Bereits im September hatte JamesBond.de – zusammen mit 4 anderen europäischen Bondfans – die unglaubliche und einmalige Gelegenheit, Regisseur Marc Forster, 007-Darsteller Daniel Craig und die beiden Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson persönlich zu treffen. Alle Details, Fragen und Antworten aus dem ersten Teil des ausführlichen Interviews mit Marc Forster und Daniel Craig (PART II, mit den Fragen an die Produzenten, folgt demnächst) findet ihr auf der folgenden Seite, viel Spaß!
FIRST THINGS FIRST
Als mich im September mein Kollege Chris darüber informierte, dass eine Dame von EON-Productions (also jene Firma, die seit 1962 die Bondfilme herstellt) aus London angerufen hätte, war ich zunächst geschockt. Mein erster Gedanke: ‚Okay, das wars mit unserer Fansite, wir können hier zusperren!‘ Als ich dann am nächsten Tag bei der netten Dame in London zurückrief, die Überraschung: „Roundtable Interview with Marc Forster, Daniel Craig and the producers here in London!“ – Mehr als ein „WOW, that would be great“, kam mir in diesem Moment nicht über die Lippen.
Nur wenige Tage später, noch in der selben Woche, saß ich dann tatsächlich in der Maschine von Wien nach London – es war unbeschreiblich.
Und nur wenige Stunden später saß ich tatsächlich [sic!], zusammen mit 4 anderen europäischen Bondfans (aus Deutschland, Frankreich, England und Nordirland), allesamt Vertreter großer 007-Fanseiten/Fanclubs, am runden Tisch im Londoner Soho-Hotel und wir warteten gemeinsam auf Regisseur Marc Forster. Kurz davor zeigte man uns noch damals exklusive Ausschnitte aus dem Film, wie etwa das Verhör in Siena, Bonds Aufeinandertreffen mit Slate, Bonds erstes Treffen mit Camille oder Teile der Szenen in Russland.
Endlich betrat Marc Forster den Raum. Er war sehr freundlich und bedacht, wirkte aber zunächst noch etwas zurückhaltend und ein wenig steif, taute aber mit Fortdauer des Interviews – nein, Gesprächs! – auf und wurde lockerer.
Wie oben angedeutet, entwickelte sich mit Fortdauer des Gesprächs eine äußerst spannende, interessante und auch lustige Diskussion. Alle Beteiligten, inkl. der 2 Hauptakteure, hatten sichtlich Spaß und es wurde des Öfteren, vor allem als Daniel Craig dabei war, lautstark gelacht. Um die Übersicht in diesem Artikel zu bewahren, habe ich die einzelnen Akteure eingefärbt und das Interview chronologisch mit Zwischenbemerkungen aufgeschrieben. Wir Bondfans richteten abwechselnd unsere Fragen an Marc und Daniel.
ÜBER ORSON WELLES UND WARUM QOS KEIN STANDARD-BONDFILM MIT TYPISCHER FORMEL IST!
Bondfans: Marc, welche Erfahrung hatten Sie vor QOS mit Bond und wieso haben Sie sich entschieden, den Film zu drehen?
Marc: Mein erster Bondfilm war ein Dalton-Film. Als ich ein Kind war, habe ich nicht viele Filme gesehen. Als mich die Produzenten zuerst nach dem Job fragten, war ich nicht wirklich interessiert. Dann hat mich Amy Pascal von Sony angerufen und mich gebeten, dass ich mich doch zumindest mit den Produzenten treffen solle, was ich dann auch tat. Ich mochte beide sehr und war beigeistert von ihrer Leidenschaft für Bond. Und ich war immer schon ein sehr leidenschaftlicher Mensch. Ich war jedoch noch nicht überzeugt, aber es passierten daraufhin einige Ereignisse, die mich schlussendlich doch überzeugten. Meine Crew von KITE RUNNER meinte zum Beispiel: „Oh mein Gott, du musst das Angebot annehmen, das ist James Bond, das ist Kinogeschichte!“, und ich fragte sie verwundert, was daran so besonders sei, es wäre doch nur ein Bondfilm… Sie meinten, nein, es ist nicht irgendein Film, es ist ein Bondfilm! Und dann habe ich dieses Zitat von Orson Welles gelesen, dass er es bereuen würde, niemals einen kommerziellen Film gemacht zu haben und das fand ich sehr interessant. Ich wollte immer schon einen Actionfilm drehen, ich dachte mir jedoch immer, dass ich mein eigenes Franchise erschaffen möchte, aber ich traf mich trotzdem noch einmal mit Barbara und Michael. Wir haben über noch mehr Details gesprochen und ich habe ihnen gleich von Vorneherein gesagt, dass, wenn ich den Filme machen würde, ich meine eigene Crew mitbringen würde, Editor, Visual Effects Designer, Produktionsdesigner etc., dass ich also jene Leute mitbringen kann, mit denen ich die Vision verwirklichen kann, die ich verwirklichen möchte. Und sie sind mir bei dem allen sehr entgegengekommen. Daraufhin traf ich mich mit Daniel und das war das ausschlaggebende Ereignis.
Danach entschied ich, dass ich es tun möchte. Denn ich fühlte, jetzt, wo er [Daniel] ja noch nicht da ist, kann ich es ja sagen, dass er ein unglaublich guter Schauspieler ist und dass sein Verständnis über den Charakter James Bond so gut war und es auch mit meiner Auffassung zusammenpasste. Ich dachte mir, jetzt bin jetzt in der Lage, einen Film zu machen, den ich gerne sehen würde – und das war der ausschlaggebende Punkt für mich – ich konnte keinen Standard-Bondfilm mit der typischen Bondformel machen. Aber ich dachte mir, dass es immer einen Weg gibt, einen guten Film zu machen. Natürlich gibt es jetzt auch in QOS einige typische Bond-Elemente, aber ich versuchte meinen Film knapp innerhalb und am Rande dieser Formel anzulegen, um meine Vision zu verwirklichen. Für mich ist der Film ein Kunstfilm, denn die kommerziellen Elemente existieren ohnehin. Aber ich konnte keinen Film drehen, der entweder für die Fans oder für die breite Masse ist, schlussendlich musste ich einen authentischen Film machen, von dem ich selbst finde, dass es ein Film ist, den ich mir anschauen würde. Das war die Idee, die ich für den Film hatte. Das Unglaubliche war, dass ich eigentlich dachte, dass ich mehr in Konflikt mit Michael und Barbara kommen würde, weil ich dachte, dass sie ihre eigene Vorstellung für den Film hätten, immerhin haben sie schon bei so vielen Bondfilmen mitgearbeitet. Aber sie waren einfach nur kooperativ und haben mich immer und überall unterstützt. Das ist wirklich sehr selten geworden in Hollywood, denn wenn man heutzutage einen Film mit solch einem Budget machen möchte, dann gibt es zuallererst die Studiobosse, die dir sagen, was du machen sollst und das war auch immer der Grund, warum ich mich von solchen Filmen ferngehalten habe. Denn wenn ich einen Film machen möchte, dann soll er auch so werden, wie ich den Film haben will und nicht anders. Als ich mich über die Produzenten informiert habe, habe ich festgestellt, dass sie doch sehr auf die Regisseure eingehen und ich mich nicht mit irgendwelchen Studiobossen herumschlagen, sondern nur mit Michael und Barbara zurechtkommen müsste. Die beiden würden dann alles mit dem Studio klären und genau so ist es dann auch eingetroffen. Das war wirklich eine sehr interessante und unvergessliche Erfahrung.
CRAIG… DANIEL CRAIG BETRITT DEN RAUM!
Wir haben gerade großartiges Material vom Film gesehen, das sehr intensiv und wundervoll gefilmt war, an welchen Filmen haben Sie sich dabei orientiert?
Marc möchte gerade beginnen, die Frage zu beantworten. Auf einmal geht die Türe auf. Ich höre eine „vertraute“ Stimme. Plötzlich stürmt ein Mann mit Armbinde, Dreitagesbart, legere in Jeans aber doch elegant gekleidet und voller Energie & Elan in den Raum herein. Freundlich und aufgeweckt macht er sofort die Runde und gibt jedem von uns seine linke, nicht eingebundene Hand: „Hi, I am Daniel, nice to meet you!“. Da ich bereits von weiblicher Seite gefragt wurde: Ja, seine Augen sind tatsächlich so blau und Daniel hat wirklich eine immens starke Ausstrahlung, aber ob ich das als Bondfan überhaupt objektiv beurteilen kann? Daniel nahm 2 Stühle neben mir Platz und lauschte Marc aufmerksam beim Beantworten seiner gestellten Frage. Wie in all seinen Interviews – die ich bisher nur per Video oder Audiostream verfolgen konnte, war Daniel jederzeit sehr bemüht, auf die gestellten Fragen einzugehen, dachte über sie nach und betete nicht einfach nur die Standardantworten herunter.
Marc: Im Grunde genommen versuchte ich zu den früheren Bondfilmen, wo Ken Adam als Produktionsdesigner mitwirkte, zurückzukehren. Diese Filme haben mich wirklich inspiriert. Einerseits wollte ich mit QOS eine Art „Retro-Bond“ machen, gleichzeitig aber auch einen Bond für die Zukunft. Ich habe mich dabei an Hitchcocks „North by Northwest“ orientiert und habe das im Film auch bei den Oper-Sequenzen in Österreich einfließen lassen. Der andere Film, an den ich mich orientierte, war „The Parallax View“ und ein bisschen haben wir auch über „The French Connection“ diskutiert. Unsere Idee war eben diesen Retro-Look im Film zu haben, aber mit den Szenen im MI6-Hauptgebäude gleichzeitig auch modern und zukunftsweisend zu sein. Diese Zwiespältigkeit habe ich immer schon bei den Bondfilmen geliebt und wollte das auch so in meinem Bondfilm haben.
DANIELS RATSCHLAG AN EINEN NEUEN REGISSEUR: „RUN AWAY!!!“
Marc, welchen Ratschlag würden Sie einem neuen Regisseur für einen Bondfilm geben?Daniel (kann es sich nicht verkneifen, mit verstellter Stimme): Don’t do it! Run away!!!
Der gesamte Raum lacht.
Marc: Ich denke selbst bei einem kommerziellen Projekt ist es wichtig, dem Film eine persönliche Note zu geben. Die Zusammenarbeit mit Daniel – und das erste persönliche Treffen mit Daniel war der Grund, warum ich mich dann für den Film entschied – war wirklich großartig. Ich hatte das Gefühl, dass er und ich dasselbe Ziel hatten, wir wollten beide die Story auf die einzelnen Charaktere zurückbringen, was glaube ich das Wichtigste ist. Wir haben all die Action und die Gadgets im Film, aber das Wichtigste ist die Entwicklung von Bonds Charakter. Man darf das natürlich nicht zu ernst nehmen, aber wir haben Bond Emotionen verpasst.
VIEL GLÜCK MIT EINEM UNFERTIGEN SKRIPT!
Wir kennen die Filme, wir kennen die Schauspieler, wir kennen die Regisseure. Daniel, wie sind Sie an QOS herangegangen, im Vergleich zu CR? Und wie denken Sie jetzt über die ersten negativen Kritiken mancher „Fans“?
Daniel: Das Merkwürdige damals war, dass all die üblen Sprüche, Beleidigungen etc. nicht an mich herangekommen, sondern irgendwo anders gelandet sind. Wir haben damals einen Film [CR] gedreht, mit einem großartigen Drehbuch und einem tollen Regisseur, guten Produzenten, guter Crew etc. und das damals war meine Wirklichkeit. Mir wurde natürlich gesagt, was im Internet alles über mich geschrieben wurde. Aber wenn ich dann am nächsten Tag ans Set kam, dachte ich mir, „mein Gott, wir drehen hier einen Bondfilm“. Lustigerweise spiele ich die Hauptrolle, also James Bond, aber ich wusste, dass wir hier einen wirklich guten Film machen.
Und als ich mich für QOS vorbereitete, wusste ich, dass wir mit CR etwas gestartet haben, was noch nicht fertig erzählt wurde und wir noch erforschen mussten. Deshalb legten wir QOS als direktes Sequel an. Und ich bin in einer sehr glücklichen Position, wir hatten einen enormen Erfolg mit CR und dann kommt Marc Forster daher und möchte den nächsten Film drehen… Ich bin wirklich ein sehr glücklicher Schauspieler. Und was James Bond betrifft: Ich ziehe das natürlich durch!
Marc dazwischen: Daniel gibt sich hier jetzt sehr bescheiden. Ich muss zugeben, ich hatte anfangs die Hosen wirklich voll. Es gab ein Drehbuch, das nicht so richtig zusammenpasste und ich bekam einen Entwurf von Paul Haggis, der sagte: „Viel Glück, ich promote jetzt meinen eigenen Film“. Und so kam es, dass wir beide [Daniel und Marc] mit dem Drehbuch dasaßen und uns Gedanken darüber machten. Weil Daniel sich nicht nur mit den Charakteren sondern auch mit dem Filmemachen so gut auskennt, war es wirklich eine Zusammenarbeit, über die ich sehr glücklich war. Noch dazu kommt, dass wir beide den gleichen Geschmack hatten, was die einzelnen Charakterentwicklungen im Film betraf und wenn man sich ansieht, womit wir starteten und was wir jetzt geschafft haben… Ich bin wirklich sehr glücklich mit dem fertigen Film und ich denke, ein bisschen Glück und Zufall ist sicherlich dabei, aber einiges davon ist einfach harte Arbeit, denn ich habe noch nie einen Film gemacht, bei dem das Drehbuch perfekt gewesen wäre, es war ein „Work-in-Progress“ und Daniels Einfühlungsvermögen ist so gut, dass es uns half, den Film in Zusammenarbeit mit unserer Crew auf einen höheren Level zu bringen.
DAS WICHTIGSTE SIND LOCATIONS, LOCATIONS, LOCATIONS!
Daniel: Ja, wir sprachen definitiv von Anfang an die gleiche Sprache, ich denke das kam auch bei unserem ersten Treffen heraus. Es war sehr ausschlaggebend… lassen Sie es mich so sagen: Die früheren Bondfilme in den 60ern haben einen Standard erschaffen und wurden daher von vielen anderen Filmen einfach kopiert. Das Entscheidende für diesen Erfolg war für mich, und damals wohl auch für Cubby Broccoli, dass man versuchte, soviel wie möglich vor Ort zu drehen und sie haben das nicht nur vorgespielt, sie taten das wirklich. Darauf hat auch Marc vehement bestanden: „Wir müssen raus gehen und vor Ort drehen!“ Die Locations werden somit Teil des Filmes, Teil der gesamten Erfahrung, die man mit dem Film sammelt.
Marc: Ich denke immer, dass die Locations selbst einen Charakter und eine Seele besitzen. Vor allem in den Bondfilmen sind die Locations so wichtig, weil sie einzigartig sind und immer für etwas stehen. Wenn ich mir heute einen der früheren Bondfilme ansehe, bin ich immer aufs Neue von den Drehorten begeistert. Das wollte ich mit QOS wieder zurückbringen, also was heißt zurückbringen, die sind natürlich jedes Mal da, aber ich meine, dass wir an Orten drehen, an denen wir noch nicht waren und die ebenfalls einzigartig sind.
DREHBUCHAUTOR DANIEL CRAIG!
Hat es bei der Aufgabe, Bonds Charakter zu erforschen, Missverständnisse gegeben, hören Sie sich dbzgl. Vorschläge von anderen Leuten an?
Daniel: Ich denke, wir können das nicht tun, denn wenn man so etwas macht, dann muss man aufhören, sich damit auseinanderzusetzen. Wenn du einmal mit dem Drehen begonnen hast, und wir drehten für 6 Monate – praktisch ohne Unterbrechung, bis auf ein paar wenige Tage – dann kommt das Rad ins Laufen. Man versucht natürlich soweit wie möglich alles bereits im Vorfeld festzulegen, aber dennoch verändern sich manche Dinge und wir waren deshalb ständig am Diskutieren und Nachdenken über die einzelnen Szenen, bis hin zum allerletzten Drehtag.
Marc: Wir haben ständig die Dialoge umgeändert und Daniel kam auch oft in der Früh zu mir und sagte „ich habe in der Nacht nachgedacht und mir diesen Dialog so aufgeschrieben, was hältst du davon?“, es war eine konstante Entwicklung. Im Februar brachten wir dann auch einen neuen Drehbuchautor [Joshua Zetumer] mit an Board, weil wir sehen wollten, ob er noch weitere Ideen für uns hat. Was mir an dieser Erfahrung sehr gefallen hat, und ich muss zugeben, dass ich normalerweise jede einzelne Szene und Dialog im Vorfeld genau geplant habe und bei mir alles wie bei einer Uhr abläuft, aber bei diesem Film war ich, bezogen auf das Drehbuch, denn es gab ja kein richtiges Drehbuch, nicht in meinem Element. Jedoch habe ich ständig über die einzelnen Szenen nachgedacht und wusste, „das ist meine Vision, so muss es funktionieren“. Aber dieses kontinuierliche Nacharbeiten, also nicht immer alles todsicher vorgeplant zu haben, gab uns einen erheblichen kreativen Input und machte den Film sogar noch besser, als wenn es bereits ein fixfertiges Drehbuch gegeben hätte. Denn das konstante Verändern, Verbessern und Abwandeln, man arbeitet ja dann auch noch mit verschiedenen Abteilungen zusammen, gibt dem Film eine starke Energie und Kreativität, die ihn letztendlich besser macht.
QOS: KLASSISCH UND GLEICHZEITG DOCH MODERN!
Daniel: Dadurch, dass Marc darauf bestanden hat, an den realen Schauplätzen zu filmen und natürlich durch die enge Zusammenarbeit mit Dennis [Gassner, Produktiondesigner], haben wir einen klassischen aber gleichzeitig auch modernen Film geschaffen. Ich denke dadurch, dass Marc im Vorfeld bereits die großen Dinge geklärt hatte, konnten wir uns dann auf viele Details konzentrieren, was Marc auch bereits erwähnte.
Inwiefern unterscheidet sich Bond von einem Independent-Film oder auch anderen Blockbustern?
EINZIGARTIG: BARBARA UND MICHAEL
Daniel: Ich denke, es ist einfach alles größer. Viel größer!
Marc: Und was noch hinzukommt sind natürlich Barbara Broccoli und Michael Wilson.
Daniel: Ja!
Marc: Sie kümmern sich um alles. Normalerweise haben Studiobosse oder andere Bürokraten, keinen persönlichen Bezug zu den Filmen, die interessiert nur der Job, die Firma und wie erfolgreich der Film wird. Diese Leute wollen keine Verantwortung übernehmen. Wenn die Kreativität eines Filmes ein Hit wird, dann nehmen sie diese natürlich gerne auf sich, wenn sie jedoch ein Flop ist, dann wollen sie nicht dafür verantwortlich sein und heuern deshalb so viele Drehbuchautoren wie nur möglich an, um gut dazustehen. Aber bei Barbara und Michel ist das anders, es ist nämlich immer deren Verantwortung, egal ob der Film gut ankommt oder nicht. Und das ist etwas…
Daniel: Einzigartiges!
Marc: Genau, einzigartig. Sie kümmern sich um Daniel, sie haben meine Vision immer unterstützt und sie haben immer versucht mir das zu geben, was ich wollte. Ich denke, das ist etwas ganz Besonderes.
Daniel: Und so ist das bei jedem. Wenn es irgendwo ein Problem gibt, dann versuchen sie dieses zu lösen. Wir filmten in Colón, Panama, in einer sozial eher schwächeren Gegend und es ist eine Art Tradition bei den Bondfilmen, dass die richtigen Leute angeheuert und alle Rechnungen bezahlt werden und dass man den Drehort in einem guten Zustand wieder verlässt.
Marc: Obwohl die Leute in Colón sehr arm sind, waren sie wirklich sehr freundlich und hilfsbereit zu uns und wenn ich einem anderen Studioboss gesagt hätte, dass ich hier gerne drehen würde, hätte er mich sicherlich gefragt, ob ich verrückt sei. Jeder andere Produzent hätte mir abgesagt, aber Barbara und Michael meinten einfach nur, „ok schauen wir uns einmal alles an und dann überlegen wir uns, was wir alles benötigen, damit hier gedreht werden kann“.
Wie fühlt es sich an, der erste Nicht-Commonwealth-Regisseur zu sein in der Bondserie?
Marc (lächelnd): Ja, darauf hatte mich auch Barbara Broccoli angesprochen, dass ich der jüngste und noch dazu erste Nicht-Commonwealth-Regisseur sei. Sie wollte anscheinend noch mehr Druck auf mich ausüben…
Daniel (scherzhaft): Ja, so etwas macht sie die ganze Zeit!
Marc: Aber ernsthaft: Ich denke darüber gar nicht nach. Ich denke der Erfolg solch eines Projektes hängt nicht von der Nationalität ab, sondern es ist wichtig, dass man versucht, den besten Film wie nur möglich zu erschaffen. Ich kann jedenfalls meine Gefühle darüber nicht beschreiben, aber wenn ich jetzt auf meine Arbeit zurückblicke, dann bin ich sehr glücklich über den Film.
GIANCARLO GIANNINI AT HIS BEST!
Gibt es Szenen im Film, auf die sie beide besonders stolz sind?
Daniel: Das ist schwer zu sagen. Dialogszenen sind in den Bondfilmen oft sehr rar, aber bei denen, die wir gedreht haben, war die Zusammenarbeit – vor allem mit Marc – großartig, weil wir genau wussten, was der eine vom anderen wollte.
Marc: Vor allem die Szenen mit Giancarlo Giannini.
Daniel (schmunzelnd): Ja, diese Szenen waren eine eigene Erfahrung. Ich kann das jetzt nicht erzählen… das geht nicht…
Lautes Gelächter.
Daniel: Also er ist wirklich wundervoll im Film. Giancarlo hat einen unbeschreiblichen unterschwelligen Humor, den er überall mitnimmt, egal was er tut. Aber er ist manchmal etwas… nennen wir es losgelöst… und wir hatten wirklich alle unglaublich viel Spaß zusammen.
Eine weitere Lieblingsszene für mich ist die letzte Sequenz im Hotel in der Wüste, die sehr schwierig zu planen war und viel Vorbereitung bedurfte und die Marc ganz alleine gedreht hat. Möglicherweise ist sie auch deshalb meine Lieblingsszene, weil sie die letzte war, die wir gedreht haben… [Daniel lacht.] Ich finde die Elemente, die wir für diese Szene verwenden, machen diese Sequenz sehr beängstigend und aufregend und sie war auch gar nicht so einfach zu drehen.
Marc: Für mich gibt es sehr viele tolle Szenen im Film. Aber am besten gefallen mir jene, in denen Daniel Craig mit anderen Schauspielern interagieren kann. Als ich ihn zum Beispiel die Szenen mit Judi Dench spielen sah, dachte ich mir, „oh mein Gott, das ist wirklich großartig!“. Und dann natürlich noch die Szene mit Giancarlo, wo beide wunderschön zusammenspielen und Gefühle zeigen, das ist einfach umwerfend. Dann gibt es noch Szenen, wie zum Beispiel jene mit Gemma Arterton, wo der Humor eine wichtige Rolle spielt und natürlich in der Endszene im Hotel, wo Bond und Camille zusammen im Feuer sitzen. Dort tauchen starke und emotionale Komponenten auf.
Es gibt sehr viele Momente mit jedem einzelnen Schauspieler, was meiner Meinung nach sehr speziell ist, da es eine andere Seite von Bond zeigt und das finde ich so faszinierend bei den Bondfilmen, denn Bonds Charakter selbst ist ein Geheimnis und ich denke, das ist auch der Grund, warum die Filme schon so lange so erfolgreich sind. Er hat eine sehr harte Schale und er ist nicht jemand, der über seine Gefühle spricht und das soll er auch nicht und man will so etwas auch nicht von ihm hören. Aber die Betrachtung wie Bond agiert und vor allem mit anderen Personen interagiert, also wenn Bond auf der Party auf Greene trifft und man sich ansieht, wie er auf Greene reagiert und mit ihm umgeht, finde ich sehr faszinierend. Jeder Schauspieler hat eine unterschiedliche Leinwandpräsenz und strahlt etwas anderes aus und das ist glaube ich der Grund, warum der Film so viele Momente besitzt, die mir sehr gut gefallen.
MONEYPENNY AND Q WILL (MAYBE) RETURN!
Daniel, was denken Sie, wie weit können Sie mit Bonds Charakterentwicklung noch gehen?
Daniel: Ich denke wir haben mit QOS etwas abgeschlossen, das wir mit CR begonnen haben. Wir haben den Kreis nun geschlossen und können jetzt so weit gehen, wie wir wollen und auch machen, was wir wollen. Es ist nun viel Platz nach oben hin und wir werden für den nächsten Film sicherlich auch noch über bekannte Figuren aus den früheren Bondfilmen diskutieren.
Haben Sie Ideen für die nächste Story bzw. tragen Sie diese den Verantwortlichen vor?
Daniel: Ja, ich versuche mich und meine Vorschläge so viel wie nur möglich einzubringen und man hat mir auch gesagt, dass man auf meine Meinung hören wird, wenn die Vorbereitungen für BOND23 beginnen. Aber derzeit denke ich und auch sonst niemand von der Crew bereits an den nächsten Film…
Wir aber schon!
Großes Gelächter.
Daniel: Ja ich weiß, aber es tut mir leid, derzeit dreht sich bei uns alles nur um QOS und darum, den Film endlich herauszubringen.
Marc, würden Sie noch einen Bondfilm drehen? Vielleicht nicht sofort, aber nach einer gewissen Zeit?
Marc: Nein, derzeit nicht.
Daniel (scherzhaft): Jetzt gerade würde ich auch keinen drehen wollen…
DANIEL WILL NICHT AUFHÖREN!
Im Vergleich zu den Dreharbeiten in Bregenz dieses Jahr, war damals, als in Tschechien Teile von CR gedreht wurden, so gut wie niemand von den Fans vor Ort. Das öffentliche Interesse hat sich seitdem stark geändert, was halten Sie von diesem großen öffentlichen Interesse?
Daniel: Es ist fantastisch, in vielerlei Hinsicht. Der letzte Film kam bei den Fans sehr gut an und auch die anfängliche Kontroverse konnte Gott sei Dank beseitigt werden und wir konnten mit CR neue Fans für die Bondserie begeistern und wenn es eine Absicht dieses Filmes gibt oder sagen wir so, wenn es eine Absicht von mir gibt, die Rolle von James Bond zu spielen, dann ist es sicherlich jene, die Legende weiterleben zu lassen und neue Fans zu begeistern. Wir haben mit CR auch gleichzeitig ein neues Publikum angesprochen und einen neuen Ansatz für die Filme gewählt, worüber man natürlich immer diskutieren kann. Entweder man liebt es oder man hasst es. Es wird immer beide Seiten geben und das ist auch ein Grund, warum ich immer schon auf der Suche nach interessanten Aufgaben war. Es ist natürlich sehr schwierig für mich, das alles zu verbinden. Also die Fans in Bregenz waren außergewöhnlich. Ich bin jeden Tag überrascht und erfreut und ich hoffe, dass das auch so bleibt, denn sollte mir das eines Tages nicht mehr gefallen, dann müsste ich damit aufhören und es wäre vorbei.
Wie fühlt sich das eigentlich an, ein Teil der Filmgeschichte zu sein?
Daniel (scherzhaft): Na, soweit sind wir noch nicht. Bald vielleicht!
Ich wusste das natürlich, bevor ich mich für Bond entschied. Das war der schwere Stein, den jeder von uns tragen muss, der die Rolle spielte. Aber glauben Sie mir, ich war schon immer ein Bondfan und ich verstehe das natürlich alles.
Marc: Es ist irgendwie auch eine große Verantwortung, vor allem wenn man aus England stammt. Bond ist quasi die Krone des britischen Kinos, es gibt hier nichts Größeres.
Es ist bekannt und jeder erzählt das, dass EON-Productions wie eine große Familie ist. Wie sehen Sie das?
Daniel: Ich persönlich denke, dass das noch direkt von Cubby Broccoli stammt. Auf diese Art und Weise hat er sein Leben geführt und auch beruflich gearbeitet. Es ist sehr italienisch… Du umgibst dich mit deinen engsten Bekannten, deiner Familie, achtest auf sie, kümmerst dich um sie, vertraust ihnen und wenn du das alles tust, dann bekommst du vieles zurück. Und das wird auch von Michael und Barbara so fortgeführt. Wie Marc vorher bereits gesagt hat, es ist heutzutage etwas Einzigartiges, es ist der ideale Weg, einen Film herzustellen. In unserer Zeit geschieht das nur mehr ganz, ganz selten und schon gar nicht bei Filmen dieser Größe, denn dann wird es nämlich auch politisch.
Marc: Ich glaube sehr an diese Familienstruktur und versuche auch bei meinen eigenen Filmen meine Familie mitzubringen. Als ich das Angebot von Barbara und Michael akzeptierte, sagt ich ihnen, dass ich meine eigene Familie mitbringen müsse. Ihr habt eure Familie, ich habe meine, denn auf diese Art kann ich am besten und am effizientesten arbeiten.
DIE VOR- UND NACHTEILE VOND JAMES BOND!
Hat Ihnen die Rolle des James Bond bereits Vorteile verschafft? Bond wird Ihnen, vielleicht nicht von den Kritiken, aber kommerziell doch sicher weiterhelfen?
Daniel: Auf jeden Fall.
Marc (scherzhaft): Ich weiß nicht, ob der Film finanziell wirklich ein Erfolg wird. Ihr müsst halt versuchen, dass all eure Fanclubs und Mitglieder am 1., am 2., am 3. Tag usw. im Kino sitzen. Rund um die Uhr!
Gelächter.
Ja, das werden wir auf alle Fälle versuchen! Wir sehen uns alle als großes Fußballteam an, die Produzenten sind die Manager, Marc der aktuelle Trainer und Sie Daniel, unser Stürmer.
Daniel (zeigt auf seinen rechten Arm): Ja, der gerade verletzt ist.
Haben Sie bereits Bücher von Ian Fleming gelesen, Marc?
Marc: Ich habe nur 2 gelesen, „Casino Royale“ und „Liebesgrüße aus Moskau“. Die Kurzgeschichte „Quantum Of Solace“ habe ich einmal in Barbara und Michaels Büro gelesen, als sie mir sagten, das sei der Titel unseres Filmes. Ich fragte sie: „Ob das gut gehen wird?“ Aber mittlerweile gefällt mir der Titel und er passt auch zum Film. Ich liebe die Passage mit dem Gouverneur und Bond.
Haben Sie etwas aus der Kurzgeschichte auch im Film?
Marc: Hmm… Ja, am Ende findet Bond sein „Quantum Trost“.
Daniel: Ich denke, es hat sich gut hineingearbeitet. Es war zwar immer schon da, aber durch die einzelnen Aspekte des Filmes wurde auch für uns klarer, was die wichtigsten Teile im Film sein werden, nämlich die Beziehungen, Loyalität und Vertrauen, was wir auch schon in CR teilweise hatten. Der schlechteste Titel für diesen Film wäre wohl „Closure“ gewesen. Aber „Quantum Of Solace“ ist genau das, worum es Bond geht und es ist auch sehr „Fleming“, denn er liebte solche lyrischen Ausdrücke. Fleming gefiel es, auf diese Weise mit Wörtern herumzuspielen und ich denke, dass es dadurch sehr „Bond“ wird.
Daniel, ein digitaler Daniel Craig wird im Computerspiel erscheinen. Was halten Sie davon, hatten Sie Bedenken?
Daniel (etwas ironisch): Das passende Wort dazu ist wohl „Wahl“… Nein, der Grund, warum ich es tat, ich habe mit Activision darüber diskutiert und ihnen gesagt, dass ich selbst auch Computerspiele zocke und genau verstehe, was gut und was schlecht ist. Ich sagte ihnen, dass es jetzt die passende Technologie gäbe, dass sie genügend Zeit und auch Zugang zu all unserem Material und der Story hätten… und sie es daher einfach nicht versemmeln sollen! Und das, was ich bisher davon gesehen habe, sieht großartig aus!
Danach war unsere Zeit, das Interview dauerte insgesamt ca. 45 Minuten, leider auch schon vorbei. Daniel und Marc verabschiedeten sich noch freundlich von uns allen, Mr. Bond plauderte beim Rausgehen noch ein wenig über seine Verletzung und wir wünschten ihnen beiden natürlich viel Glück mit dem Film.
Es freut mich, dass ihr es bis hierher geschafft habt. :)
Das war jedenfalls der erste Teil meines Berichtes über diesen unvergesslichen London-Aufenthalt. Wir hatten wirklich alle eine Menge Spaß und ich habe versucht, einen Teil davon auch in meinen Artikel zu transferieren, leider kann ich euch keine Fotos anbieten. Teil 2 des Interviews mit den beiden Produzenten gibt es demnächst natürlich an selber Stelle. Bis dahin seid ihr herzlichst eingeladen, eure Meinungen, Fragen, Beschwerden, Lob oder Kritik zu posten, viel Spaß!