Re: Deutsche Schauspieler und das deutsche Kino allgemein

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iHaveCNit: Werk ohne Autor (2018)

Vor genau einer Woche habe ich bereits bei „Ballon“ gesagt, wie stark ich derzeit das deutsche Kino finde. Wie „Ballon“ war auch „Werk ohne Autor“ in der deutschen Auswahl für den Oscar und „Werk ohne Autor“ hat sich sogar den Platz gesichert. Mit Florian Henckel von Donnersmarck, der bereits für „Das Leben der Anderen“ diesen Preis geholt hat, hat man den richtigen Mann gefunden. Denn Henckel von Donnersmarck hat hier in akribischer Kleinarbeit von cirka 4 Jahren ein absolutes Mammutprojekt mit einer Laufzeit von 189 Minuten geschaffen, das mich trotz seiner Laufzeit stets fesseln konnte. Irgendwie schön, dass es beide Filme pünktlich zum „Tag der deutschen Einheit“ in die Lichtspielhäuser geschafft haben – ein sehr passender Zeitraum dafür !

Der junge Kurt Barnert muss mit ansehen, wie seine kunstbegeisterte Tante Elisabeth zur Zeit des Nazideutschlands aufgrund ihres Geisteszustands interniert wird. Ihre Kunstbegeisterung hinterlässt bei Kurt Barnert den Drang, selbst Kunst zu studieren. Während des Studiums lernt er Ellie Seeband kennen und lieben. Ihr Vater ist gegen diese Beziehung. Brisant, dass er ein angesehener Arzt zur SS-Zeit war und mit der Internierung von unter anderem der Tante von Kurt zu tun hatte. Für Kurt ist es nun wichtig, das eigene Trauma zu verarbeiten und auch seine eigene künstlerische Identität zu finden.

„Werk ohne Autor“ ist unglaublich kraftvolles und episches Kino aus Deutschland. Der Film zeigt dabei knapp 3 Jahrzehnte hindurch Epochen der deutschen Geschichte der Vorkriegszeit des zweiten Weltkrieges, der Zeit während des Krieges bis hin zur deutschen Nachkriegszeit in Ost- und Westdeutschland. Dabei blicken wir vor allem fast philosophisch und gesellschaftlich über Kunst, die Inspiration für Kunst und auch die Verarbeitung der eigenen Geschichte. Auch der Wandel der Kunstgeschichte spiegelt sich in diesem drei Epochen umspannenden Werk wieder. Der Film lebt dabei von sehr starken Einzelmomenten und ist insgesamt sehr toll erzähltes Kino. Die Musik von Max Richter und die gesamte Ausstattung des Films sorgt für eine ungemein audiovisuelle Atmosphäre, die dem Film sehr gut tut. Auch wenn die Erzählung selbst fiktiv erdacht ist, kann sich die Inspiration am Leben des deutschen Malers Gerhard Richters, dessen Lebenslauf nahezu die gleiche Struktur aufweist wie Kurt Barnert, nicht leugnen lassen. Darstellerisch wird einem vordergründig jetzt der richtige Tiefgang nicht geliefert, aber unter der Oberfläche sind die charakterlichen Traumata schon sehr spürbar. Ich brauche nicht immer die aufgesetzten Gefühle, für mich reicht es aus, wenn sie einfach nur spürbar unter der Oberfläche brodeln. Und das ist hier der Fall. Egal ob Tom Schilling, Sebastian Koch, Paula Beer und der Rest des Casts, vor allem Jörg Schüttauf, Oliver Massucci und auch Hannes Koffler geben ihr übriges, um den Film auch darstellerisch zu einem Erfolg zu verhelfen. Ich habe die starken Einzelmomente erwähnt, vor allem hierfür sorgt sehr stark ein Oliver Massucci. Ich wünsche diesem kraftvollen Epos aus Deutschland jedoch viel Erfolg für die kommende Award-Saison.

„Werk ohne Autor“ - My First Look – 9/10 Punkte.
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Re: Deutsche Schauspieler und das deutsche Kino allgemein

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iHaveCNit: Familiye (2018)

Es wird mal wieder Zeit für einen echten Geheimtipp aus Deutschland. Eine kleine feine Perle des deutschen Genrefilms. Ich finde es großartig, dass Moritz Bleibtreu von dem Independent-Werk von Sedat Kirtan und Kubilay Sarikaya Wind bekommen hat und diesem Film durch einige Kontakte den Weg auf die große Leinwand und auch ins Heimkino geebnet hat. Da ich ihn im Kino nicht sehen konnte, habe ich mich dann dazu entschieden, ihn auf jeden Fall im Heimkino nachzuholen – Und es hat sich gelohnt.

Es geht um drei Brüder in Berlin-Spandau. Danyal kommt nach 5 Jahren endlich aus dem Knast und er muss feststellen, dass seine jüngeren Brüder Miko und Mohammed in Schwierigkeiten stecken. Miko ist spielsüchtig und steht bei einigen Leuten tief in der Kreide, was für die Pflege und Fürsorge seines mit Down Snydrom geborenen Bruder Mohammed so ein Problem ist, dass Mohammed kurz vor der Einweisung in ein Heim steht. Danyal muss alles daran setzen, seine Familie zusammenzuhalten.

Der Film steckt voller Mut. Mut, den Film alleine ohne finanzielle, staatliche Fördermittel zu produzieren. Mut, den Film bereits in seinem Stil gänzlich in Schwarz/Weiß zu drehen. Mut, erst einmal überhaupt so etwas filmisch auf die Beine zu stellen. Hier gefällt mir die Mischung aus Sozialdrama, Milieustudie, Familiendrama und Gangsterthriller richtig gut und man spürt förmlich, dass alle Beteiligten ihre Straße am besten kennen. Es ist immer besser, etwas für das Milieu zu drehen, als etwas über das Milieu zu drehen. Der Film pendelt ausgewogen zwischen Genrefilm und Arthouse-Kino hin und her und schafft es sehr gut, beide Seiten zu bedienen. Man darf auch nicht vergessen, dass man hier sogar den einen oder anderen filmischen und handwerklichen Trick nutzt, mit Kamerafahrten, Zooms, Kameraeinstellungen, usw. Auch eine Voice-Over-Narration, in dem man mit diversen Situationen im Glücksspiel auch Lebensphilosophien aufziehen kann, hat mir gut gefallen. Nur mit den Dialogen selbst tue ich mich etwas schwer. Hier stellt sich für mich die Frage, ob die Leute in Berlin-Spandau mit dem Hintergrund tatsächlich so reden oder ob man sich gedacht hat, einfach klassische, platte und klischeebeladene Sprüche zu bringen, die für das Genre eigentlich üblich sind – Manches wirkt eben sehr „cheesy“ ! Aber gerade der Kommentar, wie wichtig Familie doch ist und dass ein großer Bruder versucht, für seine beiden benachteiligten Brüder da zu sein – der eine etwas undiszipliniert und der andere mit einer geistigen Benachteiligung – erinnert mich an mich selbst und meine Bindung zu meinen Brüdern, die für mich das Wichtigste im Leben sind.

„Familiye“ - My First Look – 8/10 Punkte.
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Re: Deutsche Schauspieler und das deutsche Kino allgemein

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Auch wenn weder die eine noch die andere Vorgabe des Threadtitels erfüllt werden, so ist diese das deutsche Schauspielgeschehen zumindest peripher streifende Meldung viel zu wichtig, als dass sie irgendjemandem entegehen sollte :mrgreen: :

Florian Silbereisen wird "Traumschiff"-Kapitän

http://www.spiegel.de/kultur/tv/florian ... 49859.html

"Das "Traumschiff" habe einen Kapitän verdient, der diese Rolle auch lebe und voll hinter der Serie stehe. Einen Kapitän, der das Schiff durch alle Stürme manövrieren möchte, sagte Silbereisen. "Dafür werde ich alles geben, meine ganze Leidenschaft.""
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Deutsche Schauspieler und das deutsche Kino allgemein

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AnatolGogol hat geschrieben: 25. Januar 2019 10:06
Florian Silbereisen wird "Traumschiff"-Kapitän

http://www.spiegel.de/kultur/tv/florian ... 49859.html

"Das "Traumschiff" habe einen Kapitän verdient, der diese Rolle auch lebe und voll hinter der Serie stehe. Einen Kapitän, der das Schiff durch alle Stürme manövrieren möchte, sagte Silbereisen. "Dafür werde ich alles geben, meine ganze Leidenschaft.""
Um es mit Maibaums Worten zu sagen: Laaaaangweilig...
#London2024

"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."

Re: Deutsche Schauspieler und das deutsche Kino allgemein

85
Samedi hat geschrieben: 26. Januar 2019 14:26
AnatolGogol hat geschrieben: 25. Januar 2019 10:06
Florian Silbereisen wird "Traumschiff"-Kapitän

http://www.spiegel.de/kultur/tv/florian ... 49859.html

"Das "Traumschiff" habe einen Kapitän verdient, der diese Rolle auch lebe und voll hinter der Serie stehe. Einen Kapitän, der das Schiff durch alle Stürme manövrieren möchte, sagte Silbereisen. "Dafür werde ich alles geben, meine ganze Leidenschaft.""
Um es mit Maibaums Worten zu sagen: Laaaaangweilig...
Nein, nein, nicht langweilig. Sondern lustig. Die Meldung ist sehr vergnüglich.
#Marburg2024

Früher war mehr Atombombe

Re: Deutsche Schauspieler und das deutsche Kino allgemein

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iHaveCNit: Sweethearts (2019)
14.02.2019


Der deutsche Film als solcher, wie er mich interessiert, sieht aktuell für das Filmjahr 2019 noch relativ mau aus. Dementsprechend freue ich mich, dass es dann doch noch einen Film aus Deutschland gibt, der mich gerade ob seinem eher misslungenen Marketing sehr positiv überrascht hat. Als ich Bescheid wusste, dass ein neuer Film mit Frederick Lau in einer wichtigen Rolle herauskommt, habe ich mir „Sweethearts“ direkt auf die Liste gesetzt. Der Trailer selbst und das Poster ist etwas misslungen und irreführend gewesen, aber ich habe mich davon nicht beirren lassen und habe mich im Kino selbst überraschen lassen. Und „Sweethearts“ weckt in mir den Drang, natürlich auch mal Karoline Herfurths erste Regiearbeit „SMS für dich“ zu sichten.

Mel ist eine allein erziehende Mutter und will für sich und ihre Tochter ein besseres Leben aufbauen. Sie war gerade dabei, ein teures Diamantenarmband zu stehlen und die Flucht aufzunehmen, als ihr plötzlich Franny über den Weg läuft. Franny wird ohne Umschweife von Mel als Geisel genommen, doch nach kurzer Zeit merkt sie, dass es mit Franny nicht leicht wird. Denn Franny leidet unter extremen Panikattacken und ist sozial eher inkompatibel einzustufen. Trotz aller Unterschiede rauft sich das ungleiche Frauen-Duo zusammen, während die Polizei immer tiefer ermittelt. Die Situation verschärft sich, als der Streifenpolizist Harry auftaucht und von den beiden prompt als Geisel genommen wird.

Während des Films habe mir so gedacht, welche tolle Mischung ich mir gerade hier ansehe. Es wirkt so, als würde man einen deutschen Film im Stile von „Nur Gott kann mich richten“ und „Asphaltgorillas“ sehen, der sogar ein wenig von Ridley Scotts „Thelma & Louise“ mitbringt. Karoline Herfurth gelingt hier ein toller Spagat, sowohl Erwartungshaltung und Klischees zu bedienen, als sie auch zu brechen. Sie hat ein sehr tolles Gespür für die tiefgründige Vielseitigkeit und Ambivalenz der Charaktere und schafft somit unabhängig von der Rechtmäßigkeit hinter einigen Motiven eine Bindung und Sympathie zu den Charakteren. Dabei gelingt ihr auch ein toller Spagat zwischen ernstem Drama und witziger Komödie. Klar wirkt die Dramaturgie des Films an einigen Stellen und die Zusammenhänge etwas holprig, aber das kann ich einigermaßen verschmerzen. Der Actionanteil ist eher bedächtig gewählt und hier bleibt der wie immer sehr stark von mir kritisierte Inszenierungsstil mit verwackelter Kamera und schnellen Schnitten bei mir eher negativ zurück, so dass dies eine entsprechend höhere Wertung verhindert. Gerade die Dynamik des Films, die sich erst durch das toll spielende Duo Karoline Herfurth und Hannah Herzsprung und dann auch noch im Trio durch Frederick Lau entwickelt und mit einer sehr coolen und trockenen Anneke Kim Sarnau ergänzt wird sorgt für den Sog einer emotionalen Achterbahnfahrt, in die einen der Film schmeißt. Garniert wird das ganze von tollen weiteren Auftritten von Ronald Zehrfeld, Cordula Stratmann, David Schütter und Katrin Sass sowie einem toller Optik und einem coolen Soundtrack mit Songs, die perfekt auf die jeweilige Situation getrimmt sind. Alles in allem ein gelungener Film, bei dem man sich von dem weniger guten Marketing nicht abschrecken und sehr überraschen lassen sollte.

„Sweethearts“ - My First Look – 8/10 Punkte
"Weiter rechts, weiter rechts ! ..... "

Re: Deutsche Schauspieler und das deutsche Kino allgemein

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Zuletzt gesehen: Die Goldfische (2019)
21.03.2019




Endlich mal wieder ein toller deutscher Film!

"Die Goldfische" ist ein Roadmovie der etwas anderen Art. Mit Tom Schilling und Jella Haase in den Hauptrollen perfekt besetzt. Außerdem dabei sind Birgit Minichmayr, Klaas Heufer-Umlauf und Axel Stein.

Für die Regie war Alireza Golafshan zuständig.

„Die Goldfische“ - Erstsichtung vor dem Bundesstart – 9/10 Punkte
#London2024

"Wo man lacht, da lass dich ruhig nieder. Böse Menschen lachen immer wieder."