71
von 007James Bond
Agent
Bares Gold?
Ein Sprichwort in der Filmkritik besagt: „Ein Film ist nur so gut wie sein Bösewicht“.
GF hat einen brillanten Bösewicht. Goldfinger ist die schwärzeste Ausgeburt des Kapitalismus. Er ist ein gieriger Engländer, dem sein lukrativer Goldhandel nicht genügt und der nicht nur einen moralischen Ehrenkodex für vergleichsweise Peanuts bricht, sondern auch gegen das Gesetz in Form von illegalen Goldverschiebungen verstößt (deren Schwere zweifelhaft ist, denn immerhin hat er es erworben). Aber auch vor Kapitalverbrechen macht er mit der Rechtfertigung eines Gewissenhaften Menschs das „Autofahrer im Jahr nicht weniger umbringen“, keinen Halt. Goldfingers Größenwahn ist nachvollziehbar und authentisch – authentisch dargestellt von Gerd Fröbe. Fröbe spielt nicht nur seinen Text großartig, es sind die vielen Mimiken und Gestiken mit denen er Goldfinger eine einzigartige Charakteristik gibt.
Als der ehrenhafte Glücksspielveteran Bond Goldfingers Falschspielen in Miami (völlig unbegründet) bemerkt und auffliegen lässt, beginnt eine persönliche Feindschaft und ein Kräftemessen. Die Ironie ist, das Bond Goldfinger intellektuell immer überlegen ist, während Goldfinger es physisch ist. Nachdem er ihn in Miami auffliegen lies, schlägt er ihn beim falschen Golfspiel mit seinen eigenen Waffen, überlistet ihn in der legendären Lasertisch-Szene und wird ihm schließlich mit seiner sexuellen Männlichkeit zum Verhängnis, indem er das schafft, was Goldfinger eine Szene zuvor kläglich versuchte (wunderbar gespielt von Fröbe): er bekehrt eine homosexuelle Frau. Das Bond dies bewusst auch als weiteren persönlichen Triumph gegenüber Goldfinger sieht, könnte man dadurch annehmen, das er im Verlauf des Films „jede“ Frau um Goldfinger danach fragt, ob sie mit ihm schlafen muss.
Das Bond die ganze Goldfinger-Affäre sehr persönlich nimmt, zeigt auch das er soweit geht seine Ehre auf dem Golfplatz auf Spiel zu setzen, nur um Goldfinger zu kränken. Bonds Ego ist in keinem Film dominanter, so dominant, das er fahrlässige Fehler begeht. Angefangen damit, dass er Goldfinger in Miami bloßstellt, lässt er die Infiltrierung und das vermeintliche Geschäftsangebot als Köder durch seinen erzwungenen Sieg scheitern und bringt seine Mission in größte Gefahr. Erst wenn der große Story-Wendepunkt in der Mitte des Filmes kommt und der unsympathische Gauner zum bösen Verschwörer wird scheint er seinen Fall ernster zu nehmen, ist aber nachdem er bei seinem Fluchtversuch versagt, nicht zu mehr imstande, als sich am Leben zu halten. Goldfinger ist Bond im Grunde nur während der Gefangenschaft überlegen, Bond selbst ist es, der sich durch sein Fehlverhalten in diese Lage bringt und seinem Kontrahenten zuspielt.
Hinter diesem großartigen Kräftemessen stecken jedoch Szenen mit fauler Exposition, Story-Löchern (Wie kann Bond Goldfingers Falschspielen in Miami erkennen??) und absoluter Sinnfreiheit. Die Pre-Titel, die keinerlei nutzen in der Story hat und in der Bond dem Zuschauer !erklärt! warum er die Anlage in die Luft gejagt hat (die Exposition), gefällt wenigstens noch in der Inszenierung und dem Young’schen Kampf – und nicht zu vergessen dem grandiosen Schnitt zur Main-Titel. Genauso redet Goldfinger zum Zuschauer, wenn er den „toten“ Gangstern seinen Plan erklärt. Jedoch findet man in dieser Ausführung noch eine Motivation, die zu Goldfinger passt: Sein Ego will wissen, ob Amerikas größte Gangster seine Genialität würdigen. Die Beseitigung des Gangsters Solo ist dagegen in jeder Hinsicht sinnfrei und peinlich langweilig. Wieso der Aufwand, das Auto mit dem toten Solo und dem Gold einzupressen, nur um danach das Gold vom Schrotthaufen wieder zu trennen, was unmöglich ist. Fast genauso langweilig ist der Kampf gegen Oddjob – und das bei dem gelungenen Ausgang. Konkurrenz in der Naivität macht das Vergasen einer ganzen Stadt mit zwei dutzend Pressluftbehältern kleiner als Taucherflaschen aus einer Höhe von mehreren Hundert Metern. Die Figur Pussy Galore ist durch ihre Fliegerstaffel nicht viel gerechtfertigter.
Das obige Sprichwort darf nicht zu ernst genommen werden, dennoch ist etwas Wahres dran, denn der Bösewicht ist die dunkelste Quelle des Antagonismus und ohne Antagonismus, ist ein Film Storylos – es gibt keine Konflikte. Dabei kommt es nur bedingt auf die Quantität an, das Jugendamt kann bedeutendere Konflikte auslösen, als eine Alien-Invasion.
Goldfinger besitzt Qualität und Quantität. Er ist der Facettenreichste Bösewicht der Reihe. Er scheint nicht ganz gewissenlos zu sein, ist feige wie mutig und hinterlistig wie charmant. Abgerundet durch Fröbes großartige Umsetzung. Der Film lebt nicht nur von den Konflikten zwischen Bond und Goldfinger, er IST dieser Konflikt.
Was dahinter steckt ist keine komplexe und spannendere Struktur wie in FRWL oder effektive und interessante wie in DN, jedoch können einzelne Szenen wie der Pre-Titel-Kampf, die Lasertischszene, Bonds Austausch der Golfbälle oder die schnell montierte Bombenentschärfung mit kurzweiliger Spannung dienen. Auch bietet die Kameraführung-Bildkomposition weniger Zauber als in den Filmen zuvor (im darauffolgenden soll dieser ganz erlischen). Die Schönheitsfehler der Story richten dem Film einen Schaden an, den er nicht verdient hat und vermeidbar gewesen wäre, wie so oft in der Reihe.
Kein Gold wert, aber ein Juwel der Reihe.
7,5 von 10 Punkten