WIe bewertet ihr mit etwas Abstand CR?

1 - miesester Film aller Zeiten
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (1%)
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Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (3%)
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Insgesamt abgegebene Stimmen: 6 (4%)
4
Insgesamt abgegebene Stimmen: 1 (1%)
5 - durchschnittlicher Film
Insgesamt abgegebene Stimmen: 4 (3%)
6
Insgesamt abgegebene Stimmen: 3 (2%)
7
Insgesamt abgegebene Stimmen: 10 (7%)
8
Insgesamt abgegebene Stimmen: 20 (13%)
9
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10 - perfekter Film
Insgesamt abgegebene Stimmen: 73 (48%)
Insgesamt abgegebene Stimmen: 152

Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1276
Henrik hat geschrieben: 28. September 2020 11:02 Und woher wissen wir überhaupt, dass durch Le Chiffres Börsenspekulationen nur Obanno finanziell schlecht darsteht? Klar, wir kennen nur Obanno, aber das muss nichts heissen.
Klaro, aber dann hätte es wirklich Sinn gemacht wenn Le Chiffre im Hotelzimmer ein anderer "Freiheitskämpfer" ans Leder gewollt hätte, dessen Ersparnisse ebenfalls in der Skyfleet-Spekulation draufgegangen sind.

Ich sage ja auch nicht dass man sich das nicht leicht logisch hinbiegen kann, aber nach allem was mir der Film zeigt und vermittelt ist es gefühlt etwas falsch, das bekannte und präsente Bedrohungselement (Obanno) aus Film und Leben zu verbannen, und das in der Selbstverständlichkeit des Films gleich wieder zu ignorieren. CR entwickelt ein komplexeres Schurkenbild mit komplizierter Konstellation und mehreren Parteien, dann sollte er diese Parteien nicht plötzlich in einen Topf werfen, denn ohne Theorien zu spinnen, nur dem Film folgend schuldet Le Chiffre dem White einfach keinen Cent.
Henrik hat geschrieben: 28. September 2020 11:02 Mathis sagt auch etwas in die Richtung, dass man sich auch als Leiche noch nützlich machen kann. Also ganz klar ein Bösewicht, der da verhaftet wird.
Mir war das schon immer klar, dass es sich um einen aus Le Chiffres Gang handelt, aber ich habe es extra noch mal auf einem Bondwiki nachgeschlagen und es ist definitiv einer.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1277
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45 Und damit nicht genug, durch die Ermordung von Obanno und den Deal mit Leiter lösen sich Le Chiffres Probleme und Bonds Mission quasi mittendrin in Luft auf, zumindest auf dem Papier.
Damit nicht genug, CR ist schließlich bezüglich der Logik manchmal genauso dämlich wie alle Bonds. Man muss sich fragen: Woher weiß die Welt eigentlich, dass es ein MI6 Agent war, der die Botschaft auf Madagaskar gestürmt hat? Ergibt das Sinn? Bond weist sich nicht aus und die englische Regierung hätte sicherlich wenig Interesse daran, den Vorfall zuzugeben. Zumal dieses Verhalten Bonds auch für seltsam wenig Konsequenzen sorgt. Ein solches Vorkommen würde einen internationalen Zwischenfall auslösen, aber sicherlich für den Agenten nicht mit einem Tadel von Mami enden.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1278
GoldenProjectile hat geschrieben: 28. September 2020 11:27 nur dem Film folgend schuldet Le Chiffre dem White einfach keinen Cent.
GoldenProjectile hat geschrieben: 28. September 2020 09:58 Klar kann man sich das irgendwie zurechtbiegen im Sinne von dass es White auch um Vertrauen geht und er Chiffre quasi als enttäuschenden Geschäftspartner eliminiert.
Das wird aber im Film auch ausdrücklich gesagt.



Geld ist Mr White nicht wichtig, sondern nur, wem er vertrauen kann. Außerdem sagt Le Chiffre auch etwas von "Tell them...", was sich wohl kaum auf Mr White. Wie du schon gesagt hast: Le Chiffre schuldet Mr White keinen Cent. Aber darum geht es gar nicht.

Vermutlich hätte Mr White Le Chiffre auch umgebracht, wenn er sofort mit dem Geld rausgerückt wäre. Wobei da trotzdem etwas nicht stimmt: Warum landet das Geld, das Vesper in Venedig abhebt, auf einmal bei Mr White?

Allerdings fand ich das in der Venedig-Szene sowieso immer etwas komisch: Erst wird ziemlich deutlich gezeigt, dass der Geldkoffer im Wasser versinkt und Gettler ihn nicht mehr retten kann und dann hält Mr White ihn in den Händen. Aber der Koffer sollte wohl schwimmen können.

Um jetzt ein ganz anderes Fass aufzumachen: In CR wird immer zwischen dem Mittelsmann Mr White und Le Chiffre differenziert und in SP gehören die auf einmal der selben Organisation an!? Aber das ist ein anderes Problem.

Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1279
GoldenProjectile hat geschrieben: 27. September 2020 21:45 Schauspielerisch fand ich Craig verglichen mit seinen Vorgängern nie so herausstechend, wie er oft gemacht wird, aber in CR liefert er durchaus seine beste darstellerische Leistung als Bond ab, in der Art wie er Actionheld, Womanizer und treffend gesetzte humorvolle Züge unter einen Hut bringt. Wenn die Rolle manchmal etwas inkonsistent wirkt, dann wie angetönt eher durch einige Reboot-Dialogzeilen über Schutzpanzer und stumpfe Instrumente, die eine Spur zu theatralisch daherkommen und mehr Abweichungen von Bond als Charakter behaupten, als der Film sowohl nötig hat als auch tatsächlich anbietet.
Ich sehe das sogar so: Die wirklich interessanten Sachen behandelt CR gerade nicht in Dialogen, während das ganze Schutzpanzer-Geschwätz unglaublich käsig geschrieben ist. Warum haben ausgerechnet Campbell's zwei Bondfilme so auffallend schwache Dialogzeilen? Nur auf das Writing der Dialoge bezogen, gehören GE und CR für mich zu den Schlusslichtern der Reihe. Wie dem auch sei...

CR ist immer da richtig spannend, wo Le Chiffre und James Bond kollidieren und wo der Film die Gemeinsamkeiten zwischen beiden herausarbeitet. Im Kern ist CR ein Film über Alphamännchen und deren (Über-)Egos und dabei reflektiert das Script recht schlau die Männlichkeitsideale der Vergangenheit, die in James Bond Filmen seit 1962 Bestand haben... Zumindest so lange, bis Bond und Vesper das in aller Plattheit in Dialogen nochmal genaustens erklärbären (immerhin sind beide Diplom-Hobbypsychologen). Keine Ahnung, was diese dusseligen Dialoge für Dummies sollen, denn CR findet immer die richtigen Bilder, um ohne Worte etwas zu transportieren: Allein die Umkehrung der Ursula Andress Einführung in DN durch Daniel Craig sagt mehr als jedes geschriebene Wort, und wie Bond im Plot immer weiter entkleidet wird (bis zum Adamskostüm bei der Folter) lässt sich leicht auf seine Psyche übertragen. Und auch das symbolische blutende Auge der Chiffre-Figur verrät mehr über das Thema Vertrauen als jedes Wort aus dem Mund von Alles-Erklärer Mathis.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1280
Casino Hille hat geschrieben: 29. September 2020 18:06 Nur auf das Writing der Dialoge bezogen, gehören GE und CR für mich zu den Schlusslichtern der Reihe.
Finde ich gar nicht, wobei CR auch in dem Bereich noch um einiges besser ist als es GE damals war.

Vor allem aber im Vergleich mit dem direkten Vorgänger ist CR bei den Dialogen um Welten besser.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1281
Henrik hat geschrieben: 29. September 2020 08:31 Das wird aber im Film auch ausdrücklich gesagt. Geld ist Mr White nicht wichtig, sondern nur, wem er vertrauen kann.
Klar, aber Le Chiffre scheint ja zu glauben dass er White das Geld schuldet, und dieses Verständnis wird auch mir als Zuschauer vermittelt, folgend hört sich Whites Sätzchen auch mehr an als ob er ein Anrecht auf das Geld hat, aber es ihm durch den Vertrauensbruch egal ist.
Henrik hat geschrieben: 29. September 2020 08:31 Um jetzt ein ganz anderes Fass aufzumachen: In CR wird immer zwischen dem Mittelsmann Mr White und Le Chiffre differenziert und in SP gehören die auf einmal der selben Organisation an!? Aber das ist ein anderes Problem.
Das Fass hast DU jetzt aufgemacht. :lol:

Ganz ehrlich, SP und Bruder Ernst können auch erklären dass Le Chiffre in Wahrheit ein mutierter Vogelmensch in Verkleidung war, der im Casino Eier legen wollte aus dem dann der Antichrist, Sepp Blatter und das Xenomorph schlüpfen. Ich kann diese Retcon-Erklärung nicht ernst nehmen und würde bei einer Sichtung von CR und QoS nicht im Traum dran denken, dass hier ja der Kuckuck die Fäden zieht.
Casino Hille hat geschrieben: 29. September 2020 18:06 Wort aus dem Mund von Alles-Erklärer Mathis.
Mathis finde ich angenehm, weil er seine Erklärungen in einem charismatischen Gesamtauftritt verpackt. Mein Problem mit der Figur ist wie angetönt, dass er in CR alleine nicht funktioniert, man darf eine so gute Nebenrolle in einem Bondfilm nicht so unbefriedigend und ungelöst lassen. Klar, QoS setzt ihm dann einen ordentlichen Schlussstrich, aber wenn ich mich weiter oben so sehr über SP's nachträgliche Umdeutungen der Vorgängerfilme lustig machen muss ich fairerweise auch Mathis nur Film für Film betrachten. Immerhin passen CR und QoS viel besser zusammen als zu den Mendes-Filmen, aber wenn man nur CR ohne QoS betrachtet, dann scheint die Verräterfrage dem Film am Ende egal zu sein und er wird nicht mehr gebraucht.

Ne, die Rolle die mir irgendwie schon immer missfallen hat ist Frau Dench. Ich habe das lange Zeit gar nicht so direkt gesagt, vielleicht weil es mir selber noch nicht so aufgefallen ist oder weil ich unterschwellig dachte dass man sie als Mitglied des Londoner Schauspieladels gut finden muss, oder was auch immer. Ich habe ja schon im Versuch einer DAD-Rezension angetönt, wo die Gründe liegen. Die Rolle schwankt so stark zwischen Misstrauen, Abneigung und Diskrepanz Bond gegenüber auf der einen, und Vertrauen, Wertschätzung und Mutti-Symbol auf der anderen Seite, ohne dass es mir je wirklich einen Mehrwert gibt, sondern für mich in ihrer Präsenz und ihren Dialogen eher ein Störelement darstellt. Und das fängt in GE schon ein bisschen an und wird dann vor allem in DAD, CR und QoS immer präsenter, in SF ist sie dann sowieso schon praktisch die zweite Hauptrolle. Und in CR mag ich besonders die Szene als Bond bei ihr einbricht nicht, wo ich mir denke, was labern die da von wegen arrogance and self-awareness seldom go hand-in-hand, wie kommt Bond auf Half Monk, half hitman und was soll das mit Bonds Ego, dessentwegen sie ihm nicht trauen kann? Vielleicht bin ich zu blöd dafür, aber mir kommen viele der Dialoge zwischen Bond und M, ganz besonders in den ersten beiden Craigern, sehr gekünstelt vor als hätten Purvis & Wade hier etwas ganz eloquentes und tiefgründiges schreiben wollen, und die gemeinsame Geschichte, die Beziehung zwischen den beiden entwickelt sich für mich nicht, bleibt immer auf dieses schwülstige Gerede über blunt instrument und inconsolable rage beschränkt und ich denk mir nur: was hat das nennenswert mit dem Film zu tun, und muss es sein, Bond auf diese Art psychologieren und beschreiben zu wollen? Ich kann mit der Rolle nicht viel anfangen und jetzt kommt's sie rangiert bei mir deutlich auf dem letzten Platz aller M's.

Hmm, eigentlich schade dass ich bei einem sehr gelungenen 8er-Film hier so sehr auf den Negativpunkten rumhacken muss, aber meine Argumente dass und warum ich CR eigentlich ganz prima finde habe ich gefühlt schon alle im Haupttext verbraten.

Und was mir gerade noch einfällt: Wenn Anatol das liest sollte er auf den Reviewszug aufspringen, seine Meinung zu CR ist mir bis heute ein Rätsel, bzw. kann ich mich nicht erinnern jemals etwas "deutliches" von ihm zu CR gehört oder gelesen zu haben.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1285
GoldenProjectile hat geschrieben: 29. September 2020 20:29 Mathis finde ich angenehm, weil er seine Erklärungen in einem charismatischen Gesamtauftritt verpackt
Kann ich nachvollziehen. Mich nerven Figuren, die nur dazu da sind, um eine lange Exposition nach der anderen abzulassen und insbesondere dann, wenn sie dabei andauernd Dinge erklären, die nicht erklärt werden müssen. In Casino Royale wird unglaublich viel über all das geredet, was der Film thematisieren will, dabei sind Campbell und die Autoren durchaus fähig genug, ohne diese vermeintlich tiefsinnigen Dialoge auszukommen oder das was gesagt werden muss ansprechend zu komprimieren. Grandioser Satz: "Man kann auch als Leiche noch sehr nützlich sein." --> Diese Dialog-Qualität erreicht Casino Royale aber nur äußerst selten.

M, Vesper und Mathis sind da die größten Problemfiguren. Persönlich mag ich Judi Dench in der Rolle (allemal mehr als Ralph Fiennes), allerdings hauptsächlich in der Brosnan-Ära. Sie dort als bissige Mutter-Figur in die Männerdomäne des Geheimdienstes zu setzen fand ich durchaus interessant, und vor allem in Tomorrow Never Dies funktioniert das meines Erachtens sehr gut im Zusammenspiel mit der Admiralität. Ja, die Autoren wussten nicht immer was mit ihr anzufangen, und ihre Quasi-Hauptrolle in The World is not Enough hätte das Höchstmaß der Gefühle sein dürfen, aber sei es drum: Dafür hat sie auch in der Craig-Ära zumindest in Quantum of Solace nochmal einen bärenstarken Auftritt (vor allem in der exzellenten Hotelzimmer-Szene – "He ist MY Agent and I trust him!"). In Casino Royale ist sie in der Tat Stichwortgeberin, und darf alles, was den Film am Thema veraltetes Männlichkeitsbild interessiert im ersten Dialog mit Bond laut aussprechen, damit es auch der letzte Schwachmat passiert. Das Problem: Ihre Sätze à la "Arrogance and self-awareness seldom go hand-in-hand" ergeben recht wenig Sinn, denn nichts davon ist im Film bisher passiert. Bond verhält sich auf Madagaskar nicht arrogant oder übertrieben selbstbewusst, sondern wie ein Psychopath. :mrgreen: Es ist mir ein Rätsel, dass er nach der Aktion nicht mindestens ins Gefängnis gehen muss. Ohne Witz: Etwas so derartig dummes hat Bond in keinem der 20 Filme zuvor je getan – und der Bond von Connery bis Brosnan war immer arrogant und self-aware. :wink: Sei es drum: So übel finde ich Judi Dench auch wieder nicht, und so wie sie zu Beginn von Casino Royale darüber motzt, dass ihr der Kalte Krieg fehlt, hätte sie gerne öfter bei Craig auftreten dürfen.

Übrigens kurz zum Madagaskar-Kapitel eine Ketzer-Frage: Hätte das nicht ohne den Reboot inhaltlich besser funktioniert? Mit einem erfahrenen Bond, der aus lauter Selbstsicherheit, weil er bisher auch immer gewonnen hat, das Maß verliert und eine große Dummheit begeht? Wäre das nicht sogar die interessantere Entwicklung für die Figur gewesen? Aber gut, das ist eine konzeptionelle Frage.

Mathis stört mich vor allem, wenn er im Pokerspiel neben Vesper steht und jeden einzelnen Schritt am Tisch dem Zuschauer erklärt. Da muss ich als begeisteter Pokerspieler allerdings zugeben: Anders kann man es in einem Blockbuster wie Bond nicht machen, denn der normale Zuschauer muss auch einigermaßen verstehen, was da gerade passiert. Daher geht das wohl in Ordnung und ist mir eher ein persönliches Dorn im Auge. Vesper ist viel schlimmer: Die Zugszene ("I am the money" - Haha, witzig!) ist einer der plattesten Dialoge der Bond-Geschichte. Da unterhalten sich nicht ein Agent und eine Frau vom Schatzamt, sondern zwei Küchenpsychologen, die mit Mentalismus und Schwarzer Magie in Sekundenschnelle alles aus dem Gesicht des Anderen ablesen und uns als Zuschauer somit minutiös vorkauen können, wie beide ticken. Was ist in diesem Dialog aus "Show, don't tell" geworden? Ist es zu viel verlangt, einen Dialog zu schreiben, bei dem man an der Art, wie die zwei Figuren sich verhalten und abtasten etwas über sie erfährt? Geht es wirklich nicht anders, als dass sich die beiden gegenseitig uns vorstellen und dabei auch noch ein psychologisches Profil mitliefern? Aua… Von so herrlich "subtilen" Sätzen im späteren Verlauf wie "I have no armour left. You've stripped it from me. Whatever is left of me - whatever is left of me - whatever I am - I'm yours" oder noch besser "You lost because of your ego, and that same ego can't take it" (Danke Vesper, ich hatte die Szene zuvor gar nicht verstanden…) mal abgesehen…
Samedi hat geschrieben: 29. September 2020 18:56
Casino Hille hat geschrieben: 29. September 2020 18:06 Nur auf das Writing der Dialoge bezogen, gehören GE und CR für mich zu den Schlusslichtern der Reihe.
Finde ich gar nicht, wobei CR auch in dem Bereich noch um einiges besser ist als es GE damals war. Vor allem aber im Vergleich mit dem direkten Vorgänger ist CR bei den Dialogen um Welten besser.
Gerade im Originalton fällt mir das immer wieder auf. GoldenEye ist auf eine sehr unangenehme Art extrem 90s, was die Dialoge anbelangt, einiges erinnert mich da unangenehm an Jerry Bruckheimer Filme. Wenn Brosnan und Bean in der PTS einen möchtegern coolen Dialog (der nach eingespieltem Team klingen soll) nacheinander rausposaunen, finde ich das ehrlich gesagt sogar ein bisschen peinlich ("We aim to please" – C'mon, Bond!). Da bin ich vielleicht alleine mit, aber in GoldenEye reden fast alle Charaktere mindestens die Hälfte ihrer Leinwandzeit in Onelinern, und da tut mir Sean Bean bei einigen Szenen sogar leid.

Casino Royale hingegen hat diesen enorm toterklärerischen Stil, der vermutlich von Paul Haggis kommt, da er auch in Quantum of Solace manchmal noch im ähnlichen Maß erkennbar ist. Außerdem fängt mit Casino dieses Sprechen der Figuren in Plattitüden an, in Parolen, die immer einen gewisser Trailer-Stil haben (CR: "Sometimes we pay so much attention to our enemies, we forget to watch our friends as well" / QOS: "When you can't tell your friends from your enemies, it's time to go" / SF: "Some men are coming to kill us – we're going to kill them first" / SP: "If you go there, you will cross over into a place where there is no mercy"). Das sind Szenen, bei denen ich ständig denke: Wer redet bitteschön so? :D John Logan hat diesen Writing-Stil für seine Bonds beibehalten, denn auch Skyfall und Spectre sind voll von langen Dialogen, die eigentlich nur das Offensichtlich erklären, und es nie schaffen, etwas über die Figuren zu verraten, sondern so geschrieben sind, dass sie uns die Figuren verraten. :wink:
Insgesamt denke ich, dass Quantum die besten Dialoge der Craig-Filme hat, weil hier oft in sehr einfachen Worten die Handlung weiterentwickelt wird und die Figuren sich nicht regelmäßig erklären, sondern Forster vieles visuell erzählt / erzählen muss. Hier ist mehr show, in den anderen drei Filmen ist sehr viel tell (allerdings nicht Bogenschütze Willi).

Ein abschließendes Wort noch: Bondfilme sind keine Dialogfilme und das müssen sie auch nicht sein. Alle Bondfilme haben Dialoge, die hoffnungslos "overwritten" sind, alle Bondfilme haben einige steifere Dialogzeilen. Das liegt in der Natur von Bondfilmen. Ich erwarte absolut kein perfektes Writing – dafür gucke ich Filme wie "Spotlight", "Inside Llewyn Davis" oder "The Social Network". Aber die meisten alten Bonds sind meines Erachtens kompakter und (wenn auch mit gesundem Pragmatismus ausgestattet) eleganter in ihren Dialogen – was daran liegen mag, dass die meisten Bonds zwischen 1962 und 2002 eine große Portion Naivität atmen, die die Craig-Filme mehr und mehr abzulegen versuchen.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1287
Henrik hat geschrieben: 30. September 2020 08:04 Aber wie genau findet Q eigentlich durch den Ring heraus, dass die Leute SPECTRE-Mitglieder waren?
Also ich glaube, dass Q nur annimmt, dass die Leute direkt zu SPECTRE gehören. Der Ring beweist ja nur, dass die Personen mit SPECTRE in Verbindung stehen.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

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Casino Hille hat geschrieben: 30. September 2020 12:40 Übrigens kurz zum Madagaskar-Kapitel eine Ketzer-Frage: Hätte das nicht ohne den Reboot inhaltlich besser funktioniert? Mit einem erfahrenen Bond, der aus lauter Selbstsicherheit, weil er bisher auch immer gewonnen hat, das Maß verliert und eine große Dummheit begeht? Wäre das nicht sogar die interessantere Entwicklung für die Figur gewesen? Aber gut, das ist eine konzeptionelle Frage.
Interessanter Gedanke, das ist durchaus eine Möglichkeit. Übrigens ist der Satz God, I miss the cold war! tatsächlich grandios, überhaupt lässt die Dench-Figur bei all meinem Gemecker auch immer wieder solche Ansätze durchblitzen, dass sie mir eigentlich viel besser hätte passen können. Aber diese inkonsistente psychologische Schiene, die immer wieder aufgefahren wird, naja.
craigistheman hat geschrieben: 30. September 2020 10:30 Und im Gegenzug zu Silva, erscheint mir die Le Chiffre/Spectre-Connection absolut plausibel. Ist auch der Romanvorlage treu.
Es besteht ja auch eine Connection zwischen Le Chiffre und Mr. Whites Bande (Whites Bande, nicht Bruder Ernsts Eyes-Wide-Shut-Mottoparty). Die machen Geschäfte, aber White ist halt laut CR nur der Vermittler, der Leute wie Le Chiffre und Obanno einander vorstellt, mehr nicht. Im Roman ist es aber Smersch, deren Geld Le Chiffre in seinen Prostitutionsgeschäften verprasst und die ihm entsprechend einen Killer auf den Hals hetzen, also eine Partei weniger. Aber der Roman ist ja eh nur lose Inspiration für den Film.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

1289
Casino Hille hat geschrieben: 30. September 2020 12:40 Übrigens kurz zum Madagaskar-Kapitel eine Ketzer-Frage: Hätte das nicht ohne den Reboot inhaltlich besser funktioniert? Mit einem erfahrenen Bond, der aus lauter Selbstsicherheit, weil er bisher auch immer gewonnen hat, das Maß verliert und eine große Dummheit begeht? Wäre das nicht sogar die interessantere Entwicklung für die Figur gewesen?
Sehe da keinen Unterschied. Es geht hier aber sowieso nicht darum, was Bond macht, sondern darum, wie es dann von M und anderen beurteilt wird. In CR wirft M ihm Unerfahrenheit und Rabaukentum vor, in SF ist Bond dann zu alt für den Job. Innerhalb der Craig-Ära ist also beides abgedeckt.

Vor allem langfristig gesehen ist Bonds Entwicklung meiner Meinung nach aber mit dem Reboot in CR auf jeden Fall viel interessanter als ohne.
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Re: Filmbesprechung: "Casino Royale (CR)"

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GoldenProjectile hat geschrieben: 30. September 2020 18:03
Casino Hille hat geschrieben: 30. September 2020 12:40 Übrigens kurz zum Madagaskar-Kapitel eine Ketzer-Frage: Hätte das nicht ohne den Reboot inhaltlich besser funktioniert? Mit einem erfahrenen Bond, der aus lauter Selbstsicherheit, weil er bisher auch immer gewonnen hat, das Maß verliert und eine große Dummheit begeht?
Interessanter Gedanke, das ist durchaus eine Möglichkeit.
Vielen Dank. Ich komme vor allem deshalb darauf, weil ich das in Casino Royale mir Gezeigte für absolut unlogisch halte. Einen "Rookie" wie Bond würde man so eine kolossal dämliche Aktion niemals durchgehen lassen. Der wäre im hohen Bogen rausgeflogen und vielleicht sogar intern verurteilt worden - zurecht übrigens, immerhin gehen bei seinem sinnlosen Amoklauf auch einige unschuldige Soldaten drauf. Bond übersteht diese Affäre nur, weil er die Hauptfigur des Films ist, aber viel Sinn ergibt das nicht.

Wäre Bond hier aber kein Anfänger, sondern der Profi-Agent, der er in allen anderen Filmen immer gewesen ist, würde erstens der folgende Dialog zwischen der Doppelnull und M zum Thema Ego besser passen (denn Bond hätte hier in der Tat aus Arroganz und Selbstsicherheit gehandelt, wofür es im jetzigen Film kein Anzeichen gibt) und außerdem wäre es zumindest etwas glaubwürdiger, dass es für ihn nur mit einem ausgedehnten Urlaub enden würde. Casino Royale könnte dann davon handeln, wie Bond versucht seinen angerichteten Schaden wieder gut zu machen – ähnlich wie sein Plot in Goldfinger, wo er ebenfalls den durch ihn verschuldeten Tod von Jill Masterson rächen will. Oder um einen Vergleich mit einem der Craig-Nachfolgerfilme zu bemühen: In Spectre verursacht Bond auch großen Schaden bei einem Einsatz, als er das Haus in Mexiko-Stadt unbeabsichtigt sprengt und wird dafür nicht gleich vollständig entlassen. Weil M ihn eben kennt und weiß, was er an ihm hat. Eine Eigenschaft, die Neulinge für gewöhnlich nicht mit sich bringen…
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