2022 feiert nicht nur 60 Jahre James Bond allgemein, sondern auch 20 Jahre DIE ANOTHER DAY im Speziellen (Weltpremiere am 18.11.2002 in London, Deutschland-Premiere am 20.11.2002 in Berlin). So war das 20-jährige Jubiläum des Franchises 2002 das erste, das EON Productions groß feiern ließ – nicht nur abseits der Filmproduktion, auch mit dem Film selbst durch zahlreiche Anspielungen. Gleichzeitig ist STIRB AN EINEM ANDEREN TAG natürlich Pierce Brosnans nicht ganz frewilliger Abschied von der Bond-Serie und markiert den Wendepunkt einer film- und weltpolitischen Ära in einer äußerst turbulenten Zeit.
Während DAD von vielen Kritikern und Bondfans damals wie heute teilweise relativ hart kritisiert wird, gibt es in der Bond-Fangemeinde doch auch viele Anhänger des Filmspektakels. Was kein Wunder ist, stellt der Film ja auch das krasse Gegenbild zur darauffolgenden und ebenfalls sehr erfolgreichen Daniel-Craig-Ära dar (die auch nicht nur ihre Fans hat). Zur Feier des Jubiläums hat der neuseeländische Regisseur LEE TAMAHORI (72) Yahoo Entertainment UK ein ausführliches Interview gegeben, in dem er auf die (teils verständliche, teils übertriebene) Kritik zu BOND 20 eingeht und auch noch einmal seine Sicht der Dinge erläutert.
Gleich zu Beginn: Wenn es etwas gibt, das Tamahori an DIE ANOTHER DAY ändern würde, dann wären es die computeranimierten Effekte (CGI). Ja, da gebe ich Herrn Tamahori jedenfalls recht!
„Das Einzige, was ich bei DIE ANOTHER DAY anders machen würde, wäre die Kitesurfing-Sequenz. Ich weiß jedoch nicht, wie man es anders machen würde. Es war damals praktisch unmöglich, es als echten Stunt zu drehen: vom Rand eines Gletschers zu stürzen, hastig einen Lenkdrachen zusammenzubauen und sich dann durch das Windsurfen aus der Gefahrenzone zu befreien. Wenn man das wirklich versuchen würde, es würde nicht funktionieren.“Regisseur Lee Tamahori über die berühmte und viel diskutierte Kitesurfing-Sequenz.
Die Verwendung von Spezialeffekten (VFX) und computeranimierten Effekten (CGI) sei die einzige Möglichkeit gewesen. Anmerkung: Man hätte auch das Drehbuch anpassen können… ;)
Neben dem Kitesurfing war und ist natürlich auch noch das „unsichtbare Auto“ einer der großen Kritikpunkte. Letzteres hat mich persönlich zwar nie so stark gestört, da mir schon damals bekannt war, dass an der Camouflage-Technologie, die im Film gezeigt wird, vor allem im militärischen Bereich tatsächlich damals wie heute viel geforscht wird. Auch hier war es eher die (CGI-) Umsetzung im Film, die nicht ganz zufriedenstellend war.
„Das unsichtbare Auto war meine Idee, also übernehme ich die volle Verantwortung dafür.“Lee Tamahori über den berühmten „unsichtbaren“ Aston Martin Vanquish, also den „Vanish“.
Als er damals zur Produktion stieß (er musste nicht lange überlegen und nahm das Angebot für 007 sofort an), gab es bereits ein Drehbuch von Neal Purvis & Robert Wade, die zuvor auch schon an „Die Welt ist nicht genug“ arbeiteten. Das Skript benötigte laut Tamahori aber noch eine Überarbeitung. Aus Sicht von Tamahori ist das verständlich, wollten Purvis & Wade doch einen bodenständigen Spionagethriller im Stile von „Der Spion, der aus der Kälte kam“ umsetzen – etwas, was mir persönlich sehr gut gefallen hätte (und mich immer noch interessieren würde!). Für Tamahoris Geschmack war das jedoch nichts, daher habe er doch noch relativ viel am Drehbuch ändern müssen…
Jedenfalls enthielt das Originaldrehbuch bereits den Bösewicht Gustav Graves, der eine Gesichtsumwandlung durchführt, aber für Tamahori sei das noch nicht genug gewesen, er wollte einen „Over-The-Top“-Bondfilm drehen.
„Übertrieben, überlebensgroß, wo ein Weltraumlaser alles Leben in Gefahr bringt und nur Bond ihn stoppen kann. Anders als die Bondfilme mit Daniel Craig, als die Serie in den Jason-Bourne-Modus gegangen ist. Ich liebe Daniels Filme, aber sie bogen in eine andere Richtung ab.“
Lee Tamahori über die Ausrichtung „seines“ Bondfilmes und dessen Auswirkungen auf die darauffolgenden Filme.
Interessant ist auch Tamahoris Aussage, dass er noch viele weitere radikale Ideen hatte, die von den Produzenten abgelehnt wurden, auch wenn das meiste, das er vorschlug, akzeptiert und umgesetzt wurde. „Ich denke, dass ich den letzten Bondfilm im Stile von „Goldfinger“ und „Moonraker“ gedreht habe.“ Tamahori habe sich auch für die vielen Anspielungen auf frühere Bondfilme eingesetzt, um die Fans zu beglücken – egal ob es beispielsweise Bond ist, der im Bett geheim durch einen Spiegel gefilmt wird („Liebesgrüße aus Moskau“), der Laserstrahl auf Jinx („Goldfinger“) oder Halle Berrys „bezauberndes“ Ursula-Andress-Erscheinen aus dem Meer.
Großen Einfluss auf die Produktion hatte natürlich ein Ereignis, an das wir uns alle immer noch gut erinnern, der 11. September 2001. Der Film befand sich noch in der Vor-Produktionsphase, die Dreharbeiten starteten erst im Januar 2002. Unter anderem wurde daraufhin das Ende des Filmes angepasst, nachdem es der „Icarus“ Weltraumlaser ursprünglich auf eine südkoreanische Stadt abgesehen hatte (oder war es doch Manhattan?), was schlussendlich in die unbewohnte DMZ zwischen Nord- und Südkorea verlegt wurde. Überhaupt sei es für Tamahori schwierig gewesen, da das Ende des Filmes zu Beginn der Dreharbeiten noch nicht feststand und man sich erst in der Mitte der Dreharbeiten darauf einigte, was für eine Produktion dieser Größenordnung doch eher ungewöhnlich sei. Man habe einen unterirdischen Schurkenbunker gehabt, den man laut Tamahori schon viel zu oft gesehen hatte. Also wieso bringt man das Schurkenversteck dann nicht einfach in die Höhe? Anders als die Sequenzen zuvor, sei es Hongkong, Kuba oder London, die alle in der Vor-Produktion bis ins kleinste Detail geplant wurden, musste man beim Ende dann natürlich schneller handeln (was man dem letzten Drittel des Filmes auch durchaus ansieht).
Und dann gibt es natürlich auch noch das Thema CGI. Laut Tamahori hätte sich die beauftragte CGI-Firma für die Kite-Surfing-Sequenz sehr lange und intensiv damit beschäftigt, das Wasser realistisch darzustellen, sodass für die Animation rund um Brosnan selbst nicht mehr genügend Zeit (und Geld) übrig blieb. „Ich wusste, dass es für viel Aufregung sorgen würde“, so Tamahori.
„Heute kann man einfach kommerzielle Software kaufen, um realistische CGI-Wassereffekte zu erstellen, aber wir haben damals ein Vermögen für Forschung und Entwicklung (R&D) ausgegeben. Es kostete mehrere hunderttausend Pfund, um die Darstellung des Wassers auf den neuesten Stand zu bringen, und es hat nie wirklich funktioniert um das Niveau zu erreichen, das wir heute gewöhnt sind.“
Lee Tamahori über die CGI-Effekte rund um die berühmte Kite-Surfing-Sequenz in DIE ANOTHER DAY.
Ob das wirklich so stimmt, sei dahingestellt – man sehe sich beispielsweise die Effekte von „Matrix“ (1999) an. Das ging also auch 2002 schon besser. Vielleicht hatte man einfach nur auf die falsche Firma gesetzt? Jedenfalls gibt auch Tamahori selbstkritisch zu, dass dies einer der Schwachpunkte des Filmes sei.
Aber natürlich waren nicht nur die CGI-Effekte ein Problem für James Bond, durch die veränderte Weltlage im Allgemeinen und Jason Bourne im Speziellen mussten sich auch die Bondfilme nach dem überladenen comichaften DIE ANOTHER DAY wieder zurück zu den Wurzeln begeben. Ein Schritt, der aber eigentlich schon 1999 eingeleitet wurde, als die Bond-Verantwortlichen endlich die Filmrechte an CASINO ROYALE erwarben.
Trotzdem, auch 20 Jahre später blickt Lee Tamahori positiv zurück: „Ich bin sehr glücklich über DIE ANOTHER DAY.“
„Ich wollte genau so einen Film machen: ein großes, riesiges Weltenbummler-Spektakel. Ich wusste, warum es bei den Fans nicht so beliebt sein könnte, denn es gibt eine Menge Dinge darin, die manche einfach als überlebensgroß und vielleicht ein bisschen übertrieben ansehen. Aber ich hatte eine tolle Zeit und es war großartig, das durchzustehen. Ich konnte mich nicht zurückhalten.“
Lee Tamahori blickt positiv zurück auf „seinen“ Bondfilm – er konnte sich einfach nicht zurückhalten.
Hat man auch fast nicht bemerkt… ;)
Abschließend natürlich: Happy Birthday DIE ANOTHER DAY! Wie gefällt euch der Film 20 Jahre später?