Re: Die Filme des Oliver Stone

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AnatolGogol hat geschrieben:GP, deine Erwartungshaltung bzw. dein Wunsch nach mehr Bandportrait ist verständlich angesichts des etwas in die Irre führenden Filmtitels. The Doors ist kein Film über die Doors, noch nicht einmal wirklich über Morrison. Es ist in meinen Augen in erster Linie das Portrait einer Epoche und wie diese von dem Phänomen der Doors mitgeprägt wurde. Als solches funktioniert der Film finde ich sehr gut, auch weil die Ausstattung die späten 60er sehr authentisch zum Leben erwecken. Stones Hang zu experimenteller Bildsprache kann er hier dann auch zum ersten Mal richtig ausleben und ist angesichts dessen, dass Drogenkonsum in der portraitierten Epoche und Gesellschaft eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt auch mehr als passend. Der Film ist allerdings auch zuweilen dramaturgisch sprunghaft und mäandert gelegentlich gar etwas vor sich hin, jedoch die außerordentlich schauspielerische Verwandlung von Kilmer macht die für mich mehr als wett. Ich würde ihn mittlerweile bei 8 Punkten sehen, aber auch nicht mehr.
Wie siehst du die Doors musikalisch? Hörst du die gerne oder ist das nicht dein Ding? Bei deiner Auseinandersetzung mit dem Film tippe ich mal auf ja.
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Re: Die Filme des Oliver Stone

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GoldenProjectile hat geschrieben:Wie siehst du die Doors musikalisch? Hörst du die gerne oder ist das nicht dein Ding? Bei deiner Auseinandersetzung mit dem Film tippe ich mal auf ja.
Die Doors hab ich früher häufiger gehört (in meiner Jugend), mittlerweile aber eigentlich gar nicht mehr. Nicht weil ich sie nicht mehr mag, aber es ist musikalisch einfach nicht so wirklich meins. Ich komm halt doch eher von der "erdigeren" und härteren Rockschiene, die Doors sind mir eigentlich zu soft.
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Re: Die Filme des Oliver Stone

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AnatolGogol hat geschrieben:
GoldenProjectile hat geschrieben:Wie siehst du die Doors musikalisch? Hörst du die gerne oder ist das nicht dein Ding? Bei deiner Auseinandersetzung mit dem Film tippe ich mal auf ja.
Die Doors hab ich früher häufiger gehört (in meiner Jugend), mittlerweile aber eigentlich gar nicht mehr. Nicht weil ich sie nicht mehr mag, aber es ist musikalisch einfach nicht so wirklich meins. Ich komm halt doch eher von der "erdigeren" und härteren Rockschiene, die Doors sind mir eigentlich zu soft.
Ich finde sie bieten eine starke Mischung aus Härte (weniger im Sinne von richtig hart, mehr eine gewisse bluesige "Wildheit" im Zusammenspiel der Instrumente, wenn du verstehst was ich meine) und eher ruhigen, poetischen Klängen. Ausserdem haben sie sich nicht zuletzt durch Manzareks charakteristisches Orgelspiel einen unverwechselbaren Sound geschaffen. Die drei Alben die ich habe höre ich regelmässig.

Was wären denn so deine Top 10 Door-Stücke (oder waren es damals)? Bei mir etwa so:

1. Light my Fire
2. The End
3. Moonlight Drive
4. Roadhouse Blues
5. Break on through to the other side
6. Waiting for the Sun
7. When the Music is over
8. Take it as it Comes
9. People are Strange
10. Soul Kitchen
11. Peace Frog

Dann halt elf. :)
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Re: Die Filme des Oliver Stone

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GoldenProjectile hat geschrieben:Was wären denn so deine Top 10 Door-Stücke (oder waren es damals)?
Roadhouse; L.A. Woman; Break on thru; Riders; Waiting; The End; Strange Days; Touch me; Light my Fire - das waren damals so meine Favoriten. Roadhouse und L.A. Woman find ich heute noch richtig klasse. :D
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Re: Die Filme des Oliver Stone

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Habe heute JFK (im Directors Cut) und NBK gesehen. Beides schöne Filme, beide auf eine gewisse Art und Weise sicherlich mit das provozierendste, was Hollywood so hervorgebracht hat. Beide aber auch sehr unterschiedlich. JFK ist sicher im Aufbau ein klassischer biografischer Film, aber von einer unglaublichen inszenatorischen Brillanz. Über eine Laufzeit von 200 Minuten hinweg ist die Spannung konsequent auf höchstem Niveau, weil Stone beweist, dass er verstanden hat, wie man überzeugend mit den Mitteln der filmischen Montage umgeht. Es ist ein echter Genuss, diese höchst ambitionierte Verknüpfung von Realität und Fiktion zu begutachten, und damit den Zuschauer zum Mitverschwörer im behaupteten Kennedy-Komplott macht. Gerade diese grenzenlose Überzeugung, die Stones Film ausstrahlt, die voll hinter der historischen Person Garrison steht, ist das belebende und emotionale Sujet des Politthrillers von monumentaler Länge. Wäre Kennedy nicht wirklich erschossen worden, für diesen Film hätte es sich glatt gelohnt, es zu erfinden. Auch der grandiose Cast tut sein übriges: Tommy Lee Jones, Jay O. Sanders, Wayne Knight und Kevin Bacon sind allesamt fabelhaft, besonders lobend sollte man aber einerseits Gary Oldman erwähnen, der in Rückblenden den Kennedy-Mörder Lee Harvey Oswald verkörpert und wie eine leere Projektionsfläche seine Mimik stets genau dem anpasst, wohin Stone sein Publikum mit den Sympathien für Oswald gerade manövrieren will, und andererseits natürlich Kevin Costner, der in moralisch aufrechten Rollen einfach ein Schauspiel-Gott ist und in seinem viertelstündigen Schlussplädoyer ganz große Gänsehaut beschwört. Mindestens 9/10.

NBK war ebenfalls ein sehr interessanter Film, fast eine Stonesche Variation von Tarantinos postmodernen 90er Filmen, aber mit deutlich mehr gesellschaftskritischer Brisanz aufgeladen und mit einer rekordverdächtigen Schnittfrequenz. NBK ist weniger ein Film als eine reizüberflutende Gewaltorgie mit überdimensionalen Ausmaßen. Robert Richardson leistet als Kameramann hier ganze Arbeit und Stones Übersicht bei all den gefilmten Bruchstückchen ist fast so bewundernswert wie die Tatsache, dass er aus all dem einen halbwegs inhaltlich verständlichen Film basteln konnte. NBK ist als Mediensatire auf Ecstasy zu verstehen, als Spiegel für den Konsumenten und als subversives Spiel mit Konstruktionen der Popkultur (etwa, wenn der Film für mehrere Minuten als Sitcom erzählt wird). Dabei lässt Stone alle Darsteller hemmungslos chargieren, Tommy Lee Jones ist als Gefängniswärter so überdreht wie sonst nie in seiner Karriere und besonders Robert Downey Jr. darf als Fernsehmoderator (und Repräsentant der Massenmedien) einen puren Pausenclown offerieren. Insgesamt ist NBK daher oft genug ziemlich anstrengend, auch weil Stones Botschaft nicht wirklich subtil, sondern mit dem Holzhammer auf das Publikum eingedroschen wird. Seine Wirkung verliert das Ganze dennoch nicht und man glaubt regelrecht zu spüren, dass Stone hier einen wunden Punkt getroffen hat und nur Zerstörung übrig lässt. Auch wenn es mir schwer fällt, zusammen zu fassen, was er hier eigentlich zerstört hat. Vorsichtige 8/10, müsste den aber irgendwann noch mal sehen.
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Re: Die Filme des Oliver Stone

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Hille, ich sehe NBK sehr ähnlich wie du. Das grösste Plus am Film ist Stones visuelle Inszenierung, dieses kontrollierte Chaos, das besonders bei der Fluchtszene im zweiten Teil ungeahnte Ausmasse annimmt mit seiner abnormalen Schnittfrequenz, den surrealen Verfremdungen und der totalen Sinnesbombardierung. In der ersten Hälfte war dieser eigenwillige Stil teils noch sehr merkwürdig, später aber stand mir oft die Kinnlade offen, ich hätte echt nicht gedacht, dass Stone den psychedelischen visuellen "Overkill" aus The Doors noch überbieten kann, und als jemand der ihn durch die vergleichsweise nüchtern gefilmten Platoon und Wall Street kennengelernt hat habe ich bei der kürzlichen Sichtung beider Filme zum ersten Mal eine ganz andere Seite von Stone erlebt. Dafür kann ich mit den beiden Hauptfiguren so gar nichts anfangen, beide sind unterentwickelt und erlauben weder Sympathie noch Antipathie, sie hängen nur so im erzählerischen Raum. Die Lewis nervt wie eh und je und Harrelson ist halt einfach da. Insgesamt hat mich der Film immer wieder in seinen audiovisuellen Sog hineingerissen auf anderen Ebenen aber irgendwie kaltgelassen. Würde mit 7 bis 8 Punkten votieren.
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Re: Die Filme des Oliver Stone

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Casino Hille hat geschrieben:Tommy Lee Jones ist als Gefängniswärter so überdreht wie sonst nie in seiner Karriere
Interessant ist in dem Zusammenhang, dass der gute Tommy quasi direkt im Anschluss in Joel Schumachers Batman Returns eine weitere Kostprobe seiner Darstellkunst im Grenzbereich hinlegte.
GoldenProjectile hat geschrieben:die uncharismatische Lewis
Juliette Lewis ist für mich eine der interessantesten Darstellerinnen ihrer Generation. Und super aus schaut sie auch noch, schade dass ihre Schauspiel-Karriere nach den vielen starken Filmen der 90er ziemlich im Sande verlief. NBK war trotzdem nie so ganz meins, aber eine Neusichtung steht in Kürze an, also mal abwarten, ob ich mittlerweile mehr mit Stones Mediensatire anfangen kann.
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Re: Die Filme des Oliver Stone

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Daß man Lewis auch als uncharismatisch empfinden kann ist neu. Und chargieren tut sie finde ich nur bedingt, und dann natürlich im Rahmen des Films der das teilweise auch verlangt. NBK ist schon ein irrer Bildersturm. Habe ich 3 x im Kino gesehen. Mit ganz unterschiedichen Leuten, und das war jeweils recht interessant.