuren. Ganz ehrlich: Da ist das Drehbuch von "GoodFellas" selbst vielen TV-Serien überlegen, denn auch wenn "Breaking Bad" oder "Boardwalk Empire" natürlich viel ausführlicher erzählen können und daraus ihre Kunstform destillieren, ist die notwendige Kompaktheit der Trumpf von "GoodFellas". 00T hat es weiter oben perfekt ausgeführt: "GoodFellas" begeistert mich nicht einfach nur, weil er ein wirklich spannendes Mafia-Epos ist, sondern weil er darüber hinaus (wie viele Scorsese-Filme) eine Geschichte über Parallelgesellschaften und Männlichkeits-Bilder erzählt. Letztlich geht es um Familie und Vertrauen, aber vor allem auch um Fassaden und darum, wie Menschen sich selbst verbiegen und verraten, um Teil einer Gemeinschaft zu werden – die letztlich natürlich nur so lange stabil ist, wie alle gemeinsame Interessen verfolgen. Wenn De Niro im letzten Drittel irgendwann Ray Liotta und seine Frau verrät und in den Tod schicken will, schwitze ich immer mit, diese Parts sind so grandios gespielt, inszeniert. Die Atmosphäre des Films ist der Wahnsinn – und wer davon süchtig ist und mehr will, der kann sich sechs Staffeln lang die stilistisch artverwandte HBO-Serie "Die Sopranos" ansehen, in der gewissermaßen fast der ganze "GoodFellas"-Cast sich nach und nach die Ehre gibt.

Michael Ballhaus ist für die Klasse des Films unschätzbar wichtig und wenn du damit nicht so viel anfangen kannst, ist das natürlich schon problematisch für das Genießen von Scorseses Meisterstück. Alleine die Copacabana-Fahrt ist für mich Filmgeschichte pur: Scorsese und Ballhaus erzählen da in wenigen Minuten ohne Schnitt mehr über ihre Welt, ihre Figuren und ihre Themen, als es andere Filme in drei Stunden Laufzeit hinbekommen. Besser geht es nicht und "GoodFellas" ist meines Erachtens durchgehend sensationell fotografiert. Die ganze Szene, in der die drei Protagonisten bei Tommys Oma sind, während der Tote im Kofferraum schlummert, ist genial gefilmt (hier passt der Begriff Genialität mal ohne Übertreibung!). "GoodFellas" vereint für mich zwei Traum-Trios: Robert De Niro / Ray Liotta / Joe Pesci vor und Thelma Schoonmaker / Martin Scorsese / Michael Ballhaus hinter der Kamera.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

475
Es gibt sogar eine Szene die ich von De Niro etwas schwach gespielt finde. Seine Reaktion auf die Batts-Rache, wie er ein bisschen heult. Die Szene an sich ist grossartig, auch alles andere was die Darsteller inklusive De Niro machen überzeugt, aber diese Schluchzer sind mir zu aufgesetzt und natürlich. Natürlich sollen die Tränen und Schluchzer nur kurz durchblitzen, weil er in dieser Rolle, in dieser Welt nicht weinen darf, aber das hätte subtiler sein müssen. Stattdessen spielt er die ganze Reaktion sehr gut aber macht dazwischen unnatürliche Schluchz-Geräusche.



Absolut grandios ist diese Szene hier, wie er den Perückenmann, der immer wieder wegen seinem Anteil am Lufthansa-Raub nervt, zu ermorden beschliesst (und damit die ganze Mordserie plant, die später so herrlich in Claptons Layla verpackt wird). Natürlich hilft es sehr, dass Marty Sunshine of your Love auflegt und mit der Kamera langsam heranfährt, aber wie De Niro mimisch agiert, wie er den psychotischen Aspekt der Figur, die ansonsten so elegant verkleidet ist, durchblitzen lässt, das ist sensationell.



Ansonsten hat Hille längst alles zu Goodfellas gesagt, was 00T nicht eh schon erwähnt hat. Von nun an werde ich nur noch euch beide zitieren. :wink:
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

476
GoldenProjectile hat geschrieben: 16. September 2020 11:19 Seine Reaktion auf die Batts-Rache, wie er ein bisschen heult. Die Szene an sich ist grossartig, auch alles andere was die Darsteller inklusive De Niro machen überzeugt, aber diese Schluchzer sind mir zu aufgesetzt und natürlich. Natürlich sollen die Tränen und Schluchzer nur kurz durchblitzen, weil er in dieser Rolle, in dieser Welt nicht weinen darf, aber das hätte subtiler sein müssen. Stattdessen spielt er die ganze Reaktion sehr gut aber macht dazwischen unnatürliche Schluchz-Geräusche.
Tatsächlich passt das eigentlich ganz gut zu einem Mann, der nie weint, vielleicht noch nie richtig geweint hat und jetzt gar nicht weiß, wie er in dieser Sekunde und mit dieser Situation umgehen muss. Immerhin ist in dem Moment für ihn gar nicht sicher, ob einfach nur Tommy umgebracht wurde oder ob es ihm auch an den Kragen gehen könnte. Für einige Sekunden muss er befürchten, dass die Mafiosi von seinem Involvement in diese Geschichte wissen und es ihm ebenfalls an den Kragen gehen könnte. Und das Jimmy als ein Mann, der weinen vielleicht nur aus dem Fernsehen kennt, in diesen paar Sekunden ein Schluchzen hervorpresst, finde ich ziemlich glaubwürdig. Aber genau das ist eine Szene, die verdeutlicht, was ich vorhin meinte: In anderen Filmen und in anderen Rollen dürfte der Star mehr aus sich rauskommen, De Niro muss aber immer sehr kontrolliert bleiben in der Rolle, weshalb sie oberflächlich weniger interessant sein mag, für mich aber schauspielerisch fast noch mehr hergibt. Und der "Dead Stare" ist übermenschlich, ganz großes Kino und jeder weiß sofort, was als Nächstes passieren wird.
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

477
Casino Hille hat geschrieben: 16. September 2020 10:55 Hehe, ja, Risse im Marmor zeigt er auch in anderen Filmen, klar. Und es ist jetzt vielleicht auch etwas seltsam, bei einem der besten Schauspieler aller Zeiten seine besten Rollen gegeneinander aufzuwiegen. Um grob zu erklären was ich meine – und das ist keine Kritik an De Niros Leistung in "The Deer Hunter" oder einem der anderen genannten Filme: Es gibt Rollen, in denen du als Schauspieler dein volles Repertoire abrufen kannst, in denen du immer spielen musst. Heath Ledger als Joker in "The Dark Knight" ist da ein gutes Beispiel: Klar ist der fantastisch in der Rolle, klar ist das eine wahnsinnige Schauspielleistung. Es ist allerdings auch eine Rolle, in der der Schauspieler in jeder Szene zeigen "muss", was er auf dem Kasten hat. So eine Rolle ist beispielsweise auch Travis in "Taxi Driver". Natürlich hat die subtilere Stellen, aber es ist eine Rolle, die wie dafür gemacht ist, um ganz groß aufzuspielen. Das gilt finde ich auch für "The Deer Hunter", für De Niro und Walken. Allein die zwei Russisch Roulette Szenen werden von allen Darstellern sehr expressiv gespielt (was ja auch sinnig ist), da können sie alle große, extreme Gefühle zeigen.

Die Rolle in "GoodFellas" ist meines Erachtens eine etwas andere Kategorie, denn hier bekommt De Niro keine Ausbrüche, keine "Oscar-Momente" auf den Leib geschneidert. Das ist ein ruhiger, beherrschter Part, der bei dem einen Schauspieler zweckdienlich gut bis sehr gut funktionieren würde, durch das enorm beherrschte Spiel von De Niro mir aber eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagt. Vielleicht war subtil das falsche Wort, aber Jimmy in "GoodFellas" ist ein für einen Schauspieler oberflächlich weniger expressiver Part, den De Niro erst durch sein nuanciertes kontrolliertes Spiel zum Highlight macht.
Meinst du das mit ruhig & beherrscht?

:mrgreen:
Bitte entschuldige meine etwas plumpe Replik auf deine interessanten Ausführungen, aber die Vorlage war einfach zu gut. :D
Ich müsste GF mal wieder anschauen, um da konkret auf sein Spiel einzugehen. Sehr zurückgenommen empfand ich ihn zB in A Bronx Tale, wo er fast schon unauffällig agiert (was aber nicht negativ gemeint ist).
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

478
Ja, das ist doch eine Szene, nach der er sich dann direkt wieder emotional fängt und seinen kurzen Gefühlsausbruch sofort in sich kehrt, da er als Mann, als Good Fella, auf gar keinen Fall wirklich weinen darf – geschweige denn überhaupt zeigen, wie es ihm innerlich geht. Obwohl gerade sein bester Freund ermordet wurde und er denken muss, dass es ihn jetzt als nächstes treffen wird. Nach seinem Fast-Zusammenbruch schlägt er direkt in Alphamännchen-Aggression vor dem jüngeren Henry um, seine psychotische spätere Entwicklung, die in Richtung Paranoia geht, bleibt ebenfalls immer in seiner Körpersprache versteckt, selten in seinem Gesicht.

Ich meinte natürlich auch nicht, dass De Niro in "GoodFellas" gar keine Emotionen zeigt und nur einen coolen Mafiosi spielt. :wink:
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Re: Die Filme des Martin Scorsese

479
Casino Hille hat geschrieben: 16. September 2020 12:33 Obwohl gerade sein bester Freund ermordet wurde
Auch eine Vorlage, die ich gerade nicht ignorieren kann, sorry. Aber seinen eigentlichen besten Freund hat er in Wahrheit selber von Tommy ermorden lassen.

https://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_De ... nd_Jerothe

Sagt mal, was sind denn so eure Top 5 oder Top 10 schauspielerische Auftritte vom Bob? Ich bin gerade am überlegen und ich denke tatsächlich dass Goodfellas da nicht dabei wäre. Vielleicht müsste ich mich bei der nächsten und 265. Sichtung aber tatsächlich mal etwas mehr auf ihn achten.
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