1239
von danielcc
00-Agent
Nun ist die erste Staffel von Picard vorüber und Zeit ein Fazit zu ziehen, da alles was ich zum Finale zu sagen habe gleichzeitig die Kritik an der Serie an sich widerspiegelt und beinhaltet.
Zwar hatte ich aufgrund unendlich vieler nostalgischer Moment immer mal wieder ein TNG-Wohlgefühl, dennoch kann ich wirklich nur zu einem verheerenden Urteil kommen.
Picard ist wohl das zwangsläufige Ergebnis, wenn man ein Franchise, welches in den letzten Jahren in jeder Hinsicht geschunden wurde (von Nemesis über Abrams bis hin zu Discovery), wiederbeleben möchte, gleichzeitig die Unarten heute populärer Streaming-Serien einsetzt aber inhaltlich voll auf Nostalgie setzt, und das Ganze dann auch noch von Machern umsetzen lässt, die Drehbücher durchwinken die nicht mal auf Fan Fiction Niveau sind.
Dies alles manifestiert sich insbesondere im Staffelende-Zweiteiler (warum Zweiteiler wenn eh jede Folge zusammenhängt erschließt sich niemandem). Was geheimnisvoll, neuartig, dramatisch, verschwörerisch und darstellerisch gut gestartet war, mündet in eine völlig simplen TND-EveryDay Folge, wo es um die Aufnahme einer bedrohten „neuen Rasse“ in die Föderation geht. Sowas hätte in den 90ern vielleicht für eine gute Data/Lore/Soong-Doppelfolge gereicht. Heute braucht man 10 Folgen und macht dabei nichts besser. Die unendliche Anzahl von Charakteren mit all ihren Pseudo-Charakterisierungen und Einzelschicksalen muss irgendwie zu einem Schluss gebracht werden, jeder Charakter soll im finalen Zweiteiler doch irgendwie noch beschäftigt werden, jeder mal so verheißungsvoll angerissene und unterwegs vermasselte Handlungsstrang will beendet werden, jedes Nostalgie-Gimmick muss irgendwie untergebracht werden. Dazu ein völlig Star Trek unwürdige Missachtung jeder Physik und jeder Wahrscheinlichkeiten – bitter.
Fast muss einem Patrick Stewart leidtun, wie er da oft rumsteht und verschenkt wird, wie er naiven Dialogen zuhören muss, und selbst kaum besser in den Mund gelegt bekommt. Oft wirkt er verloren trotz all seines Charismas, und das allerschlimmste: Am Ende ist er für die ganze Staffel und den Ausgang dieses großen Handlungsborgens fast irrelevant wie einst Indiana Jones im ersten Film.
All zu oft paaren sich bei all dem schöne Nostalgie Momente mit falsch verstandenem Fan Service:
- Riker wieder als Commandant? Super aber einfach mal eben so aus dem Ruhestand eine Flotte von Hunderten Schiffen anführen??
- Seven of Nine: Immer nett aber leider hat sie auch hier wieder nichts zu tun
- Spiner in einer Doppelrollle: Aber warum entpuppt sich Soongs Sohn dann nicht konsequenterweise als Datas Bruder?
- Die Data-Picard Traumsequenz: Nett gemeinter Abschied, um das dödelige Ende von Nemesis zu kompensieren?
Dann die eklatanten Script Mängel immer dann wenn es knifflig wird.
- Da wird mal eben ein Tool kreiert, mit dem sich alles von selbst repariert.
- Da wird in Sekunden eine massive Täuschung im Weltall programmiert von einer Frau die sowas nie gemacht hat, und damit eine der schlausten Frauen der Föderation/der Romulaner veräppelt
- Da kann Picard auf ein Mal ein Schiff fliegen von dem er keine Ahnung hat
- Warum brauch es 200 romulanische Schiffe? Warum gibt es überhaupt so viele? Warum kann der völlig geheime Tal Shiar eine solche Flotte mobilisieren?
- Wo zur Hölle kommen so schnell so viele Föderation Schiffe her???
Getoppt wird das Ganze dann von einer Wiederholung des gleichen dummdreisten Gauklertricks, der schon in der „Neuverfilmung“ von Star Trek 2 von Abrams verwendet wurde. Da wird die lebende Legende Picard mal eben für billige Pseudo-Dramatik geopfert, nur um sie Sekunden später mit einem Taschenspielertrick wieder zu beleben, und dann noch - obwohl nun eigentlich ein Android - schnell noch hinterherschieben, dass sich aber nichts an seiner Menschlichkeit geändert hat.
Mein Appell:
Engagiert für Staffel 2 fähige Leute, die langfristig Interesse an einer behutsamen Entwicklung der Serie haben.
Ein paar Folgen darüber wie Picard die Föderation wieder auf alten Kurs bringt, dann Einzel-Episoden mit Picard als Sonderbotschafter der Föderation mit neuer Crew für Spezialeinsätze.
"It's been a long time - and finally, here we are"