Re: Der Batman-Thread

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Natürlich kann man die Geschichte fortsetzen wenn man denn will, aber was gibt es denn noch groß zu sagen? Die Quintessenz des Phoenix-Jokers wurde herausgearbeitet, es gibt eigentlich nichts mehr zu sagen. Eine Fortsetzung würde also fast zwangsläufig belanglos werden.
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Re: Der Batman-Thread

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Nach einem guten Film gibt es in der Regel nie noch etwas zu sagen. Für eine gute Fortsetzung überlegt man sich etwas Neues, dass man auf dem Vorherigen aufbauend erzählen kann. Und da sehe ich für Joker dutzende Möglichkeiten, und die findet garantiert jeder halbwegs gute Autor problemlos.
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Re: Der Batman-Thread

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Aktuell scheint man bei DC wohl bereits umzuschwenken und man will offenbar den Pattinson-Batman doch im gleichen Universum spielen lassen wie den Phoenix-Joker. Der Film soll demnach in den 90ern angesiedelt sein. Ob nun Phoenix selbst bereits in diesem Film auftaucht oder erst in dessen möglicher Fortsetzung einen Auftritt haben wird, das wird sich erst noch herausstellen.
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Re: Der Batman-Thread

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Samedi hat geschrieben: 31. Oktober 2019 12:39 "Joker" ist übrigens aktuell der umsatzstärkste R-Rating-Kinofilm aller Zeiten.
Dann hätten sie aus dem R-Rating ja noch etwas mehr rausholen können! Mir war vieles in diesem meiner Ansicht nach durchaus gelungenen Film leider nicht zuende gedacht, wenn schon auf "Provoaktion", dann richtig. Unglaublich, wie viel mutiger und radikaler Regisseure wie Scorcese in den 70er/80er Jahre waren. Man könnte meinen, Hollywood seien die Eier abgefallen.

Re: Der Batman-Thread

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craigistheman hat geschrieben: 31. Oktober 2019 15:51
Samedi hat geschrieben: 31. Oktober 2019 12:39 "Joker" ist übrigens aktuell der umsatzstärkste R-Rating-Kinofilm aller Zeiten.
Dann hätten sie aus dem R-Rating ja noch etwas mehr rausholen können! Mir war vieles in diesem meiner Ansicht nach durchaus gelungenen Film leider nicht zuende gedacht, wenn schon auf "Provoaktion", dann richtig. Unglaublich, wie viel mutiger und radikaler Regisseure wie Scorcese in den 70er/80er Jahre waren. Man könnte meinen, Hollywood seien die Eier abgefallen.
Was genau hättest du denn beim "Joker" "mutiger", "radikaler" und "provokativer" haben wollen?
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Re: Der Batman-Thread

443
Habe Joker Dienstag Abend auch gesehen.
Irgendwie ist das bisher nicht mein (Kino-)Filmjahr.

Aber zunächst: der Film an sich ist gut und abseits der ausgetrampelten Superheldenpfade eine erfrischende Abwechslung. Eben auch als etwas anderer „Becoming Joker“ als man sich den typischen Origin-Comicstreifen vorstellt.

All das wusste ich vorher. Trotzdem war ich davon ausgegangen, dass zum Ende des Films wir ein wenig mehr Standardware bekommen. So ist der Film wirklich ein Psychogramm und hält dies auch bis zum Ende konsequent durch. Wobei die Underdogstory ab einem gewissen Punkt dann dafür doch wieder etwas zu viel ist.

Das macht den Film nicht zur leichten Kost (die ich irgendwie auch am gernsten habe) für mich.
❤️☮️🧘🏻‍♂️

Re: Der Batman-Thread

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Samedi hat geschrieben: 31. Oktober 2019 16:00
craigistheman hat geschrieben: 31. Oktober 2019 15:51
Samedi hat geschrieben: 31. Oktober 2019 12:39 "Joker" ist übrigens aktuell der umsatzstärkste R-Rating-Kinofilm aller Zeiten.
Dann hätten sie aus dem R-Rating ja noch etwas mehr rausholen können! Mir war vieles in diesem meiner Ansicht nach durchaus gelungenen Film leider nicht zuende gedacht, wenn schon auf "Provoaktion", dann richtig. Unglaublich, wie viel mutiger und radikaler Regisseure wie Scorcese in den 70er/80er Jahre waren. Man könnte meinen, Hollywood seien die Eier abgefallen.
Was genau hättest du denn beim "Joker" "mutiger", "radikaler" und "provokativer" haben wollen?
Mutig, radikal und provokant wäre es gewesen, wenn nicht wieder "die üble, egoistische, menschenverachtende Gesellschaft" für das Verderben eines Einzelschicksals verantwortlich gemacht worden wäre - wie es in zig Hollywood-Filmen vor und nach "Joker" der Fall ist.
Ein Mensch kann sich auch ganz von alleine zu einem Monster entwickeln, kann auch einfach Spaß an Perversion und Sadismus empfinden, so ganz ohne Kindheitstrauma, sondern weil es möglich ist, weil es einen Kick verschafft und weil die meisten Menschen mit so einem Verhalten in ihrer unmittelbaren Umgebung erstmal nicht rechnen. Es ist eigentlich völlig trivial.
Denn so dappt "Joker" in folgende Falle: "Wenn du A erlebst, dann musst du auch bei B ankommen und dich für die ganze Scheiße an C rächen".
Die Menschen um Arthur werden in ihrer Bosheit zu Karrikaturen, nach dem Abspann kann ich getrost nachhause gehen und denken "ich habe mit der gezeigten Welt und den Charakteren nichts zu tun", mich dann hinlegen und gut einschlafen. Denn es gibt für alles eine beruhigende Erklärung, der Mann ist so, weil er schlimmes erlebt hat.

(Das macht Scorcese in Taxi Driver zwar auch, allerdings verhält sich Travis sehr viel ambivalenter und unberechenbarer. Letztlich schaufelt er sich in vielen Situationen sein eigenes Grab, wobei der Film stets offen lässt, ob Vietnam ihn zu dem gemacht hat, was er ist, oder ob er nicht schon vor Vietnam ein reaktionärer und rassistischer Hinterweltler war, wie so viele anderen Menschen auch. Nur die greifen eben nicht zur Waffe und gehen bei dem ersten Date auch nicht ins Pornokino, weil sie zumindest noch über ein feine(re)s, nuanciert(er)es Einschätzungsvermögen verfügen. Das sind schon tiefere Fragen, mit denen sich der Film beschäftigt. In Taxi Driver sieht man an vielen Stellen unerträgliche, gesellschaftliche Gewalt. Die 12-jährige Prostituierte, die von ihrem Zuhälter mit Stoff gefüttert wird und unter Tags auch an Polizisten "verliehen" wird, das ist schon ne andere Hausnummer und wurde in dieser Form zumindest im US-Kino noch nicht gezeigt... Dabei handelt es sich um eine von vielen Realitäten, mit denen sich die Menschheit herumplagen muss... Dass sich Travis zum politischen Attentäter hochstilisieren will, um sich aufgrund seines verletzten Egos durch einen selbstverschuldeten Korb Gehör zu verschaffen, ist auch so ein Punkt. Als es misslingt, befreit er eben das Kind aus dem Bordell, Hauptsache er hat das Gefühl etwas bedeutendes zu tun. Die Ziele, die er sich aussucht, sind willkürlich. Das ist eine in meinen Augen sehr viel glaubhaftere Form von "Wahnsinn", ein Film kann jedoch eh nur eine vage Annäherung an diese Themen sein. Trotzdem zeigten sich Scorcese und New Hollywood in den 70ern fortschrittlicher und motivierter, als es heutzutage der Fall ist. Hollywood sind nach der UA-Pleite und mit dem Simple Plan der konsumorientierten 80er die Eier abgefallen. Hier und da gibt es Lichtblicke, die kommen aber von AutorenregisseurInnen (wobei Frauen hier leider hoffnungslos in der Unterzahl sind), die die Major-Studios erst nach ihrem kommerziellen Durchbruch rekrutieren.)


Dann war mir einiges nicht zuende gedacht oder zu sehr durch die Blume erzählt. Wenn schon Melodram und Psychothriller, dann richtig. Dann lasst euch doch etwas richtig fieses einfallen, hier sind es wieder einmal nur Klischee-Motive, die Arthur in den Abgrund reißen. Das Missbrauchs-Kapitel z.B. wird im Vorbeigehen erwähnt, damit es von der Liste gestrichen werden kann und weil es dann doch wieder zu unangenehm für den average Blockbuster-Zuschauer wäre.
Dann wird mir im Film in bekannter Hollywood-Manier zu viel erklärt, ich muss nicht sehen, dass Arthurs Nachbarin und Love Interest in vielen Situationen nur fabuliert ist, um zu begreifen, wie einsam der Charakter ist und wonach er sich sehnt.

Trotz aller Kritikpunkt hat mir "Joker" sehr gut gefallen, allen voran Phoenix' Performance und die aller Beteiligten, auch die Ausstattung und die Musik schaffen eine dichte, morbide, in diesem Genre nicht alltäglich Atmosphäre - der bis jetzt geerdeteste DC Franchise-Film. Ich fühlte mich farbtechnisch und vom heruntergekommenen urbanen Setting her oft an Friedkins genialen "The Exorcist" erinnert - die Szenen, in denen Damien Karras seine kranke Mutter in der Bronx besucht, das Krankenhaus oder die U-Bahn...

Re: Der Batman-Thread

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Das sind grossartige Beobachtungen sowohl zum Joker als auch zu Taxi Driver, die ich fast alle unterschreiben würde, inklusive der relativierenden Bemerkung, dass Joker unterm Strich eben doch ganz gelungen war.
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 13:08 Letztlich schaufelt er sich in vielen Situationen sein eigenes Grab, wobei der Film stets offen lässt, ob Vietnam ihn zu dem gemacht hat, was er ist, oder ob er nicht schon vor Vietnam ein reaktionärer und rassistischer Hinterweltler war, wie so viele anderen Menschen auch.
Ich gehe sogar einen Schritt weiter und war mir nie ganz sicher, ob Travis überhaupt je in Vietnam war. Wird das im Film ganz direkt so gesagt oder impliziert? Hat Scorsese das je bestätigt? Kann sich Bickle den Satz, dass er bei den Marines war, nicht auch ausgedacht haben, als Teil seiner Sehnsucht nach Bedeutung, ähnlich wie er sich später seine Ambitionen über eine Secret-Service-Karriere zusammenspinnt? Irgendwie lese ich die Vietnam-Geschichte immer mehr in der Sekundärliteratur, als dass sie mir der Film wirklich bestätigt.
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Re: Der Batman-Thread

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craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 13:08 Mutig, radikal und provokant wäre es gewesen, wenn nicht wieder "die üble, egoistische, menschenverachtende Gesellschaft" für das Verderben eines Einzelschicksals verantwortlich gemacht worden wäre - wie es in zig Hollywood-Filmen vor und nach "Joker" der Fall ist.
Ein Mensch kann sich auch ganz von alleine zu einem Monster entwickeln, kann auch einfach Spaß an Perversion und Sadismus empfinden, so ganz ohne Kindheitstrauma, sondern weil es möglich ist, weil es einen Kick verschafft und weil die meisten Menschen mit so einem Verhalten in ihrer unmittelbaren Umgebung erstmal nicht rechnen.
Sehe nicht, dass das wirklich "mutiger" wäre. Denn auch diese Art gibt es in zig Hollywood-Filmen und ich würde auch sagen, dass die bisherigen Joker (vor allem natürlich Jack Nicholson) eher in diese Richtung unterwegs waren.
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 13:08 Die Menschen um Arthur werden in ihrer Bosheit zu Karrikaturen, nach dem Abspann kann ich getrost nachhause gehen und denken "ich habe mit der gezeigten Welt und den Charakteren nichts zu tun", mich dann hinlegen und gut einschlafen. Denn es gibt für alles eine beruhigende Erklärung, der Mann ist so, weil er schlimmes erlebt hat.
Beruhigend ist das meiner Meinung nach nicht. Denn die Themen, die im Film behandelt werden, also z. B. die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, das Kürzen von Sozialprogrammen und schlechte oder unzureichende Gesundheitssysteme, gibt es auch in der Realität.
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 13:08 Das Missbrauchs-Kapitel z.B. wird im Vorbeigehen erwähnt, damit es von der Liste gestrichen werden kann und weil es dann doch wieder zu unangenehm für den average Blockbuster-Zuschauer wäre.
Wenn sie der Meinung gewesen wären, dass das Thema Missbrauch zu unangenehm wäre, dann hätten sie es gar nicht in den Film eingebaut und wenn man generell Angst vor unangenehmen Themen oder Darstellungen gehabt hätte, dann hätte man sich auch nicht auf ein R-Rating eingelassen. Zudem ist der Film auch generell nicht als Blockbuster bzw. für ein avarage Blockbuster-Publikum konzipiert.
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 13:08 Trotz aller Kritikpunkt hat mir "Joker" sehr gut gefallen, allen voran Phoenix' Performance und die aller Beteiligten, auch die Ausstattung und die Musik schaffen eine dichte, morbide, in diesem Genre nicht alltäglich Atmosphäre - der bis jetzt geerdeteste DC Franchise-Film. Ich fühlte mich farbtechnisch und vom heruntergekommenen urbanen Setting her oft an Friedkins genialen "The Exorcist" erinnert - die Szenen, in denen Damien Karras seine kranke Mutter in der Bronx besucht, das Krankenhaus oder die U-Bahn...
Das ist ja dann immerhin ein Hoffnungsschimmer. Freut mich! :-)
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Re: Der Batman-Thread

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GoldenProjectile hat geschrieben: 5. November 2019 13:35 Das sind grossartige Beobachtungen sowohl zum Joker als auch zu Taxi Driver, die ich fast alle unterschreiben würde, inklusive der relativierenden Bemerkung, dass Joker unterm Strich eben doch ganz gelungen war.

Ich gehe sogar einen Schritt weiter und war mir nie ganz sicher, ob Travis überhaupt je in Vietnam war. Wird das im Film ganz direkt so gesagt oder impliziert? Hat Scorsese das je bestätigt? Kann sich Bickle den Satz, dass er bei den Marines war, nicht auch ausgedacht haben, als Teil seiner Sehnsucht nach Bedeutung, ähnlich wie er sich später seine Ambitionen über eine Secret-Service-Karriere zusammenspinnt? Irgendwie lese ich die Vietnam-Geschichte immer mehr in der Sekundärliteratur, als dass sie mir der Film wirklich bestätigt.
Danke dir für die netten Worte GP!

Deine Theorie zu Travis und Vietnam finde ich spannend, genauso wie die Frage, ob das letztlich für das, was der Film erzählen will, relevant ist.

Nun für mich ist es die Kirsche auf dem Kuchen.
Da wird eine Generation junger Männer völlig sinnlos und verschwenderisch in einem Interessenskonflikt verheizt, und die sollen sich nach allem Durchlebten wieder zuhause einfinden und in eine Gesellschaft integrieren, die über das Kapitel Vietnam lieber totschweigen würde. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit und vielleicht auch der größte (manchmal auch Selbst-)Betrug, der diesen jungen Menschen wiederfahren ist. Das ist für mich letztlich der Subtext des Filmes. Da ist ein äußerst einfach gestrickter, verlorener Bursche, der aus dem Nichts auftaucht, aber nicht wieder im Nichts verschwinden will. Fehlgeleitete Ideale und die Grausamkeit des Krieges, die er selbst am eigenen Leibe - siehe die riesige Narbe (Trainingsszenen) - erlebt haben könnte (denn vielleicht hat er sich die Narbe auch woanders geholt), bringen ihn zu der Annahme, er müsse seine Interessen mit Gewalt durchsetzen. Das wird ihm auch an vielen Stellen von außenstehenden Protagonisten suggeriert - z.B. von Wizzard, dem Waffenhändler oder Scorcese selbst, der ein Cameo als Geisteskranker Taxigast hat ("du kannst dir vorstellen, was von ihrer Muschi übrig bleibt"). Das Schlaflosigkeitsproblem, eine monotone, repetitive Arbeit und das Versinken in der Bedeutungslosigkeit erledigen den Rest.
Für meine Wenigkeit sind das ausreichend Indizien dafür, dass Travis in Vietnam gewesen sein könnte, ich nehme das einfach so hin. Weil es für mich die Kernbotschaft des Filmes aufwertet - ich sehe in Taxi Driver noch vor The Deer Hunter oder Apocalypse Now eine erste ausführliche und vor allen Dingen humanistische Abrechnung mit dem Vietnam-Pathos, oder besser gesagt eine SUBTILE Aufarbeitung des Vietnam-Traumas vieler AmerikanerInnen. Wie in jedem Meisterwerk setzt Scorcese auf die Selbstreflektiertheit der ZuschauerInnen, die sich nicht für ein allgemeingültiges Szenario entscheiden müssen, sondern in der Travis-Figur das hineindeuten dürfen, was sie selbst mitbringen. Der Charakter ist in seiner entwaffnenden Ehrlichkeit ja auch sympathisch und De Niro spielt ihn auch bewusst so naiv, dass man eher mit ihm empathiert.
Weniger subtil zeigt sich der Film dann in seinem kathartischen Amoklauf, der auch für "Joker" als Inspiration gedient haben dürfte. Scorcese wird ja immer wieder vorgeworfen, einen voyeuristischen Spaß an der hier gezeigten Gewalt zu offenbaren (was sich in vielen späteren Werken wiederholt), denn er hätte sie auch subjektiver inszenieren können. Für mich ist sie ein Symbol der Grenzübertretung, jetzt lebt Travis seine Fantasien aus, er schreitet zu Tat. Daher darf der Film in meinen Augen auch mit seinem vorangegangenen Inszenierungsstil brechen, es verdeutlicht die Ebenen.

Aber um auf deine Frage zurück zu kommen, auch ohne Vietnam wäre Taxi Driver eine äußerst präzise und vor allen Dingen zeitlose Charakterstudie zu den Themen Einsamkeit und Verrohung.

Re: Der Batman-Thread

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Samedi hat geschrieben: 5. November 2019 14:17 Sehe nicht, dass das wirklich "mutiger" wäre. Denn auch diese Art gibt es in zig Hollywood-Filmen und ich würde auch sagen, dass die bisherigen Joker (vor allem natürlich Jack Nicholson) eher in diese Richtung unterwegs waren.
Wenn schon ein Psychogramm, dann doch auch ruhig eines, bei dem der Täter aus Lust und Freude mordet. Aber das lässt sich nicht so gut nachvollziehen und erklären, und außerdem ist es pervers und profan. Und schlecht an der Kasse. Nenne mir einen Hollywood-Film - der ein Psychogramm sein will wohlgemerkt, und nicht nur einen eindimensionalen grausamen Antagonisten auftischt (!) - dessen Hauptprotagonist ganz von alleine sadistische/perverse Neigungen entwickelt und mordend loszieht.
Ich glaube eher, dass man sich all diese Fragen bei den bisherigen Jokern nicht gestellt hat, weil es für die jeweiligen Filme nicht wichtig war. Die Genialität von Ledgers Joker lebt jenseits der grandiosen Performance davon, dass man nichts greifbares über den Charakter weiß. Mal ganz davon abgesehen, dass Harvey Dent die zentrale tragische Figur in TDK ist.
Samedi hat geschrieben: 5. November 2019 14:17 Beruhigend ist das meiner Meinung nach nicht. Denn die Themen, die im Film behandelt werden, also z. B. die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, das Kürzen von Sozialprogrammen und schlechte oder unzureichende Gesundheitssysteme, gibt es auch in der Realität.
Diese Themen finde ich in jedem zweiten Film, auch in romantischen Liebeskomödien. Für mich ist das keine substanzielle Gesellschaftskritik, wie sie sich viele zurechtbiegen wollen, um sich nach dem Kinobesuch gebildet vorzukommen. An keiner Stelle macht "Joker" einen Vorschlag, ein Angebot. Oder wenn, dann nur ein sehr reaktionäres, das jeder Depp versteht. "Dann köpfen wir den König eben". In diesem Sinne ist greift der Film zu den gleichen Waffen, die er anprangert, ebenfalls eine weitverbreitete Hollywood-Krankheit. Und sorry, Missstände nur unreflektiert und unkommentiert, dafür in einer in sich geschlossenen, blutrünstigen Bildsprache zu zeigen, das schafft auch Call of Duty, wie jüngst bewiesen. Der Schock-Effekt ist ja da, es führt aber zu nichts und eignet sich eher anbiedernd zum Konsum. Was ja auch legitim ist, nur soll dann eben nicht so auf Kunst gemacht werden.

Samedi hat geschrieben: 5. November 2019 14:17 Wenn sie der Meinung gewesen wären, dass das Thema Missbrauch zu unangenehm wäre, dann hätten sie es gar nicht in den Film eingebaut und wenn man generell Angst vor unangenehmen Themen oder Darstellungen gehabt hätte, dann hätte man sich auch nicht auf ein R-Rating eingelassen. Zudem ist der Film auch generell nicht als Blockbuster bzw. für ein avarage Blockbuster-Publikum konzipiert.
Die haben sich eher gedacht, "Hm, was schockiert die Menschen am meisten, und was erwarten sie am wenigsten in einem DC-Franchise Film? Ah Missbrauch! Natürlich! Erklärt auch Arthurs realitätsleugnendes Verhalten, ist ja immer genau so und nicht anders bei Opfern von sexuellem Missbrauch. Na ganz wunderbar, das nehmen wir als Erklärung! Das werden dann ale verstehen und wir müssen nicht so tief graben, denn das kostet Zeit und wir wollen, dass noch etwas spannendes für unser Action-affines Publikum passiert! Außerdem haben wir Angst vor einem X-Rating, dann darf der Film nur in ausgewählten Kinos gezeigt werden."

Der Film zitiert haufenweise andere Werke (v.a. "The King of Comedy" und "Taxi Driver"), ich würde sogar behaupten, er fußt auf diesen. Dann ist es ein Franchise-Film, der jetzt vermutlich durch seinen gigantischen Erfolg einen Kanon nach sich ziehen wird. Er reiht sich somit komplett in die heutige Zeit ein, in der man meinen könnte, der hollywoodianische Blockbuster bestünde nur noch aus Remakes und Fortsetzungen. Und sorry, aber diejenigen, die auf "Joker" gewartet haben, kennen sich in der DC-Welt aus, und sind sehr wohl auch average Blockbuster-ZuschauerInnen. Die hätten den Film auch gesehen, wenn der Pressespiegel scheiße gewesen wäre, oder der Film eben ein 08/15 Blockbuster, was er in seiner Ästhetik nicht ist, sehr wohl aber in seinem Kern und seiner Moral.
Samedi hat geschrieben: 5. November 2019 14:17 Das ist ja dann immerhin ein Hoffnungsschimmer. Freut mich! :-)
Ja ist das dir denn so wichtig, dass mir der Film gefällt? ;)

Re: Joker und wie er die Welt sah

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craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 15:00 Wenn schon ein Psychogramm, dann doch auch ruhig eines, bei dem der Täter aus Lust und Freude mordet. Aber das lässt sich nicht so gut nachvollziehen und erklären, und außerdem ist es pervers und profan. Und schlecht an der Kasse.
Nochmal: Ich glaube nicht, dass man bei diesem Film irgendeine künstlerische Entscheidung nicht so getroffen hat wie man sie eigentlich treffen wollte, nur weil man davor Angst gehabt hat, dass es sich negativ auf das BO auswirken könnte.
Wenn dem so wäre, dann hätte man bestimmt alles versucht, damit der Film kein R-Rating bekommt.
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 15:00 Nenne mir einen Hollywood-Film - der ein Psychogramm sein will wohlgemerkt, und nicht nur einen eindimensionalen grausamen Antagonisten auftischt (!) - dessen Hauptprotagonist ganz von alleine sadistische/perverse Neigungen entwickelt und mordend loszieht.
Das ist natürlich auch wieder Ansichtssache. Also was ist ein eindimensionaler Charakter? Und die Frage, ob ein Film ein Psychogramm "sein will", ist mir auch schon wieder viel zu spekulativ.

Dazu kommt noch, dass jemand, der im Film scheinbar "ganz von alleine" sadistisch wird, das ja nicht zwangsweise auch sein muss. In dem Fall (wie z. B. bei TDK) hat man einfach auf eine Hintergrundgeschichte verzichtet.

Denn wie würdest du einen Joker-Einzelfilm mit Hintergrundgeschichte aufziehen, wenn diese Hintergrundgeschichte mit seiner Werdung zum "Joker" gar nichts zu tun hat?
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 15:00 Die Genialität von Ledgers Joker lebt jenseits der grandiosen Performance davon, dass man nichts greifbares über den Charakter weiß.
Klar, aber der Ledger-Joker funktioniert deshalb eben auch nur in diesem Kontext als Antagonist und wäre in einem Einzelfilm dem Phoenix-Joker vollkommen deplatziert.
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 15:00 An keiner Stelle macht "Joker" einen Vorschlag, ein Angebot.
Wie würdest du dir denn ein solches "Angebot" vorstellen und wie bzw. durch wen sollte es unterbreitet werden? Ein Film, der die aktuelle gesellschaftliche Lage anprangert, muss nicht zwangsweise aufzeigen, wie es besser laufen würde. Noch dazu, wo Gotham noch nie wirklich die "bessere Welt" war, sondern eher die schlechtere. Voller Armut, Korruption und Verbrechersyndikaten.
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 15:00 Die haben sich eher gedacht, "Hm, was schockiert die Menschen am meisten, und was erwarten sie am wenigsten in einem DC-Franchise Film? Ah Missbrauch! Natürlich! Erklärt auch Arthurs realitätsleugnendes Verhalten, ist ja immer genau so und nicht anders bei Opfern von sexuellem Missbrauch. Na ganz wunderbar, das nehmen wir als Erklärung! Das werden dann ale verstehen und wir müssen nicht so tief graben, denn das kostet Zeit und wir wollen, dass noch etwas spannendes für unser Action-affines Publikum passiert! Außerdem haben wir Angst vor einem X-Rating, dann darf der Film nur in ausgewählten Kinos gezeigt werden."
Was denn jetzt? Willst du, dass man tiefer gräbt (also mehr Hintergrundgeschichte) oder dass man nicht so tief gräbt (weniger Hintergrundgeschichte)?

Und X-Rating gibt es doch seit 1990 in den USA ohnehin nicht mehr. Da braucht keine mehr Angst davor zu haben. ;-)
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 15:00 diejenigen, die auf "Joker" gewartet haben, kennen sich in der DC-Welt aus, und sind sehr wohl auch average Blockbuster-ZuschauerInnen.
Ich hab nicht geschrieben, dass sich ein "average Blockbuster-Zuschauer" nicht auf "Joker" gefreut hat, bzw. sich diesen nicht ansehen würde, sondern dass der Film eben nicht für diese Gruppe konzipiert ist. Wenn er das wäre, dann hätte man alles versucht, um kein R-Rating zu bekommen.
craigistheman hat geschrieben: 5. November 2019 15:00 Ja ist das dir denn so wichtig, dass mir der Film gefällt?
Nein, aber wenn wir dann zumindest im Resümee übereinstimmen, dann ist das doch auch was schönes. :D
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