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Strangely Beautiful – Das Ende von No Time To Die

Nachdem ich mich ja schon in einem Artikel Ende Oktober intensiver mit dem Ende von NO TIME TO DIE befasst hatte, möchte ich mich noch einmal – abschließend – mit diesem Thema beschäftigen. Wie schon damals angekündigt, hatte ich mir ausführlichere Erklärungen zum vieldiskutierten Ende bzw. manchen Entscheidungen der Filmemacher für Craigs letzten Bondfilm erhofft. ACHTUNG SPOILER!!

Im Zuge des Heimkino-Starts und der „Awards Season“ haben Regisseur Cary Fukunaga, die Produzenten, die Autoren und natürlich auch Hauptdarsteller Daniel Craig in den letzten Wochen und Monaten glücklicherweise mehrmals ausführlich dazu Stellung genommen. Neben Interviews mit zahlreichen Film-Magazinen und Branchenblättern wurde sogar eine neue Folge des offiziellen Bond-Podcasts gedreht, die sich ausgiebig mit diesem Thema befasst.

Im Folgenden habe ich nun die (für mich) wichtigsten Aussagen der Verantwortlichen zusammengetragen. Ich bin nach wie vor kein großer Fan des gewählten Endes, kann die Intention dahinter aber schon (besser) verstehen. Wie schon vor einigen Monaten geschrieben, Risikofreudigkeit und Mut kann man den Bond-Verantwortlichen jedenfalls nicht absprechen. Und der Erfolg gibt ihnen natürlich auch recht in gewisser Weise. Trotzdem freue ich mich nun schon, wenn mit BOND 26 bald ein neues Kapitel aufgeschlagen wird. in diesem Sinne haben Craig und die Produzenten wahrscheinlich alles richtig gemacht – es muss und wird nun einen kompletten „Reset“ geben, wie auch immer dieser aussehen wird.

Strangely Beautiful – Luft, die Feuer fängt

Also, was sagen die beiden Haupt-Drehbuchautoren, Neal Purvis und Robert Wade zum Ende von NO TIME TO DIE (sie waren seit Pierce Brosnan’s DIE WELT IST NICHT GENUG an jedem Bondfilm beteiligt)?

„Strangely beautiful“ – die letzten Atemzüge von James Bond 007 auf der Leiwand.

Neal Purvis: „Barbara [Broccoli] hatte es uns gegenüber damals erwähnt, bei Daniels erstem Bondfilm CASINO ROYALE. Wir hatten es eigentlich schon ganz vergessen. Als dieses Thema dann wieder aufpoppte, fanden wir, dass es eine sehr mutige Idee war. Nur kann man sich da nicht einfach hineinstürzen. Es gab viele verschiedene Möglichkeiten, wie man es machen könnte, wir kamen aber eigentlich ziemlich früh auf die Idee mit den Raketen, die von einem Marineschiff aus abgefeuert werden. Diese Art von Umgebung fühlte sich für uns richtig an und zu wissen, dass etwas geschehen wird, ist eine sehr gute Möglichkeit, die Spannung aufrechtzuerhalten. Man denkt sich außerdem, dass es sicher nicht passieren wird.“

Robert Wade: „Ein anderer Aspekt, dramaturgisch gesprochen, ist, dass man durch so einen Raketenabschuss auch die anderen Charaktere wie M, Moneypenny und Q mit dabei haben kann. Das ist alles Teil des Augenblicks. Ich denke, es ist einfach eine sehr bereichernde Art, es darzustellen. Man hätte die Bombardierung auch mehrdeutig filmen können. Wir wollten, dass es ein wunderschönes Bild ist – Luft, die Feuer fängt und eine gewisse Lyrik in sich trägt. Auf diese Weise sieht man ihn nicht direkt sterben.“

„Seltsamerweise wunderschön“: Bereits im Drehbuch (siehe Screenshot der Drehbuchseite) wurde festgelegt, wie die letzten Atemzüge von James Bond auf der Leinwand aussehen sollten.

Während die Grundpfeiler des Endes schon lange feststanden, dürfte vor allem Regisseur und Co-Autor Cary Joji Fukunaga (die folgenden Zitate stammen aus dem Empire 02/22) bis zur letzten Minute versucht haben, die Geschichte & Abläufe im Drehbuch zu verbessern. Es hatten bereits die Dreharbeiten auf Jamaika begonnen, da arbeitete Fukunaga noch am dritten, finalen Akt: „Ich musste damals das Ende fertigstellen, da wir, wenn wir [aus Jamaika] zurück noch London kommen, bereits mit dem Dreh auf einigen dieser Sets begannen. Und ich musste einfach wissen, was wir machen werden. Das beschäftigte mich wirklich sehr, denn es konnte keine „normale“ Actionsequenz sein, es musste mit dem zentralen Thema der Geschichte verbunden sein.“ Erst damals kam er auf die Idee, Safins DNA-gesteuerte Waffe auch auf Bond und dessen Familie anzuwenden. „Ich dachte mir: Ich Idiot! Das hätte schon von Anfang an die Antwort sein sollen!“, so Fukunaga.

Wunderschön auf merkwürdige Art und Weise“ – Raketenhagel im Sonnenuntergang. So haben sich die Verantwortlichen James Bonds Ende vorgestellt. © 2021 DANJAQ, LLC AND MGM. ALL RIGHTS RESERVED.

Der Tragweite der Entscheidung bzw. welche Reaktionen diese unter vielen Fans auslösen wird, war man sich schon bewusst: „Ich dachte mir, dass die eingefleischten Bondfans sicher erwarten werden, dass sie [Madeleine] diejenige sein wird [die stirbt]. Sie wird die große Tragödie sein, die ihm sein Herz bricht.“

Raketenhagel im Sonnenuntergang

Zur Todesszene selbst sagt Fukunaga: „Ich wollte nicht, dass es stumpf wirkt. Ich wollte klar und eindeutig damit sein, aber auch geschmackvoll. Wir wollten es nicht wie in „Terminator 2“ machen, wo man sieht, wie sich Sarah Connor in Knochen auflöst. Aber wir wollten zeigen, dass er nicht doch noch im allerletzten Moment irgendwo hinunterspringt. Diese Großaufnahme von der Insel, die gerade beschossen wird, war eine Mischung aus Makro und Mikro. Das heißt letztlich: ‚Ja, er ist gestorben, aber er war erfolgreich und hat dafür gesorgt, dass diese Waffe nicht mehr eingesetzt werden kann‘.“

Auch Fukunaga betont noch einmal die visuelle Schönheit der gesamten Sequenz: „Der Sonnenuntergang symbolisiert das Ende – das ist wahrscheinlich ein Klischee, aber es ist so.“

Überhaupt war man beim Filmteam sehr überrascht, dass das Ende bis zum Filmstart geheim blieb. Man hatte aber auch zum ersten Mal eine weitere Drehbuchversion mit einem „fake ending“ im Umlauf, um das Geheimnis von Bonds Tod zu bewahren. Wie hat Kameramann Linus Sandgren das Ende miterlebt (das übrigens schon relativ früh gedreht wurde)?

Linus Sandgren: „Man ist beim Dreh natürlich immer sehr auf die technischen Einzelheiten fokussiert und versucht, die Szene gut aufzunehmen aber manchmal passiert es, dass man während der Dreharbeiten aus seiner professionellen Tätigkeit herausgerissen wird und man selbst zum Publikum wird, wenn man die Szene auf dem Monitor oder durch die Kamera beobachtet. Und ich erinnere mich sehr gut daran, dass es mir so erging, als wir das Close-Up von Daniel drehten, als er hinaufsieht zu den eintreffenden Raketen. Es ist ein überwältigendes Bild.“

Ein Novum (bis jetzt) in der Bond-Geschichte – Daniel Craigs schwerverletzter James Bond blickt seinem Schicksal entgegen. © 2021 DANJAQ, LLC AND MGM. ALL RIGHTS RESERVED.

Der Anfang vom Ende

Die Idee, „seine“ Bond-Reihe mit dem Tod von James Bond zu beenden, kam Daniel Craig schon bei seinem ersten Bondfilm CASINO ROYALE (2006). Er saß am Hintersitz eines schwarzen Mercedes zusammen mit Produzentin Barbara Broccoli nach der Berlin-Premiere seines ersten Bondfilms. Der Erfolg des Filmes übertraf alle Erwartungen.

Craig fragte Barbara: „Wie viele von diesen Filmen muss ich eigentlich machen?“ Barbara antwortete mit Nachdruck: „4!“. „Wirklich? Das sind aber viele. Okay, wenn ich die 4 Filme mache, kann ich ihn am Ende sterben lassen?“, fragte Craig. Broccoli überlegte, dann stimmte sie zu: „Ja!“

Und die Produzenten standen zu ihrem Wort. Craig, der eigentlich nach SPECTRE schon aufhören wollte (Bond entschied sich für ein Leben mit Madeleine, anstatt Blofeld zu töten), wurde doch noch einmal überredet – offensichtlich genau mit der damaligen Idee des dramatischen Endes für „seine“ Filmfigur (abschließend bleibt hier für mich nur mehr eine einzige Frage offen: Wie passte Danny Boyle in das alles hinein, der ja offensichtlich nichts von dieser Idee hielt!?).

„Sie hat deine Augen!“ – „Ich weiß. Ich weiß.“ Lisa-Dorah Sonnet als Mathilde. © 2021 DANJAQ, LLC AND MGM. ALL RIGHTS RESERVED.

Daniel Craig weiter über die Entscheidung, seine eigene Reihe innerhalb der Reihe mit Bonds Tod enden zu lassen: „Ich hatte eine Art Plan in meinem Kopf. Wenn wir es richtig machen, dann bringen wir das Ganze an einen Punkt, an dem sie es wieder zurücksetzen und neu beginnen können. Und um einen echten Reset zu machen, muss man von dem wegkommen, was ich mit meinen Filmen gemacht habe. Somit kann man wieder etwas Neues erzählen, etwas Anderes als meine Filme sind. Wir vergessen meine Version und sie können wieder eine neue Geschichte erzählen. Ich dachte, wenn ich es auf diese Weise beenden kann und es für mich keinen Weg zurück gibt, dann kann ich gehen. Sie können alles zurücksetzen und neu beginnen.“

Barbara Broccoli: „Die Idee, dass Bond nun eine Familie gefunden hat, aber er nicht mit ihr zusammen sein könne, war das herzzerreißendste Ende für die Figur James Bond.“ Im wahrsten Sinne des Wortes!

„Zuerst hatte er nichts, wofür es sich zu leben lohnt. Dann fand er etwas, wofür es sich zu sterben lohnt.“

Neal Purvis fasst eines der Mottos zusammen, das sie für James Bond während des Schreibens verfolgten.

Noch einmal Daniel Craig: „Ich denke, das Wichtigste war es, dass wir alle versuchten, die Situation einer Tragödie zu schaffen. Die Vorstellung, dass es ein unüberwindbares Problem gibt, dass eine größere Kraft im Spiel ist, gegen die niemand etwas tun kann. Und diese große Kraft ist in diesem Fall Safins Waffe. Das Einzige, was Bond in seinem Leben will, ist, mit den Menschen zusammen zu sein, die er liebt. Da er nicht mit ihnen zusammen sein kann gibt es nichts, wofür es sich für ihn noch zu leben lohnt. Er würde sogar das Leben seiner Familie gefährden und das ist das letzte, was er tun möchte. Dieses Element war also unglaublich wichtig, da es sich nicht wie eine zufällige Handlung anfühlen durfte. Es musste Gewicht haben – ohne würde es nicht funktionieren. Und wenn wir dieses Gewicht nicht gehabt hätten, glaube ich nicht, dass wir es geschafft hätten. Dann hätten wir einen anderen Weg gefunden, den Film zu beenden.

Um es so enden lassen zu können, sollte es ein emotionales, größeres Ziel geben, das er [Bond] erreichen möchte. Und sein emotionaler Weg musste zu einem Ende kommen. Was bedeutet, dass seine Geschichte endet und er nicht mehr am Leben sein kann. Und das richtig zu erzählen, war wirklich alles andere als einfach. Wenn wir es richtig machen, ist es die ultimative Aufopferung. Die ultimative Aufopferung aus den richtigen Gründen. Er [Bond] hat keinen Selbstmord begangen. Er hatte einfach keine andere Wahl. Es war eine Familien-Liebesgeschichte und Bond hat dafür gesorgt, dass er die Menschen, die er liebte, am Leben behält.

Cary, Phoebe und ich, wir haben alle am Ende mitgearbeitet, wir haben nach den richtigen Gründen gesucht. Mit einem diabolischen Bösewicht, der böse Dinge tut, die man nicht mehr rückgängig machen kann und den man stoppen muss. Und er [Bond] muss seine Familie beschützen, und das konnte er nur, in dem er sich selbst opferte.“

„Er starb als glücklicher Mann. Er war vollkommen.“

Daniel Craig über die letzten Momente seines James Bond, der, wenn auch nur kurz, glücklich war. Vielleicht „Ein Quantum Trost“ für manche Bondfans?

Wie es jetzt weitergeht mit James Bond? „Das ist nicht mein Problem“, sagt Craig. „Mein Anspruch war es immer, dass sich alles an einem guten Platz befindet, wenn ich gehe. Am Ende [von NO TIME TO DIE] steht: ‚James Bond will return‘. Also alles ist gut.

Sollte ihn Produzentin und Freundin Barbara Broccoli in Zukunft einmal anrufen und ihn nach seiner Meinung fragen, spreche er natürlich gerne mit ihr. Aber eigentlich möchte er erst wieder mit James Bond zu tun haben, wenn er beim nächsten Film mit seiner Tüte Popcorn so wie alle anderen im vollen Kino sitzt um den neuen Bond zu sehen.

Regisseur Fukunaga liebt Symmetrien, wie er selbst sagt. Der Film beginnt mit einer Gunbarrel und er endet mit einer. „Der letzte Satz eines Abschnitts im letzten Kapitel eines Buches.“ © 2021 DANJAQ, LLC AND MGM. ALL RIGHTS RESERVED.

Jetzt, wo viele den Film (schon mehrmals) gesehen haben. Wie gefällt euch das Ende von NO TIME TO DIE? Hat sich eure Meinung geändert seit dem ersten Mal? Oder seid ihr immer noch (nicht) begeistert?

Nicht vergessen: James Bond will return! ;)

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