Re: FILMTIPPS: Western

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Maibaum hat geschrieben: 1. August 2020 18:28 Ich habe gerade Rio B, El D und Rio L sowie The Shootist im Original geschaut, und finde Marquis geht genau genommen auf Wayne gar nicht, obwohl seien Stimme später etwa knarziger wurde, aber die paar Szenen die ich aus Rio L mal verglichen haben klangen fremd mit Marquis, während Rio B und El d auch auf deutsch gut gehen.
Ich finde Marquis passt schon auf Wayne, dass er mit der Originalstimme praktisch nix gemein hat ist für mich kein Problem. Denn mit Waynes vergleichsweise hoher Singsang-Stimme hat eh fast keiner seiner deutschen Pendants was gemein. John Wayne ist ein ähnlicher Fall wie Bruce Willis, beide haben eine ganz andere Stimme als man bei ihrem Typ erwarten würde - und in ihren Synchros wurden sie dann eigentlich auch immer typgerecht besetzt und eben nicht gemäß ihrer Originalstimme. Übrigens finde ich bei Marquis auf Wayne es eher problematisch, dass er ihn oft viel zu knarzig und brummig gesprochen hat, das ist oft schon sehr nah an einer Karikatur. Ich bin immer wieder erstaunt, wie kontrolliert und "gepflegt" er z.B. Kirk Douglas gesprochen hat. Etwas, das ich bei Marquis idR klar bevorzuge und weswegen ich es auch - genau wie bei Mitchum in El Dorado - gut finde, dass man Marquis in Erster Sieg, Der Schatten des Giganten und den bereits erwähnten Gewaltigen auf Douglas besetzt hat und eben nicht auf Wayne (wobei mir in letztgenanntem Lukschy oder Engelmann aber natürlich auch lieber gewesen wären).
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Re: FILMTIPPS: Western

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AnatolGogol hat geschrieben: 1. August 2020 22:39 Übrigens finde ich bei Marquis auf Wayne es eher problematisch, dass er ihn oft viel zu knarzig und brummig gesprochen hat, das ist oft schon sehr nah an einer Karikatur.
Das empfinde ich auch als Problem. Passt zwar zu Filmen wie "MacLintock", in denen Wayne wirklich (zumindest auf mich) wie eine Karikatur seiner selbst wirkt. In den relativ ernsten Filmen wären Heinz Engelmann und Wilhelm Borchert auf Wayne besser gewesen bzw. waren es auch, wo sie besetzt wurden. Vor allem in seinen letzten Filmen hätte ich mir wieder Borchert gewünscht, der zu Waynes Gesicht in dieser Zeit am besten gepasst hätte.
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Re: FILMTIPPS: Western

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Borchert finde ich persönlich auf den späteren Wayne eher nicht so passend. Auf den Shootisten hätte das ganz gut passen können, aber ansonsten ist mir Borcherts Stimme einfach zu fein und kultiviert, als dass sie auf den verwitterten, schweren und herben Spät-Duke passen mag. Auf den späteren Wayne (ab den 50ern) erwarte ich schon ein gewisses stimmliches "Gewicht", Borcherts Stimme steht für mich dagegen für eher feingeistige und aristokratische Schauspielertypen wie Henry Fonda, Alec Guinness oder Lawrence Olivier.
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Re: FILMTIPPS: Western

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Borchert kann auch anders, siehe Charlton Heston. Trotzdem passt Borchert auf Wayne natürlich nicht immer, aber das muss man dann eben je nach Rolle entscheiden. Auf Rooster Cogburn hätte ich Borchert jetzt auch nicht besetzt.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Casino Hille hat geschrieben: 17. Juni 2016 13:14 Und sobald ich irgendwann dann mal geliefert habe, bist du mit Barquero dran, gell? :D
Nun denn, frei nach Dr. Lecker: Quid pro quo!

Barquero (Gordon Douglas)

Dem unerwarteten internationalen Erfolg des Italo-Westerns konnte sich auf Dauer auch sein etablierter amerikanischer Vorfahre nicht verschließen und so begannen Ende der 60er Jahre mehr und mehr US-Western damit inhaltliche und stilistische Versatzstücke des originär eher verächtlich betrachteten Italo-Subgeneres aufzunehmen. Der 1970 entstandene Barquero ist solch ein Vertreter, der irgendwo ein bisschen zwischen beiden Welten pendelt.

Dabei ist unverkennbar, dass Barquero vor allem hinsichtlich der Figurenzeichnung an einem deutlich ambivalenteren Weltbild interessiert ist und weitgehend (zumindest über weite Strecken) auf eine klare schwarz/weiß-Trennung verzichtet. So ist Lee Van Cleefs Figur zwar klar der Protagonist des Films, entpuppt sich aber im Verlauf der Handlung mehr und mehr charakterlich fragwürdige Figur, welche sich auch nicht zu schade ist die Notlage einer Frau skrupellos zum eigenen Vergnügen auszunutzen.

Die Rolle des Antagonisten in Barquero nimmt Warren Oates ein, dessen Figur bereits in der ersten Szene als eiskalter Mörder eingeführt wird und der im Verlauf des Films immer mehr dem Wahnsinn verfällt. Interessanterweise bekommt aber auch diese fast ausschliesslich negativ gezeichnete Figur durchaus einige menschliche Apspekte verpasst, so vor allem im vertraut-freundschaftlichen Verhältnis zu seiner von Kerwin Mathews gespielten rechten Hand (was vor allem hinsichtlich des Finales sich von elementarer Bedeutung zeigen soll) wie auch in einer bemerkenswerten Rückblende, welche die Misanthropie der Oates-Figur beleuchtet (und auch stilistisch durch die Verwendung von geradezu psychedlischen Farbfiltern zu verblüffen weiß).

Der Film lebt dann nicht zuletzt auch von der charakterlichen Gegenüberstellung der beiden Hauptfiguren, welche sich in diversen Punkten ähneln, wenn nicht gar gleichen. Beide sind Eigenbrötler, für die ihr direktes Umfeld lediglich ein notwendiges Übel darstellt und die von daher ihren Mitmenschen weitgehend mit Argwohn und Abneigung gegenüberstehen. Weitgehend, da der Film beiden eine Bezugsperson zugesteht, bei Oates der bereits erwähnte Mathews in der Rolle eines ehemaligen französischen Offiziers, bei Van Cleef Forrest Tucker als raubeiniger Trapper (welcher seinen prominenten Mitstreitern mehr als nur einmal die Schau zu stehlen weiß). Als im Finale des die Films dann die zwangsläufige Konfrontation der beiden Hauptfiguren erfolgt, ist der aus diesem Duell als Sieger hervorgehende notwendigerweiße auf die Hilfe seiner Mitmenschen angewiesen, womit Barquero am Ende sein Aufeinandertreffen der großen Misanthropen dann mit einer etwas simplen Moral auflöst (und worin seine US-Wurzeln dann irgendwo auch zu Tage treten).

Ein weiterer inhaltlicher Aspekt, mit dem der Film spielt ist die Bedeutung des titelgebenden Fährmannes als eine Art Wächter zwischen Zivilisation und Wildnis und wenn man so will zwischen Leben und Tod. Diese mythologische Bedeutung wird u.a. in einem Monolg von Van Cleef, in welchem er beschreibt warum er die Fähre gebaut hat, thematisiert und nicht zuletzt auch dadurch, dass der „Barquero“ kein „normaler“ Mensch ist, sondern ein Außenseiter, der zwar eine für die Stadtgemeinschaft wichtigen Aufgabe erfüllt (eben als Bindeglied zwischen Zivilisation und Wildnis), ihr aber nicht angehört.

Die starke örtliche Gebundheit des Films (mit Ausnahme des anfänglichen Überfalls von Oates Bande spielt der komplette Film an den durch die Fähre getrennten Flußufern) verleiht dem Film zwar eine Art Alleinstellungsmerkmal, sorgt im negativen Sinn aber auch dafür, dass trotz diverser Einzelabenteuer die Handlung auch etwas statisch bleibt. Das wäre dann auch mein größter Kritikpunkt, nämlich dass der Film trotz aller interessanten inhaltlich Ansätze und kompetent inszenierter Actionelemente eben etwas unspektakulär bleibt. Das liegt vielleicht auch daran, dass die ganz große Spannung nicht aufgkommen mag, da die räumliche Trennung der beiden sich belauernden Parteien durch den scheinbar unübwerwindbaren Fluß eine echte drohende Gefahr nicht aufkommen lassen will. Bezeichnend, dass die einzige wirkliche auf Spannung hin inszenierte Szene dann auch die Sequenz ist, in welchem Van Cleef und Tucker hinter feindlichen Linien auf dem anderen Flußufer aktiv sind.

Dennoch ist Barquero ein sehenswerter Western, der weitgehendgekonnt zwischen US- und Italowestern pendelt und vor allem durch seine interessante Charakterkonstellation zu überzeugen weiß.

7 / 10
"Ihr bescheisst ja!?" - "Wir? Äh-Äh!" - "Na Na!"

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Nun denn, frei nach Dr. Lecker: Quid pro quo!
Welch Freude, Anatol! Bzw. ist es für mich gleich eine doppelte Freude: Einerseits, weil ich endlich meinen Wetteinsatz gebracht habe und damit einer der ältesten Foren-Runninggags endlich sein würdiges Ende gefunden hat. Andererseits, da ich dir durch unsere Wette "Barquero" ans Herz legen konnte und er dir ja trotz einiger Schwächen auch tatsächlich Gefallen hat! Für mich ist "Barquero" einer der allerbesten Filme des Genres, und das ist sicherlich eine sehr ungewöhnliche Wahl, der viele Western-Fans widersprechen würden, liegt für mich aber in einem ganz wesentlichen Kern verborgen, der natürlich vollkommen subjektiv ist: Gemeint ist die wie ich finde erfrischende, weil extrem simple und aufregende Prämisse: Kein einsamer, stiller Rächer auf der Suche nach Vergeltung steht im Mittelpunkt, sondern ein Fährmann, der es überhaupt nicht einsieht, mit seiner geliebten kleinen Fähre einen fiesen Gangster über den Fluss kommen und damit auch vor dem Gesetz entkommen zu lassen.

Dazu kommt eine – wie ich finde – überragende Synchro mit wunderbar zitierfähigen Sprüchen. Ein persönliches Highlight ist in der Hinsicht, als Phil zu dem Gefangenen aus Remys Bande sagt "Wenn du auch nur zu atmen wagst, dann schneide ich dir die Kehle durch. Blinzen ist auch verboten" und dieser hörbar angestrengt und voller Angst aufstößt. Was Phil wie kommentiert? "Na gut, schlucken darfst du." :lol:
AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Dabei ist unverkennbar, dass Barquero vor allem hinsichtlich der Figurenzeichnung an einem deutlich ambivalenteren Weltbild interessiert ist und weitgehend (zumindest über weite Strecken) auf eine klare schwarz/weiß-Trennung verzichtet. So ist Lee Van Cleefs Figur zwar klar der Protagonist des Films, entpuppt sich aber im Verlauf der Handlung mehr und mehr charakterlich fragwürdige Figur, welche sich auch nicht zu schade ist die Notlage einer Frau skrupellos zum eigenen Vergnügen auszunutzen. Die Rolle des Antagonisten in Barquero nimmt Warren Oates ein, dessen Figur bereits in der ersten Szene als eiskalter Mörder eingeführt wird und der im Verlauf des Films immer mehr dem Wahnsinn verfällt. Interessanterweise bekommt aber auch diese fast ausschliesslich negativ gezeichnete Figur durchaus einige menschliche Apspekte verpasst, so vor allem im vertraut-freundschaftlichen Verhältnis zu seiner von Kerwin Mathews gespielten rechten Hand (was vor allem hinsichtlich des Finales sich von elementarer Bedeutung zeigen soll)
Sehr schön geschrieben und insbesondere die ambivalente Figurenzeichnung ist eine elementare Stärke von "Barquero". Der Film baut sich quasi komplett um das Figuren-Quartett: Travis und Phil auf der einen und Remy und Marquette auf der anderen Seite des Flusses. Und gerade die Gemeinsamkeiten zwischen Travis und Remy (die sich auch jeweils in ihrer Beziehung zu ihren Counterparts offenbaren) sind für mich ein wesentliches Merkmal für die Spannung des Films, den ich als psychologischen Thriller einordnen würde. "Barquero" hat ja durchaus Parallelen zu ähnlichen ruhigeren psychologischen Katz-und-Maus-Spielen, ich denke da etwa an "Stoppt die Todesfahrt der U-Bahn 1-2-3" von 1974. Nur kommt bei "Barquero" hinzu, dass der Film dies nicht nur erstaunlich konsequent durchzieht, in dem er wirklich jedem Charakter im gleichen Maße sympathische und unsympathische Züge und Sequenzen zugesteht, sondern wie ich finde die Geschichte ihre ganze Raffinesse aus diesem Verhältnis gewinnt. Deshalb stimmt es auch, wenn du schreibst…
AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Die starke örtliche Gebundheit des Films (mit Ausnahme des anfänglichen Überfalls von Oates Bande spielt der komplette Film an den durch die Fähre getrennten Flußufern) verleiht dem Film zwar eine Art Alleinstellungsmerkmal, sorgt im negativen Sinn aber auch dafür, dass trotz diverser Einzelabenteuer die Handlung auch etwas statisch bleibt. Das wäre dann auch mein größter Kritikpunkt, nämlich dass der Film trotz aller interessanten inhaltlich Ansätze und kompetent inszenierter Actionelemente eben etwas unspektakulär bleibt.
…, dass "Barquero" bezogen auf seine Plot-Eskalationen (also Actionszenen, Shootouts, das ganze Western-Zeugs) eher unspektakulär bleibt und nur auf wenige wohl dosierte Szenen in dieser Hinsicht setzt. Ich sehe das aber gar nicht als negativ, denn "Barquero" will eben kein "Die Rechnung wird mit Blei bezahlt", "Von Mann zu Mann" oder "Hängt ihn höher" sein. Das mag aber sicherlich einerseits von der eigenen Erwartungshaltung abhängen und andererseits davon, wie sehr man von diesem ruhigen Thriller gefesselt wird. Ich für meinen Teil könnte Lee Van Cleef (einer der coolsten Socken der Filmgeschichte, der Mann hat immerhin seine eigene "Lucky Luke"-Figur und cooler kann man nicht sein) stundenlang dabei zusehen, wie er mit knautschigem Blick über den Fluss blickt und die aufgebrachten Siedler stoisch anschweigt, und auf seinem Weg beharrt, in der Wildnis weiter abzuwarten. Außerdem gibt es wie ich finde schon auch eine direkte Suspense-Einheit, also eine "unmittelbare Bedrohung": Immerhin rennt beiden Parteien die Zeit davon. Remy kann nicht ewig sein Spielchen am Fluss treiben, da ihm die Gesetzeshüter im Nacken sitzen und die Siedler auf ihrer Seite halten ihre brenzlige Situation kaum aus und stehen immer wieder kurz vor der Meuterei Travis gegenüber. Diese Konstellation ist auch in dem Sinne keine pure Behauptung, sondern wirkt sich direkt auf das Verhalten der Charaktere auf – insbesondere ist das prägnant im Falle von Warren Oates zu beobachten, der seinen Gangster übrigens hinreißend spielt und auch die späteren Aspekte wunderbar schaukelt, wenn Remy immer mehr dem Wahnsinn verfällt. Gordon Douglas inszeniert das auch mit einer schön klaustrophobischen Regie, und besonders die nächtlichen stimmungsvollen Szenen sehen wie ich finde einfach blendend aus, ohne das die Regie so vordergründig auffällt wie etwa bei Sergio Leone oder Sergio Corbucci. Und habe ich schon den Soundtrack von Dominic Frontiere erwähnt? Wie ich finde seine beste Arbeit (von allen, die ich kenne) und das Main Theme ist wahnsinnig eingängig.
AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Ein weiterer inhaltlicher Aspekt, mit dem der Film spielt ist die Bedeutung des titelgebenden Fährmannes als eine Art Wächter zwischen Zivilisation und Wildnis und wenn man so will zwischen Leben und Tod. Diese mythologische Bedeutung wird u.a. in einem Monolg von Van Cleef, in welchem er beschreibt warum er die Fähre gebaut hat, thematisiert und nicht zuletzt auch dadurch, dass der „Barquero“ kein „normaler“ Mensch ist, sondern ein Außenseiter, der zwar eine für die Stadtgemeinschaft wichtigen Aufgabe erfüllt (eben als Bindeglied zwischen Zivilisation und Wildnis), ihr aber nicht angehört.
Hier kommt dann wieder meine subjektive Bewunderung für den Film zutrage, denn dieser mythologische Ansatz ist nicht nur enorm spannend, sondern auch im angemessenen Rahmen Teil des Plots. Der Fährmann als solcher ist ja schon eine mythologisch aufgeladene Figur (das bleibt bei dem Stoff gewissermaßen also gar nicht aus) und in meinen Augen gelingt es dem Drehbuch von William Marks und George Schenck, mit den Bezügen und Querverweisen zu mythologischen Stoffen u.a. auch, das Alleinstellungsmerkmal des Films weiter zu schärfen. Natürlich spielen auch andere Western, insbesondere Italowestern, mit ähnlichen Materialen, aber hier ergibt es sich nicht nur absolut schlüssig aus dem Plot, sondern schafft auch eine weitere Facette der Travis-Figur: Dein letzter Satz beschreibt es sehr gut, denn er ist eine Art stiller Wächter, der selbst nie ein Teil dessen sein kann, welches er durch seine Stellung beschützt. Natürlich schwingt da ein ganzer Hauch Lagerfeuerromantik mit rein, denn auch hier muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss, aber es passt zu Travis und es passt zum Plot. Auch mit der Auflösung, die du meine ich als etwas simpel bezeichnest, habe ich keine wirklichen Probleme. Ja, da steckt sicherlich eine Moral hinter, moralisierend ist der Film aber dennoch nicht wirklich. Außerdem ist die tolle Endszene viel zu gut, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Kurz, kompromisslos, schlüssig.
AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Dennoch ist Barquero ein sehenswerter Western, der weitgehendgekonnt zwischen US- und Italowestern pendelt und vor allem durch seine interessante Charakterkonstellation zu überzeugen weiß.

7 / 10
Freut mich auf jeden Fall, dass du diese Genre-Perle entdeckt hast (ich meine mich zumindest zu erinnern, dass du den vorher nicht kanntest oder?). Feines Review, bei mir ist einfach noch ein großer Schwung mehr Begeisterung dabei. Darf ja auch mal sein. :)

Übrigens habe ich im passenden Thread mal meinen Remake-Wunsch zu "Barquero" mit alternativer Besetzung und eigener Herangehensweise (in Kurzform: Stärkerer Ausbau auf den mythologischen Aspekt des Films) geäußert. Vielleicht für dich interessant: viewtopic.php?p=313616&sid=2d5ad3059b5a ... cc#p313616
https://filmduelle.de/

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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Casino Hille hat geschrieben: 10. August 2020 10:53

…, dass "Barquero" bezogen auf seine Plot-Eskalationen (also Actionszenen, Shootouts, das ganze Western-Zeugs) eher unspektakulär bleibt und nur auf wenige wohl dosierte Szenen in dieser Hinsicht setzt. Ich sehe das aber gar nicht als negativ, denn "Barquero" will eben kein "Die Rechnung wird mit Blei bezahlt", "Von Mann zu Mann" oder "Hängt ihn höher" sein. Das mag aber sicherlich einerseits von der eigenen Erwartungshaltung abhängen und andererseits davon, wie sehr man von diesem ruhigen Thriller gefesselt wird.
Hmm, ruhiger Thriller?
Da wird doch ausgiebig geschossen, und deutlich mehr als in Hängt ihn höher. Gerade der (schwach inszenierte) Überfall am Anfang dauert gefühlt ewig, und auch später ist der Body Count ganz ordentlich.

"Die Rechnung wird mit Blei bezahlt" und "Von Mann zu Mann" sind übrigens 2 Titel für denselben Film. Den ich als ähnlich actionlastig wie Barquero einstufe.
AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56
Dem unerwarteten internationalen Erfolg des Italo-Westerns konnte sich auf Dauer auch sein etablierter amerikanischer Vorfahre nicht verschließen und so begannen Ende der 60er Jahre mehr und mehr US-Western damit inhaltliche und stilistische Versatzstücke des originär eher verächtlich betrachteten Italo-Subgeneres aufzunehmen. Der 1970 entstandene Barquero ist solch ein Vertreter, der irgendwo ein bisschen zwischen beiden Welten pendelt.
Da bin ich auch anderer Meinung.
Je mehr ich mich damit beschäftige, umso weniger Einfluß des Italo- auf den damaligen US- Western sehe ich. Auch bei Barquero sehe ich am Ende fast nichts, was sich nicht genau so mit der Entwicklung, die der US-W in den 60er Jahren ohnehin genommen hat, erklären lässt. Regisseur Douglas gilt zwar eher als Handwerker denn als "Autor", aber er hatte schon länger eine Vorliebe für Psychopathen und für sadistische Grausamkeiten, und nichts was der Film zeigt, war nicht so oder so ähnlich in den Jahren zuvor schon öfter zu sehen gewesen.

Barquero gehört zu seinen besseren Western (6/10), aber an die früheren Glanztaten Rio Conchos und Das Gold der 7 Berge kommt er nicht heran. Und denen könnte man auch einen Italo-Einfluß unterstellen, wenn sie nicht schon vorher gedreht worden wären.

Im Übrigen war der Erfolg der Italo-W in den USA relativ gering, und die wurden oft dermaßen negativ besprochen, daß es zweifelhaft ist ob sich die US Regisseure diese überhaupt damals angetan haben.
Zuletzt geändert von Maibaum am 10. August 2020 11:21, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Dem unerwarteten internationalen Erfolg des Italo-Westerns konnte sich auf Dauer auch sein etablierter amerikanischer Vorfahre nicht verschließen und so begannen Ende der 60er Jahre mehr und mehr US-Western damit inhaltliche und stilistische Versatzstücke des originär eher verächtlich betrachteten Italo-Subgeneres aufzunehmen. Der 1970 entstandene Barquero ist solch ein Vertreter, der irgendwo ein bisschen zwischen beiden Welten pendelt.
Wenn du mich gestern noch einem Günther Jauch vorgesetzt hättest und die Millionenfrage gewesen wäre, ob es sich bei Barquero um einen US- oder einen Italowestern handelt: Ich wäre ganz schön ins Schwitzen gekommen und hätte bis zur Antwort schwer gezweifelt. Quod Erat Demonstrandum also, und diese südländischen Einflüsse würde ich übrigens auch Schwester Saras zwei Maultieren desselben Jahrganges unbedingt attestieren.
AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Forrest Tucker als raubeiniger Trapper (welcher seinen prominenten Mitstreitern mehr als nur einmal die Schau zu stehlen weiß).
Aber sowas von!
AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Ein weiterer inhaltlicher Aspekt, mit dem der Film spielt ist die Bedeutung des titelgebenden Fährmannes als eine Art Wächter zwischen Zivilisation und Wildnis und wenn man so will zwischen Leben und Tod. Diese mythologische Bedeutung wird u.a. in einem Monolg von Van Cleef, in welchem er beschreibt warum er die Fähre gebaut hat, thematisiert und nicht zuletzt auch dadurch, dass der „Barquero“ kein „normaler“ Mensch ist, sondern ein Außenseiter, der zwar eine für die Stadtgemeinschaft wichtigen Aufgabe erfüllt (eben als Bindeglied zwischen Zivilisation und Wildnis), ihr aber nicht angehört.
Starke Beobachtungen, wobei dieser nahezu mythologische Hauch des Fährmanns durch Van Cleefs etwas eigenbrötlerisch-verschrobene Darbietung und seinen Fokus auf den Fährmannsjob natürlich noch hervorgehoben wird. Ein klarer Aussenseiter.
AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Die starke örtliche Gebundheit des Films (mit Ausnahme des anfänglichen Überfalls von Oates Bande spielt der komplette Film an den durch die Fähre getrennten Flußufern) verleiht dem Film zwar eine Art Alleinstellungsmerkmal, sorgt im negativen Sinn aber auch dafür, dass trotz diverser Einzelabenteuer die Handlung auch etwas statisch bleibt.
Das habe ich auch so in Erinnerung, vor allem dass die Actionszenen nach dem wirklich spektakulären Opener mit Oates und seiner Bande später etwas statisch werden, etwas stagnieren, was sicher auch dem Konzept des Handlungsortes geschuldet ist. Aber eben auch, dass...
AnatolGogol hat geschrieben: 10. August 2020 07:56 Dennoch ist Barquero ein sehenswerter Western, der weitgehendgekonnt zwischen US- und Italowestern pendelt und vor allem durch seine interessante Charakterkonstellation zu überzeugen weiß.

7 / 10
Da kann ich nur zustimmen. Kein Top-Western, aber ein richtig guter.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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GoldenProjectile hat geschrieben: 10. August 2020 11:26 Quod Erat Demonstrandum also, und diese südländischen Einflüsse würde ich übrigens auch Schwester Saras zwei Maultieren desselben Jahrganges unbedingt attestieren.

Bei dem sind die Italo Einflüsse eindeutig vorhanden, das wäre ohne Eastwood ein anderer Film geworden, jedenfalls was den Helden und den Score betrifft, aber selbst hier ist die Inszenierung, und vieles weitere, immer noch eher US als Italo.

Eigentlich sehe ich den Italo Einfluß auf den US-Western fast nur bei den Eastwood Filmen, was auch mehr als logisch ist, und auch da längst nicht durchgehend, als Misch-Masch, und die Italo Anteile schaden den Filmen eher als daß sie nützen.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Maibaum hat geschrieben: 10. August 2020 11:35 Eigentlich sehe ich den Italo Einfluß auf den US-Western fast nur bei den Eastwood Filmen, was auch mehr als logisch ist, und auch da längst nicht durchgehend, als Misch-Masch, und die Italo Anteile schaden den Filmen eher als daß sie nützen.
Bin kein Genre-Experte wie du, aber da gibt es schon einige US-Produktionen, bei denen ich die Italo-Einflüsse als sehr stark empfinde, z.B. 100 Gewehre mit Burt Reynolds.
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Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Ebenfalls nicht nach meiner Meinung.

Der ist zwar in Spanien gedreht worden, aber da sehe ich z.b. wie anders oftmals die US-Regisseure die in Spanien drehten dieselben Landschaften Filmen wie ihre italienischen Kollegen. Die spanischen Regisseure des IW dagegen sind in der Hinsicht wiederum oft den Amis näher. Auch 100 Gewehre oder aber auch Hängt ihn höher sind für mich in fast jeder Hinsicht typische US Western der späten 60er.

Man muß halt auch immer schauen wie sich der Film damals generell veränderte, also was auch in anderen Gerne Filmen passierte, und was dann von den Elementen die eindeutig den IW definieren, im US Western zu finden wäre. Und gerade diese auffälligsten Elemente des IW, wie z.b. die rituellen Showdowns, überhaupt die Actioninszenierung oder die eher poppigen Scores findet man dort so gar nicht.

Es ist auch auffallend daß der IW in englischsprachigen Büchern (auch britischen) über den Western aus den 70ern fast gar nicht erwähnt wird. So wird ja auch oft gesagt The Wild Bunch sei unter dem Einfluß des IW entstanden, aber in Paul Seydors ausführlicher Studie über die 6 Western Peckinpahs wird Leone, und das ist ohnehin der Einzige den die Amis kennen, auf rund 400 Seiten nicht einmal erwähnt. Auch nicht in der erweiterten Fassung von 1997. In den weiteren Peckinpah Büchern aus den späten 70ern ebenfalls nicht. Das hat mich übrigens immer sehr verwundert.

Re: Das Western-Genre: Tipps, Kritiken & Diskussionen

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Maibaum hat geschrieben: 10. August 2020 11:07 Hmm, ruhiger Thriller?
Da wird doch ausgiebig geschossen, und deutlich mehr als in Hängt ihn höher.
Ich habe das nicht per Stoppuhr gemessen, aber Barquero wirkt auf mich ruhiger, fokussierter, weniger Action- und Tempo-lastig. Ist ja oft eher Empfindungssache. "Rio Bravo" ist für mich der deutlich schnellere und auch actionlastigere Film im Vergleich zu "Der schwarze Falke", obwohl bei den Suchenden mehr geballert und geritten wird. Vielleicht ist Barquero kein ruhiger Thriller, aber dennoch ist das für mich mehr Spannungs- als Actionkino.
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