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von ProfessorDent
Agent
Das nächste kurz-Review meines chaotischen Halbmarathons während der Corona-Ferien. Moonraker und TSWLM sind ja bei mir deshalb nicht so gut weggekommen, weil sie mir zu unrealistisch und abgefahren waren. Folglich wird es euch nicht überraschen, dass John Glens Filme mit Roger Moore bei mir wesentlich besser abschneiden als Lewis Gilberts Beiträge. AVTAK ist bekanntlich einer dieser Filme und für mich ein sehr guter Beitrag zur Bondreihe, nach FYEO für mich der beste Moore.
Ich habe TSWLM (und in abgeschwächter Form auch MR) vorgeworfen, eine Doublette von YOLT zu sein, deshalb komme ich nicht daran vorbei, auf die Parallelen von AVTAK und GF hinzuweisen, denn sie sind ziemlich prominent. Der generelle Aufbau der Handlung, die sich am Kräftemessen zwischen Bond und einem einflussreichen Industriellen orientiert, das Meeting mit der Bitte nach Geld und dem einen Teilnehmer, der nicht mitzieht und beseitigt wird, sowie der Plan mit dem ausgefallenen Namen, der letztlich auf die Schaffung eines Monopols abzielt. Die Parallelen zwischen GF und AVTAK sind also mindestens genauso groß wie die zwischen YOLT und TSWLM, man kann den Film m.E. durchaus als Remake bezeichnen. Nur ist AVTAK ein clever gemachtes, modernisiertes und handlungsmäßig stringentes Remake eines guten Films, was ich von den anderen zwei halte ist bekannt.
Ich mag an AVTAK, dass der Film sehr bodenständig wirkt, über weite Teile ist er ein klassischer Spionagefilm mit viel Ermittlungsarbeit von Bond. Was daran wirklich erfrischend ist, ist dass diese Arbeit fast gänzlich ohne Gadgets funktioniert und der ganze Film generell vergleichsweise gewaltarm und geräuschlos verläuft. Das geht nur, weil AVTAK auf einer clever konstruierten Story beruht, die eben nicht nur aus lose aneinandergereihten Actionsequenzen besteht. Das unterscheidet alle Maibaum-Wilson-Stories der 1980er wohlwollend von Vielem was davor und leider auch danach kam. Der angenehme Effekt an dieser Art der Filmkonstruktion ist für mich, dass die Action erstens etwas Besonderes im Film bleibt, weil nicht an allen Ecken und Enden geklotzt wird, und zweitens, dass sie nicht das entscheidende Element im Film ist. Mir fallen wirklich wenige Bondfilme ein, bei denen das so gut gelöst ist.
Mein größter Kritikpunkt hängt allerdings auch mit der Story des Films zusammen, es gibt gegen Ende des zweiten Drittels einen Durchhänger im Spannungsbogen. Nachdem Bond mit Tibbet im See versenkt wird, bricht der Spannungsbogen, der sich bis dahin kontinuierlich gesteigert hatte, ordentlich zusammen. Hier fällt dem Film auf die Füße, dass Bond dem großen Plan von Zorin vorher nicht wirklich auf die Schliche gekommen ist und in gewisser Weise nochmal von vorne mit seinen Ermittlungen beginnen muss. Es ist ja nicht so, dass AVTAK der einzige Bondfilm wäre, der vor dem Finale nochmal einen Gang zurückschaltet, aber hier sind es zwei Gänge und das teilt den Film irgendwie in zwei Teile. Vielleicht hätte man diesen Übergang mit einer etwas innovativeren Inszenierung auffangen können, aber das bekommt John Glen eben nicht hin. Der Rest des Films leidet in keinster Weise unter Glens sehr nüchternen und zurückhaltenden Regiearbeit, sie tut dem Film die meiste Zeit sogar gut. Jedoch zeigen solche Schönheitsfehler im Skript, dass John Glen mehr als beispielsweise Lewis Gilbert oder auch Sam Mendes von einem guten Drehbuch abhängig ist.
So sehr ich den Film mag, so wenig komme ich am tausend Mal gehörten und leider auch korrekten Kritikpunkt vorbei, Moore sei zu alt für die Rolle. Auch in OP war er nicht mehr optimal, aber in diesen zwei Jahren hat er ganz schön abgenommen und das betont in Kombination mit den sehr hellen Haaren sein Alter mehr als vorher. Er wirkt nicht mehr überzeugend in Actionszenen und auch seine Beziehungen zu Bondgirls wirken zunehmend väterlich, gerade mit Stacey, die locker seine Tochter sein könnte. Ganz übel finde ich in diesem Zusammenhang den Seniorenausflug mit Moneypenny, M, Tibbet und Q. Ganz ehrlich, das überzeugt nicht mehr, Bond wirkt nur unwesentlich jünger als M, von Moneypenny ganz zu schweigen. Vielleicht wäre Dalton in diesem Film die bessere Wahl gewesen, als Einstand hätte AVTAK allemal getaugt und ich bin mir sicher, Dalton käme in der Mainstream-Meinung besser weg.
Sehr gelungen wiederum finde ich Christopher Walken als Zorin und Grace Jones als Mayday, denn sie sind eben nicht der klassische Böse mit seiner Liebschaft, die Bond später ausspannt. Die Idee, eine Frau zum Handlanger zu machen und sie in eine sehr undurchsichtige Liebesbeziehung mit den Bösewicht zu setzen finde ich genial. Man hat zeitweise den Eindruck, Mayday hätte Zorin völlig in der Hand oder kann sich zumindest nicht ganz sicher sein, wer von den beiden wem sagt was zu tun ist. Dieses kleine Verwirrspiel ist ganz typisch für die Maibaum-Wilson-Skripts, das macht ihre Filme so frisch. Walken und Jones unterstützen das Verwirrspiel, Walken kann den Kontrast zwischen dem Milchbubi Zorin, dem ernsten Geschäftsmann und dem Psychopathen ganz ausgezeichnet auf die Leinwand bringen, während Grace Jones ihm gegenüber körperlich überlegen wirkt und den Charakter so ausfüllt, dass Mayday zu den interessantesten Frauenrollen in den Bondfilmen wird.
Unterm Strich ist AVTAK ein sehr ordentlicher Bondfilm, der mit einem klugen Skript und interessanten Charakteren aufwartet. Leider hat der Film an einer entscheidenden Stelle einen zu großen und zu langen Durchhänger, der dem Film die ganz hohen Punktzahlen verbaut. Auch Roger Moores Alter wirkt negativ für den Film, der aber unterm Strich nach FYEO sein bester Beitrag bleibt. Insgesamt gibt’s 8 von 10 Punkten.