83
von Casino Hille
'Q Branch' - MODERATOR
Habe heute JFK (im Directors Cut) und NBK gesehen. Beides schöne Filme, beide auf eine gewisse Art und Weise sicherlich mit das provozierendste, was Hollywood so hervorgebracht hat. Beide aber auch sehr unterschiedlich. JFK ist sicher im Aufbau ein klassischer biografischer Film, aber von einer unglaublichen inszenatorischen Brillanz. Über eine Laufzeit von 200 Minuten hinweg ist die Spannung konsequent auf höchstem Niveau, weil Stone beweist, dass er verstanden hat, wie man überzeugend mit den Mitteln der filmischen Montage umgeht. Es ist ein echter Genuss, diese höchst ambitionierte Verknüpfung von Realität und Fiktion zu begutachten, und damit den Zuschauer zum Mitverschwörer im behaupteten Kennedy-Komplott macht. Gerade diese grenzenlose Überzeugung, die Stones Film ausstrahlt, die voll hinter der historischen Person Garrison steht, ist das belebende und emotionale Sujet des Politthrillers von monumentaler Länge. Wäre Kennedy nicht wirklich erschossen worden, für diesen Film hätte es sich glatt gelohnt, es zu erfinden. Auch der grandiose Cast tut sein übriges: Tommy Lee Jones, Jay O. Sanders, Wayne Knight und Kevin Bacon sind allesamt fabelhaft, besonders lobend sollte man aber einerseits Gary Oldman erwähnen, der in Rückblenden den Kennedy-Mörder Lee Harvey Oswald verkörpert und wie eine leere Projektionsfläche seine Mimik stets genau dem anpasst, wohin Stone sein Publikum mit den Sympathien für Oswald gerade manövrieren will, und andererseits natürlich Kevin Costner, der in moralisch aufrechten Rollen einfach ein Schauspiel-Gott ist und in seinem viertelstündigen Schlussplädoyer ganz große Gänsehaut beschwört. Mindestens 9/10.
NBK war ebenfalls ein sehr interessanter Film, fast eine Stonesche Variation von Tarantinos postmodernen 90er Filmen, aber mit deutlich mehr gesellschaftskritischer Brisanz aufgeladen und mit einer rekordverdächtigen Schnittfrequenz. NBK ist weniger ein Film als eine reizüberflutende Gewaltorgie mit überdimensionalen Ausmaßen. Robert Richardson leistet als Kameramann hier ganze Arbeit und Stones Übersicht bei all den gefilmten Bruchstückchen ist fast so bewundernswert wie die Tatsache, dass er aus all dem einen halbwegs inhaltlich verständlichen Film basteln konnte. NBK ist als Mediensatire auf Ecstasy zu verstehen, als Spiegel für den Konsumenten und als subversives Spiel mit Konstruktionen der Popkultur (etwa, wenn der Film für mehrere Minuten als Sitcom erzählt wird). Dabei lässt Stone alle Darsteller hemmungslos chargieren, Tommy Lee Jones ist als Gefängniswärter so überdreht wie sonst nie in seiner Karriere und besonders Robert Downey Jr. darf als Fernsehmoderator (und Repräsentant der Massenmedien) einen puren Pausenclown offerieren. Insgesamt ist NBK daher oft genug ziemlich anstrengend, auch weil Stones Botschaft nicht wirklich subtil, sondern mit dem Holzhammer auf das Publikum eingedroschen wird. Seine Wirkung verliert das Ganze dennoch nicht und man glaubt regelrecht zu spüren, dass Stone hier einen wunden Punkt getroffen hat und nur Zerstörung übrig lässt. Auch wenn es mir schwer fällt, zusammen zu fassen, was er hier eigentlich zerstört hat. Vorsichtige 8/10, müsste den aber irgendwann noch mal sehen.
https://filmduelle.de/
Let the sheep out, kid.